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Mehr InfosBachelorarbeit, 2014, 45 Seiten
Bachelorarbeit
1,7
Im Zuge des III. Parteitags der SED 1950 wurde die Grundlage zu einer eigenen Struktur des DDR-Sports gelegt, indem die Investition von 400 Millionen Mark für den Bau von Sportstätten und ähnlichen Einrichtungen beschlossen wurde.[1] Um den „planmäßigen Aufbau des Sozialismus in der DDR im sportlichen Bereich“[2] umzusetzen, wurde am 24.07.1952 zunächst das Staatliche Komitee für Körperkultur und Sport mit seinem Vorsitzenden Manfred Ewald gegründet.[3] Eine der ersten Amtshandlungen Ewalds war es, die Sportarten jeweiligen BSG zuzuordnen, um so eine intensivere Personalpolitik - und damit auch bessere Förderung des Leistungssports - betreiben zu können.
„[…] b) In allen größeren volkseigenen Betrieben sollen von der jeweiligen Industriegewerkschaft hauptamtliche Sportinstrukteure angestellt werden, die die Aufgaben haben, den Sport in den jeweiligen Betrieb zu organisieren. Die Zahl der in den Betrieben angestellten Sportinstrukteure ist von der Größe des Betriebs sowie der Zahl der Belegschaftsmitglieder abhängig. […] (zitiert aus dem Dokument: Das Staatliche Komitee für Körperkultur und Sport übernimmt die wesentlichen Funktionen des Sportausschusses)“[4]
Die Zusammensetzung der Leitung des Staatlichen Komitees für Körperkultur und Sport bestand aus Vertretern des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds (FDGB), der Freien Deutschen Jugend (FDJ), dem Ministerium für Volksbildung und des Ministerium des Innern (MdI) sowie der Gesellschaft für Sport und Technik (GST).[5] Die Vertreter dieser Instanzen waren dem Komitee in Form eines Rates angegliedert. Die weitläufige Zuständigkeit klärt nicht nur die gesellschaftspolitische Geltung, sondern auch die angestrebte Kontrolle des Leistungssportsystems mit steuerbaren Organen.
Bis zur Gründung des Deutschen Turn- und Sportbundes 1957 hatte das Komitee eine Monopolstellung in nahezu allen sportlichen Belangen. Nach der Gründung des DTSB wurden vom Ministerrat am 06.06.1957 die Verordnungen über die „Staatlichen Komitees für Körperkultur und Sport“ aufgehoben.[6] Die Kompetenzen bei regionalen Fragen lagen nun bei den neu gegründeten Bezirks- und Kreisvorständen des DTSB. Bei zu fällenden Entscheidungen musste sich der Vorsitzende des Komitees lediglich vor dem Ministerrat verantworten. Dem Sekretariat des Komitees sollten neben Ewald noch vier stellvertretende Vorsitzende angehören. Durch diese Entscheidungsgewalt, die faktisch nur beim Vorsitzenden lag, war das Komitee durch personelle Erneuerungen leicht und schnell manipulierbar.[7] Bis zur Umbildung des Staatlichen Komitees in das Staatsekretariat 1970 gab es keine erheblichen Veränderungen in der Führungsstruktur.
Am 17.06.1970 wurde die Nachfolgeorganisation des Staatlichen Komitees, das Staatssekretariat für Körperkultur und Sport (StKS), gegründet. Damit wurde das Machtverhältnis zu Gunsten des DTSB gerückt, da dem StKS eher die Koordinationsaufgabe im sportlichen Sektor zuteilwurde. Die Verantwortlichkeit des StKS wurde von Beginn an auf „staatliche Belange“ ausgerichtet[8]:
„Das Staatssekretariat für Körperkultur und Sport […] ist ein Organ des Ministerrates. Es ist für die Planung und Leitung staatlicher Aufgaben auf dem Gebiet von Körperkultur und des Sports und für die Wahrnehmung der staatlichen Belange im System von Körperkultur und Sport verantwortlich. (zitiert nach: „Verordnung über das Statut des Staatssekretariats für Körperkultur und Sport“, § 1. In: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Teil II, Nr. 57 vom 08.07.1970.)[9]
Einen wesentlichen Aufgabenbereich, den das Staatssekretariat für Körperkultur und Sport weiter behielt, war die Planung, Anleitung und Kontrolle der Sportwissenschaften. Im dafür gegründeten Wissenschaftlichen Rat des Staatssekretariats wurden weitere separate Abteilungen gebildet, um die sportwissenschaftliche Arbeit noch effektiver und praxisnäher zu gestalten. Es entstanden Fachgebiete wie Sportmedizin, Forschung oder Aus- und Weiterbildung. Ausgestattet mit neuesten sportwissenschaftlichen Erkenntnissen konnte das StKS somit den DTSB optimal bei der Planung und Koordination aller wissenschaftlichen Fragen unterstützen.[10]
Mit der Bildung der LSK wurde der Einfluss des Wissenschaftlichen Rates erheblich verringert. Da die Abteilung Sport des ZK der SED den Leistungssport und die damit verbundene wissenschaftliche Arbeit in diesem Bereich auf ein höheres Niveau bringen wollte, übernahm die LSK die Aufgaben der Sektion Leistungssport des Wissenschaftlichen Rates.[11] Dem StKS blieb jedoch der Bereich des Breiten- und Erholungssports. Im Fünfjahresplan von 1980 bis 1985 erarbeitete der Wissenschaftliche Rat eine Grundorientierung, der die Forschungspläne der sportwissenschaftlichen Institute aufeinander abstimmen sollte.[12]
Mit der Umstrukturierung im Leistungssport 1967 veränderte sich damit verbunden auch das Machtgefüge der vorhandenen Leitungsstruktur im DDR-Sportsystem. Sie wurde von Manfred Ewald beantragt und genauso genehmigt, wie sie eingereicht worden war.[13] Zuvor bestand bereits eine Leistungssportkommission aus dem Jahr 1962. Diese hatte die Aufgabe, „die Zusammenarbeit zwischen Trainern, Sportwissenschaftlern und Sportärzten zu koordinieren und die Wissenschaft in den Trainingsbetrieb einzugliedern“[14]. Die LSK sollte als Einrichtung der SED und Zentrum der sportpolitischen Entscheidung als „Politbüro des Sports“ dienen. Damit wurde die Macht von Manfred Ewald, der zeitgleich auch Präsident des DTSB und Mitglied des Zentralkomitees der SED war, weiter gestärkt.
Mit der Gründung der Zentralen Leistungssportkommission 1967 wurde das Aufgabenfeld noch erweitert:
„1. […] Um die straffe und komplexe Leitung des Leistungssports in der DDR in den Fragen der Prognostik, der Perspektivplanung der wissenschaftlichen Forschung und Anwendung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Praxis der Ausbildung der Leistungssportler und des Nachwuchses […] zu gewährleisten, besteht die ‚Leistungssportkommission der DDR‘. (Aus dem Dokument: Arbeitsrichtlinien für die Leistungssportkommission)[15]
Um diese Richtlinien zu realisieren, arbeitete die LSK eng „mit Leitinstituten der Leistungssportforschung wie der Forschungsstelle und dem Institut für Sportmedizin der DHfK sowie mit den Sportverbänden zusammen“[16]. Um zu verdeutlichen, welchen Einfluss die LSK nicht nur auf den Bereich Leistungssport, sondern auch in weiteren Zweigen der staatlichen Organisation hatte, muss der personelle Rahmen der Kommission dargelegt werden:
„Als Mitglieder sind der DTSB-Präsident und der stellvertretende Präsident für Leistungssport des DTSB, der Staatssekretär für Körperkultur und Sport sowie seine Stellvertreter, der Leiter der Abteilung Sport beim ZK der SED, die Vorsitzenden der Sportvereinigungen der Exekutivorgane (SV Dynamo und ASV Vorwärts), der Direktor des FKS, der Rektor der DHfK, der Leiter des SMD und Vertreter der Ministerien für Volksbildung, Bauwesen, Finanzen und der Staatlichen Plankommission sowie Mitglieder gesellschaftlicher Organisationen wie dem FDGB und der FDJ zu nennen.“[17]
Die zentrale Leistungssportkommission stellte somit, in Bezug auf die Entscheidungsgewalt, die oberste Ebene im Leistungssport dar.
Unterstützt wurde die LSK von zwei Arbeitsgruppen (AG), wobei eine für Wissenschaft und eine für Technik zuständig war. Die AG Wissenschaft bestand aus ausgewählten Mitgliedern wissenschaftlicher Bereiche und koordinierte die Aufgaben aller Einrichtungen der Leistungssportforschung.[18]
Auf kommunaler Ebene hatte die LSK hauptsächlich organisatorische Aufgaben, da für den Einsatz von Trainern und materiellen Bereichen wie den Neubau von Sportstätten die Bezirkskommissionen für Leistungssport zuständig waren. Es ging in diesem Bereich für die LSK lediglich darum, die Vorgaben der Leistungssportbeschlüsse des Politbüros der SED umzusetzen.[19]
Die eigenständige Entwicklung einer sozialistischen Körpererziehung begann in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), beziehungsweise ab 1949 der DDR, im Sommer 1948 mit der Einführung einer „antifaschistisch-demokratischen Sportbewegung“. Gemäß den Anordnungen des Alliierten Kontrollrats wurden alle sportlichen Aktivitäten zunächst in Kommunen organisiert. Zur Gründung des Deutschen Sportausschusses (DS) kam es dann 01.08.1948 unter der gemeinsamen Leitung des FDGB und der FDJ.[20] Ziel des DS war es, die in den Betrieben organisierte Sportbewegung künftig besser zentral zu leiten.
„Feststehen aber dürfte, daß man das Durcheinander beenden wollte und eine Lösung darin gefunden zu haben glaubte, daß FDJ und Gewerkschaften eine […] Sportbewegung gründen sollten. (zitiert nach: Fuchs / Ullrich (1990). Lorbeerkranz und Trauerflor. Aufstieg und Untergang des Sportwunders DDR. Berlin)“[21]
Deshalb wurden auch die bis dahin bestehenden kommunalen Sportgemeinschaften durch die BSG ersetzt. Durch einen Beschluss des ZK der SED vom 17.03.1951 wurde entschieden, dass sich der DS der bisherigen Zuständigkeit von FDGB und FDJ generell entzieht. Folgend sollte der DS als höchstes Leitungsorgan des Sports in der DDR fungieren.[22] Daraufhin wurden die BSG in 18 verschiedenen Sektionen zusammengefasst. Beispielhaft dafür sind SV Dynamo, diese Sportvereine waren der Staatssicherheit und der Volkspolizei zugeordnet, oder SV Medizin für Gesundheitswesen, zu nennen. Durch das Zusammenführen der Sektionen konnte der DS deren Arbeit besser koordinieren. Die Funktion als Dachverband der Betriebssportgemeinschaften war jedoch nur bis zum 24.07.1952 uneingeschränkt. An diesem Tag wurde das Staatliche Komitee für Körperkultur eingerichtet und übernahm sofort auch die Hauptverantwortung für die Leitung des Sports. Dem DS blieb danach hauptsächlich die Aufgabe der „politischen Westarbeit“ im Rahmen der gesamtdeutschen Sportbeziehung.[23]
Im Jahr 1956 fuhr erstmals seit dem Ende des zweiten Weltkriegs eine gesamtdeutsche Mannschaft zu den Olympischen Spielen. Dies war nur möglich, nachdem das Internationale Olympische Komitee (IOC) das NOK der DDR 1955 vorläufig anerkannte. Nachdem auch Athleten der DDR bei den Winterspielen in Cortina (Italien) und den Sommerspielen in Melbourne erfolgreich abschnitten, entschied die Sportführung der DDR, den Leistungssport stärker zu fördern. Man befand, dass der bisher bestehende Sportbetrieb dafür nicht geeignet sei und so beschloss man im April 1957 den „Deutschen Turn- und Sportbund“ (DTSB) zu gründen.[24]
Als einheitliche sozialistische Sportorganisation wurde der DTSB am 27./28.04.1957 gegründet und übernahm ab Oktober des gleichen Jahres die Aufgaben des Deutschen Sportausschusses und auch einige wichtige Funktionen des Staatlichen Komitees für Körperkultur und Sport.[25] Der DTSB wurde somit zur leitenden Institution im Leistungssport. Im Sekretariat des Bundesvorstandes des DTSB waren während eines Großteils des Bestehens neben dem Präsidenten Manfred Ewald (1961 – 1988), auch der Staatssekretär für Körperkultur und Sport Günter Erbach (1973 – 1989), und der Leiter der Abteilung Sport des ZK der SED Rudolf Hellmann (1959 – 1990), zugehörig. Außerdem waren diese drei Funktionäre zusätzlich noch in der LSK vertreten, bei der Ewald Vorsitzender war. Hellmann und Ewald waren Mitglieder im ZK der SED und Ewald war zudem noch von 1973 bis 1989 Leiter des NOK der DDR, in dem Erbach und Hellmann ebenfalls vertreten waren.[26] Durch diese extreme Konzentration der Machtbefugnis war der DTSB zu einem hohen Maß von der Parteiführung abhängig.
Die Fachsektionen, wie sie beim DS noch bestanden, wurden in Sportverbände umgewandelt. Es entstanden insgesamt 33 Mitgliedsverbände, die dem DTSB direkt unterstellt waren, sowie zwei ihm kooperativ angeschlossene Verbände, der Allgemeine Deutsche Motorsportverband der DDR und der Deutsche Anglerverband der DDR. Um den Sportbetrieb bestmöglich auszurichten, gliederte man den DTSB in 15 Bezirksorganisationen, in denen jeweils Stadt- und Kreisorganisationen, Sportgemeinschaften und die Bezirksfachausschüsse der Sportverbände erfasst waren. Außerdem gehörten dem DTSB die Armeesportvereinigung Vorwärts der Nationalen Volksarmee (NVA) und die Sportvereinigung Dynamo des MdI an.[27] Der Aufgabenbereich des DTSB war vielfältig:
„Seine Hauptaufgaben sind die Organisation und Durchführung eines regelmäßigen, ganzjährigen Übungs- und Trainingsprozesses, die Sicherung des Wettkampfbetriebes in den Sportarten auf allen Ebenen sowie das Angebot vielfältiger sportlicher Betätigungsmöglichkeiten für alle Bürger entsprechend ihren Möglichkeiten, Interessen und Neigungen“[28]
Dieses staatspolitische Interesse nahm die Bevölkerung der DDR gerne an, was sich anhand der Mitgliederzahlen sehr deutlich widerspiegelt. Im Jahr der Gründung des Deutschen Sportausschusses 1949 lag die Mitgliederzahl bei rund 500 000 Menschen. 1971 waren es beim DTSB bereits 2,2 Millionen Menschen und kurz vor der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten 1989 waren es 3,7 Millionen Mitglieder.[29]
Im Fokus des DTSB stand, Kinder und Jugendliche zum Sport-Treiben zu animieren. Dies wurde realisiert, indem ausgezeichnete Bedingungen in nahezu allen Sportarten geboten wurden. Der Nachwuchs konnte somit den Sport als Freizeitaktivität betreiben, auch ohne dabei ehrgeizige Ziele zu verfolgen, nur, um sich sportlich zu betätigen. Es gab aber natürlich auch junge talentierte Sportler, die ihrem Hobby mit Ambitionen nacheiferten. Diese Auswahl an Sportlern hatte die Möglichkeit in TZ oder im bestmöglichen Fall sogar an einer der KJS zu trainieren. Ihnen wurde zudem noch die Möglichkeit geboten, an Wettkämpfen auf internationaler Ebene teilzunehmen.[30] Um dabei einen optimalen Transfer der Sport treibenden Kinder aus den Schulen in den sportlichen Betrieb des DTSB zu gewährleisten, gingen die Sportgemeinschaften mit den Schulsportgemeinschaften Patenschaften ein. 1985 bestand bei 88% der Sportgemeinschaften eine Patenschaftsbeziehung zu einer Schulsportgemeinschaft.[31]
Vom Staat wurden vor allem Sportarten gefördert, bei denen das Verhältnis von Kosten und Nutzen in Relation stand. So wurde am 08.04.1969 beim Leistungssportbeschluss festgelegt, den Sport in zwei Kategorien zu teilen. Dabei wurde Sport I besonders gefördert, da man diese Sportarten als medaillenintensiv ansah. Dazu zählten Schwimmen, Rudern und Leichtathletik. Sport II wurde weniger gefördert.[32] Ein Beleg für die Einschränkung von Fördermaßnahmen bei gewissen Sportarten ist ein Auszug aus dem Dokument „‚SED-Hausmitteilung‘ Hellmann an Honecker zur ‚Grundlinie der Entwicklung des Leistungssports in der DDR bis 1980‘“ (1968):
„Werter Genosse Honecker!
[…]
Die Einstellung besonderer Fördermaßnahmen halten wir gerechtfertigt bei
Basketball, Alpinen Disziplinen und Eishockey.
Begründung: im Basketball haben wir nur geringe Aussichten, in die Weltspitze vorzustoßen. Es ist eine aufwendige Sportart, und sie bindet, auf Grund der für eine Mannschaftssportart notwendigen Breite, viele Talente (besonders in solchen Zentren wie Halle, Berlin, Leipzig).
[…]
Die im Eishockey besonders umfangreichen Förderungsmaßnahmen sollten zugunsten von Eisschnelllauf eingesetzt werden. Eisschnelllauf ist eine medaillenintensive Sportart (24 Medaillenmöglichkeiten).“[33]
Durch die Erfolge, die verbucht wurden, stieg auch das internationale Ansehen der DDR als „Sportwunderland“. Viele Länder der Dritten Welt delegierten ihre Nachwuchskräfte und Trainer in die DDR, um sie dort ausbilden zu lassen. Dies konnte realisiert werden, da der DTSB zahlreiche Kontakte zu den Sportorganisationen „junger Nationalstaaten“ unterhielt.[34]
Am 12.12.1989 traten Präsidium und Sekretariat des Bundesvorstandes des DTSB zurück. Es bildete sich ein Arbeitsausschuss, dessen Aufgabe darin bestand, die Geschicke des DTSB dahingehend zu lenken, sich dem Deutschen Sportbund (DSB) der Bundesrepublik Deutschland anzuschließen. Auf einer Tagung des Bundesvorstandes des DTSB am 22.09.1990 empfahl man den neu organisierten Landessportbünden, die Aufnahme beim DSB zu beantragen. Die Auflösung des DTSB zum 05.12.1990 beschlossen. Am 15.12.1990 traten dann alle ostdeutschen Landessportbünde dem DSB bei.[35]
Dem Leistungssport kam in der DDR stets eine gewichtige Rolle zu, gerade im Kampf um internationale Anerkennung als eigenständiger Staat. Es wurde ständig darauf geachtet, dass der Sport in diesem Zusammenhang auch kulturelle, politische und erzieherische Aufgaben übernahm. Außerdem sollte der Sport einen „wichtigen Beitrag zu einer kulturvollen Lebensweise der Bevölkerung [leisten] und ermöglichte vielen jungen Menschen ihr Bedürfnis und ihr Streben nach hohen Leistungen und sportlichen Erfolg zu befriedigen.“[36]
Das langjährige Mitglied im Bundesvorstand des DTSB und Sportwissenschaftler, Horst Röder, äußerte sich auf dem Sportwissenschaftlichen Kongress „Sozialismus und Körperkultur“ 1967 zur gesellschaftlichen Funktion des Leistungssports wie folgt:
„Der Leistungssport hilft allseitig gebildete sozialistische Persönlichkeiten zu entwickeln und fördert die Erziehung zum Staatsbewußtsein […]
[…] wirkt für die Bevölkerung als Beispiel und ist Ansporn für die junge Generation, regelmäßig zu trainieren […]
[…] ist ein wichtiger Faktor der Freizeitgestaltung und der Freizeitbetätigung […]
[…] verhilft zu neuen Einsichten über die physische Vervollkommnung des Menschen und weist die besten Wege für eine allgemeine Erhöhung der körperlichen Fitness […]
[…] fördert schließlich die Idee der Völkerfreundschaft, des Friedens und unterstützt das Ansehen unseres Arbeiter- und Bauernstaates […]“[37]
Röder stellt den gesellschaftlichen Bezug des Staates zum Sport her, indem er darlegt, dass das Ziel des DDR-Leistungssports darin bestand, talentierte Athleten zu internationalen Spitzenleistungen zu führen, um bewusst System- und Individualinteressen zu verwirklichen.[38]
Mithilfe des Leistungssports gelang es den Verantwortlichen der DDR außerdem, das „ungesetzliche Verlassen“ des Staatsgebiets von Bürgern einzudämmen. Trotz, oder gerade wegen, der vielen Wettkampfreisen in andere Länder haben verhältnismäßig wenige Sportler des Leitungssport-Kaders die Republik auf Dauer verlassen. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) registrierte in den Jahren 1987, 1988 und 1989 insgesamt 40 Flüchtlinge. In absoluten Zahlen wurde diese Zahl lediglich vom Partei- und Staatsapparat unterboten. Andere Abteilungen wie das Gesundheitswesen oder Kultur- und Massenmedien hatten weitaus höhere Flüchtlingszahlen zu vermelden.[39] Gründe hierfür waren wohl vor allem die permanente Kontrolle, sportliche Motive oder auch die hohen gesellschaftlichen Privilegien, die ein Leistungssportler genoss.
Die enge Verbindung von Politik und Sport vermochte die SED-Führung ohne Weiteres zu ihren Gunsten zu nutzen. Der DTSB wirkte dabei nicht selten als lenkbare Institution, um die sportpolitischen Pläne der Partei in die Praxis umzusetzen. Somit erwies sich die Politik als eigentliches Motiv für die „leistungssportliche Aufrüstung“ der DDR.[40]
Im außenpolitischen Bereich sah sich die DDR dem Problem der diplomatischen Nichtanerkennung durch die BRD ausgesetzt. Infolgedessen war das Ziel der DDR, sich als zweiter deutscher Staat von der Bundesrepublik abzugrenzen. Dafür bot sich der Sport als geeignetes Mittel an. Da die DDR in Sachen politischer Fragen bei internationalen Beziehungen oft noch außen vor blieb, erleichterten die sportlichen Erfolge die Aufnahme der souveränen DDR an internationale Organisationen erheblich. Major Axel Tönsmann, Parteisekretär der Sportvereinigung „Dynamo“, äußerte sich 1964 wie folgt dazu:
„Unsere Sportler müssen begreifen, daß auch der friedliche Wettstreit zwischen Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung eine Form des Klassenkampfes zwischen Sozialismus und Kapitalismus ist […].
Es kommt vielmehr darauf an, bei jedem unserer Sportler die feste Überzeugung herauszubilden, daß mit jedem Sieg über die westdeutschen Athleten bei den Qualifikationswettkämpfen […], die Existenz unserer DDR […] demonstriert wird.“[41]
Die Sportler galten bei der internationalen Anerkennung Anfang der 1970er Jahre als „Diplomaten im Trainingsanzug“, da sie eine wichtige Repräsentantenrolle im westlichen Ausland einnahmen. Die überragenden sportlichen Erfolge trugen bedeutend zur Beschleunigung der weltweiten politischen Anerkennung der DDR bei.[42] Die politische Führung nutzte das erfolgreiche Auftreten der Athleten bewusst für den eigenen Prestigegewinn und klassenkämpferische Propaganda bei sportlichen Großveranstaltungen. So wird die Verbindung von Außenpolitik und Sport in dem 1982 veröffentlichten Lehrmaterial „Körperkultur und Sport in der DDR“ folgenderweise beschrieben:
„Die internationalen Sportbeziehungen sind von den internationalen politischen Bedingungen abhängig, spielen aber auch bei der Verwirklichung außenpolitischer Zielstellungen eine aktive Rolle. Die Außenpolitik der DDR, die an den Prinzipien des proletarischen Internationalismus, der antiimperialistischen Solidarität und der friedlichen Koexistenz zwischen Ländern mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung orientiert ist, trägt dazu bei, günstige Voraussetzungen für die internationalen Sportbeziehungen zu schaffen. […] In den verflossenen Jahren normalisierten sich die Sportbeziehungen mit den entwickelten kapitalistischen Ländern“[43]
Bis Anfang der 1970er Jahre pries die DDR-Führung die sportlichen Erfolge ihrer Athleten als Beweis für die Überlegenheit des Sozialismus gegenüber dem Kapitalismus an. Mit der Ablösung Ulbrichts durch Honecker trat dieser Systemvergleich jedoch immer mehr in den Hintergrund.[44]
Dafür wurde die innenpolitische Ausnutzung des Sports immer wichtiger. Da man sich mit der Bundesrepublik im Grundlagenvertrag von 1972 auf gegenseitige Unabhängigkeit und Selbständigkeit einigte, wurde die staatliche Existenz der DDR nicht mehr in Frage gestellt. Daher konzentrierte man sich auf die innenpolitische Festigung und griff dafür auf den Leistungssport zurück.[45]
Die gesellschaftlichen Spannungen, die durch die Einparteienherrschaft entstanden galt es zu kompensieren. Zu diesem Zweck wurden die Leistungssportler als Sympathieträger und sozialistische Vorbilder präsentiert, die der Gesellschaft gegenüber ein DDR-Staatsbürgerbewusstsein vermitteln sollten. Mit Hilfe dieser Werbung erfüllten die Sportler eine innenpolitisch wichtige stabilisierende Funktion.[46]
Das sportliche Fördersystem nahm in der Deutschen Demokratischen Republik einen sehr wichtigen Platz ein. Es erfüllte zum einen die Funktion, dem Unterbau des Leistungssports eine Struktur zu geben, aber es sicherte auch den langfristigen Trainings- und Leistungsaufbau eines Sportlers vom Anfänger zu einem Spitzenathleten. „Organisations- und Leistungsaufbau, Wettkampf- und Trainingssystem, Sichtung und Auswahl stellten die Grundpfeiler des Fördersystems im Leistungssport der DDR dar.“[47] Gefördert werden sollten in erster Linie Kinder, bei denen sich die Veranlagungen und Fähigkeiten für ihren Sport erkennen ließen. Das alles entscheidende Kriterium war aber das Talent. Den Talentbegriff gibt es nicht nur im Sport, auch in Bereichen wie Mathematik, Kunst oder Handwerk kommt dieser Begriff vor. Das sportliche Talent wird von Carl folgendermaßen definiert:
„Als sportliches Talent (Sporttalent) wird eine Person bezeichnet, von der man aufgrund ihres Verhaltens oder aufgrund ererbter oder erworbener Verhaltensbedingungen annimmt, daß sie für sportliche Leistung eine besondere Begabung oder Hochbegabung besitzt.“[48]
Dementsprechend hat die DDR im Laufe der Zeit ein umfangreiches Fördersystem entwickelt, um so viele Sportler wie möglich zahlreich und auf sportlich höchstem Niveau zu entwickeln.
[...]
[1] Vgl. (Reichelt, 2006) S. 27
[2] (Reichelt, 2006)S. 27
[3] Vgl. (Reichelt, 2006) S. 27 f.
[4] Spitzer, G. Et. al. (1998). Schlüsseldokumente zum DDR-Sport. Aachen. Meyer & Meyer Verlag. S. 38 f.
[5] Vgl. Herbst, A., Ranke, W., & Winkler, J. (1994). So funktionierte die DDR – Band 2. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag. S. 1005
[6] Vgl. (Herbst, Ranke, & Winkler, 1994) S. 1005
[7] Vgl. (Reichelt, 2006) S. 31
[8] Vgl. Teichelt, H.-J., Reinartz, K. (1999). Das Leistungssportsystem der DDR in den 80er Jahren und im Prozeß der Wende. Schorndorf. Verlag Karl Hofmann. S. 315
[9] (Teichler & Reinartz, 1999) S. 316
[10] Vgl. (Reichelt, 2006) S. 35
[11] Vgl. (Reichelt, 2006) S. 36
[12] Vgl. (Reichelt, 2006) S. 36
[13] Vgl. (Spitzer, Teichler, & Reinartz, 1998) S. 134
[14] (Reichelt, 2006) S. 38
[15] (Spitzer, Teichler, & Reinartz, 1998) S. 140
[16] (Reichelt, 2006) S. 39
[17] (Reichelt, 2006) S. 39 f.
[18] Vgl. (Reichelt, 2006) S. 40
[19] Vgl. (Reichelt, 2006) S. 40f.
[20] Vgl. Herbst, A., Ranke, W., & Winkler, J. (1994). So funktionierte die DDR - Band 1. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag. S. 232
[21] (Reichelt, 2006) S. 44
[22] Vgl. (Herbst, Ranke, & Winkler, 1994) S. 232
[23] Vgl. (Herbst, Ranke, & Winkler, 1994) S. 232
[24] Vgl. (Herbst, Ranke, & Winkler, 1994) S. 232 f.
[25] Vgl. (Herbst, Ranke, & Winkler, 1994) S. 234
[26] Vgl. (Reichelt, 2006) S. 67
[27] Vgl. (Herbst, Ranke, & Winkler, 1994) S. 234
[28] Gras, F. et. al. (1987). Jugend und Sport. Berlin: Dietz Verlag. S.100
[29] Vgl. (Herbst, Ranke, & Winkler, 1994) S. 235
[30] Vgl. (Herbst, Ranke, & Winkler, 1994) S. 236
[31] Vgl. (Reichelt, 2006) S. 48
[32] Dr. Braun, J. (2013). Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg. Potsdam: Zentrum deutsche Sportbeschichte Berlin-Brandenburg. S. 11 f.
[33] (Spitzer, Teichler, & Reinartz, 1998) S. 151
[34] Vgl. (Herbst, Ranke, & Winkler, 1994) S. 236
[35] Vgl. (Herbst, Ranke, & Winkler, 1994) S. 237 f.
[36] Röder, Horst. Zur gesellschaftlichen Funktion des Leistungssports in der DDR. in: Funktionen und Ziele, Grundlagen und Merkmale des Leistungssport in der DDR. 03.03.2014. Abrufbar unter: http://www.sport-ddr-roeder.de/funktionen_ziele.html
[37] Röder, Horst. Zur gesellschaftlichen Funktion des Leistungssports in der DDR. in: Funktionen und Ziele, Grundlagen und Merkmale des Leistungssport in der DDR. 03.03.2014. Abrufbar unter: http://www.sport-ddr-roeder.de/funktionen_ziele.html
[38] Vgl. Röder, Horst. Zielaspekte und Gesamtziel des Leistungssports in der DDR. in: Funktionen und Ziele, Grundlagen und Merkmale des Leistungssport in der DDR. 03.03.2014. Abrufbar unter: http://www.sport-ddr-roeder.de/funktionen_ziele.html
[39] Vgl. (Teichler & Reinartz, 1999) S. 410 f.
[40] Vgl. Hoffmann, N. (2003). Der Ausbau der Kinder- und Jugendsportschulen der DDR unter besonderer Betrachtung des Konflikts um einen ‚humaneren Kinderhochleistungssport‘ zwischen dem Ministerium für Volksbildung und dem DTSB. Universität Mainz. S. 51
[41] Gieseler, K.-H. (1965). Sport als Mittel der Politik. Hase & Koehler Verlag. Mainz. S. 22 f.
[42] Vgl. (Holzweißig, 1988) S. 96
[43] (Holzweißig, 1988) S. 97 f.
[44] Vgl. (Hoffmann, 2003) S. 53
[45] Vgl. (Hoffmann, 2003) S. 54
[46] Vgl. (Hoffmann, 2003) S. 54
[47] Röder, Horst. Fördersystem, langfristiger Aufbau und Kaderpyramide. in: Nachwuchsleistungssport. 27.01.2014. Abrufbar unter: http://www.sport-ddr-roeder.de/nachwuchsleistungssport_5.html.
[48] Litz, P. (2004). Talentförderung und Schulsport in der DDR und der BRD. Weißensee Verlag. Berlin. Seite 11.
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