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Mehr InfosBachelorarbeit, 2011, 62 Seiten
Medien / Kommunikation - Multimedia, Internet, neue Technologien
Bachelorarbeit
1,8
1 Leben am Puls der Zeit
2 Phänomen Facebook
2.1 Netzwerk
2.2 Soziale Netzwerke
2.3 Soziale Netzwerke im Internet
2.3.1 Profil, Kontakte, Vernetzen
2.3.2 Dunbar-Zahl
2.3.3 Small World
2.3.4 Homo Dictyous
2.3.5 Prestige & Zentralität
2.3.6 Aufmerksamkeit und virtuelles Karma
2.3.7 Facebook als Lebenskomponente
2.3.8 The Web Means the End of Forgetting
2.3.9 Leichtigkeit vs. Sicherheit
3 Social Media Explained
3.1 Facebook
3.1.1 Allgemeine Bereiche
3.1.2 Freunde und Listen
3.1.3 Pinnwand-Aktivitäten
3.1.4 Kontaktaufnahme
3.1.5 Offizielle Seiten
3.1.6 Facebook-Erweiterungen
3.2 Twitter
3.2.1 Tweets
3.2.2 Twitter & Follower
3.2.3 Sprachkonventionen
3.3 Twitter vs. Facebook
4 Selbstdarstellung
4.1 Möglichkeiten bei Twitter
4.2 Möglichkeiten bei Facebook
5 Daten sammeln und Vernetzen
5.1 Informationserhebung
5.2 Identitätsdiebstahl
5.3 Cyber-Mobbing / persönliche Diffamierung
5.4 Facebook Stalking
5.5 PleaseRobMe.com
5.6 Sonstige kriminelle Aktivitäten
5.7 Facebook & Sicherheitsprobleme
5.7.1 Lücken bei der Authentifizierung
5.7.2 Like-Jacking
5.7.3 Gegenmaßnahmen
5.7.4 Lösung digitaler Radiergummi?
5.7.5 Eigene Schutzmaßnahmen
6 Facebook – mein bester Freund
6.1 Nachrichtenquelle
6.2 Kontaktzentrale
6.3 Immer informiert
6.4 Allmächtige Instanz
6.5 Vorreiter, Wegbereiter, ständiger Begleiter
6.5.1 Facebook oder Twitter?
6.5.2 Die Vorzüge nutzen oder gar nicht partizipieren?
7 Konsequenz Schlussstrich?
Literaturverzeichnis
Fachliteratur
Nachschlagewerke
Internetquellen
April 2011: Weltweit hat Facebook über 674 Millionen Mitglieder.[1] Allein in Deutschland sind es 17,6 Millionen (Rang 10 im weltweiten Vergleich) und damit knapp 21,5 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung.
Einer von ihnen zu sein, stellt auf den ersten Blick an sich keine große Problematik dar. Schließlich muss man sich ja nicht aktiv am Geschehen beteiligen. Doch das Problem ist, dass man automatisch beteiligt wird, sogar ohne es selbst zu wollen. So wird man unfreiwillig angestupst, von anderen Facebook-Usern markiert und eingecheckt[2], bis man schließlich selbst aktiv wird und Stimmung, Aufenthaltsort und Beziehungsstatus plakatiert.
Dabei sind wir uns oft nicht einmal bewusst, wie viel die Welt eigentlich von uns weiß, weil scheinbare Kleinigkeiten unachtsam und ohne jegliche Einschränkungen mit Pauken und Trompeten in die Welt posaunt werden. – Mit den akustischen Signalen von neuen Posts, Tweets und Status-Updates[3] könnte man an manchen Tagen sogar eine vollendete Symphonie komponieren. – So sehr sind wir also eingebunden in eine schnelllebige digitale Welt, in der das Facebook-Profil zunehmend dem Firmenauftritt im Internet vorgezogen wird. „Kontakt halten“ lautet das Stichwort. Kontakt zu Kunden, Interessenten, Bekannten und Unbekannten und den vermeintlichen Freunden, die sich zahlreich auf dem Facebook-Profil scharen.
Und doch: Bleibt einmal das iPhone für einige Stunden leise, so schauen wir mit panischem Blick auf das Display, als wäre es das stumme Beatmungsgerät, von dem stets, in jedem Augenblick, unser Leben abhängt.
„Es geht auch ohne!“, ist in diesem Zusammenhang eine von vielen Nutzern gar oft geäußerte, aber auch schwer einzuhaltende Aussage. So findet sich dann eine Kommilitonin trotz „des Umzugs in eine abgelegene Hütte am Fuße der Kasachstanischen Alpen“ regelmäßig bei Facebook wieder und postet, kommentiert und Liked was das Zeug hält.
Hier äußert sich die große Problematik, die hinter der Maschinerie Facebook steckt: Es scheint, als ob man nicht mehr ohne Facebook auskommen würde. Freunde drängen einen zum Einstieg und der Rest der Gesellschaft verhindert den Ausstieg. Und weil alles so fantastisch einfach und bequem ist, bleibt man und genießt den digitalen Voyeurismus in vollen Zügen.
Im Zentrum des „Facebook-Universum“ steht nämlich stets die Vernetzung jeglicher Inhalte. Ein spannender Artikel kann mit einem einfachem Mausklick an den gesamten Freundeskreis oder theoretisch an die ganze Welt weitergegeben werden; mit der zusätzlichen Möglichkeit, in einem kurzen Kommentar seine Meinung zu dem verlinkten Inhalt kundzutun.
Facebook, Twitter, XING, LinkedIn – das sind jeweils Plattformen zur Präsentation der eigenen Persönlichkeit. Sei es unter privaten oder geschäftlichem Aspekt, dem Trend zur Zurschaustellung oder Eigenvermarktung. Dabei werden Inhalte zur Verfügung gestellt, welche die eigene Psyche und Privatsphäre in überproportionalem Maße betreffen und offenbaren.
So stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, worin die Faszination sozialer Netzwerke im Internet liegt, warum große Plattformen den kleinen vorgezogen werden und vor allem aus welchem Beweggrund heraus die Nutzer einen nachlässigen Umgang mit ihren persönlichen Daten pflegen. Schließlich ist in einer digitalisierten Welt das Sammeln und Vernetzen von Informationen zu einer Kleinigkeit geworden. Jedoch eine Kleinigkeit, die größere Folgen für die Nutzer sozialer Netzwerke haben kann. Ein „Abschalten“ sämtlicher Verbindungen in die digitale Welt ist natürlich keine Lösung.
Es müssen Ansätze gefunden werden, die ein ausgewogenes Verhältnis schaffen zwischen Netzwerken und Nicht-Netzwerken.
Die Problematik lässt sich in mehrere Bestandteile aufteilen: Basis ist das Phänomen sozialer Netzwerke im Internet selbst, die Grundzüge, Strukturen und damit Fundament jeglicher Tätigkeiten. In diesem Raum werden Freundschaften gepflegt und Informationen preisgegeben, stets unter dem Aspekt, der kaum überschaubaren Möglichkeiten, die Privatsphäre zu schützen und die Veröffentlichung persönlicher Informationen einzuschränken – der Balance-Akt zwischen Selbstdarstellung, Sorglosigkeit und Privatsphäre.
Im klassischen Sinne bezeichnet der Begriff Netzwerk ein Verbundsystem, wird allerdings häufig unter dem Aspekt der Informatik betrachtet und steht dann für ein Datenkommunikationssystem zum Austausch von Daten zwischen mehreren Geräten.[4] Im Vordergrund steht also die gezielte Verbindung, um Informationen (in diesem Fall Daten) bewusst auszutauschen.
Auch soziale Netzwerke dienen diesem Zweck: Allerlei Dinge werden weitergegeben, es wird interagiert. Der gezielte Austausch beschränkt sich dabei allerdings nicht auf Informationen allein: Hauptschwerpunkt ist es, von einander zu profitieren. Das Netzwerk selbst ist in dieser Form nur Instanz, die den Rahmen, die Bedingungen, Konventionen und Möglichkeiten des Vorgangs „Netzwerken“ in genauer Form beschreibt und vorgibt.
Wenn von sozialen Netzwerken gesprochen wird, wird meistens gleich eine Internetplattform wie Facebook oder StudiVZ assoziiert und die Bedeutung dieses Begriffes ausschließlich auf das „Medium Internet“ beschränkt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Suche nach dem Begriff „soziale Netzwerke“ im Internet fast nur Resultate liefert, die in einer Verbindung zu Facebook und Co. stehen. Diese Sichtweise ist allerdings unvollständig.
Ein soziales Netzwerk im eigentlichen Sinn ist nämlich das System aus Menschen des persönlichen Umfeldes (wobei die Weite nach Auslegung stets neu zu definieren ist[5] ), die in Kontakt zu einander treten um sich auszutauschen. Nach dieser Definition kann die Familie als kleinstes Netzwerk bezeichnet werden. Hier interagieren die einzelnen Familienmitglieder miteinander, helfen sich, geben Informationen weiter, verarbeiten diese und bereichern sich dadurch gegenseitig.
Das (soziale) Netzwerk entsteht also folglich nur dadurch bzw. wird dem eigentlichen Sinn und Zweck erst dadurch gerecht, dass Verbindungen zwischen Menschen bestehen und diesen, erst durch die Nutzung, eine Bedeutung gegeben wird. Doch wie aktiv muss man dann sein, damit ein Netzwerk, wirklich ein Netzwerk ist?
Diese Frage zu beantworten gestaltet sich recht schwierig, da Häufigkeit und Wertigkeit einzelner Interaktionen nicht nur von der Interaktionsart, sondern auch von der eigenen Persönlichkeit und der Bedeutung des Netzwerkes bzw. Kontaktes abhängig sind. Es wäre zu einfach, nur zu sagen, dass die Familie, basierend auf tagtäglichem Kontakt, ein viel besseres oder intensiveres Netzwerk ist, als beispielsweise der Freundeskreis. So kann man zu Freunden die man eher selten sieht ein viel intensiveres Verhältnis haben, als zum Beispiel zu einem Freund, den man tagtäglich sieht. Es ist also davon abhängig, wie man „zu einem Menschen steht“. Insofern lässt sich auch keine wirkliche Kennziffer ausmachen, an der man misst und bewertet, wie aktiv sich jemand im sozialen Netzwerk beteiligt. Auch gibt es nicht wirklich eine konkret definierte Schwelle, ab der man ein Netzwerk auch wirklich als solches bezeichnen kann und darf. Natürlich ist diese Sichtweise nicht ganz vollständig: So handhaben Internetplattformen zunehmend eine Art „Belohnungs-system“[6] für besonders aktive Nutzer und erstellen somit eine klare Rangliste. Da sich die vom Betreiber vorgegebenen Kriterien allerdings stark unterscheiden können, soll dieser Aspekt an dieser Stelle noch nicht beachtet werden.
Darüber hinaus gibt es Erfahrungswerte und Empfehlungen, wie zum Beispiel für Twitter: „a few times a week and perhaps a few times a day“.[7] Aber auch hier folgt gleich der Hinweis, dass jeder selbst sein eigenes Gefühl entwickeln muss, was für einen persönlich funktioniert. Halten wir also fest: Eine aktive Beteiligung in sozialen Netzwerken liegt dann vor, wenn Kontakte gepflegt werden und eine regelmäßige, von der eigenen Person abhängige, Beteiligung stattfindet, die nicht auf einer ausschließlich passiv einseitigen Interaktion beruht.
Durch eine „Verlagerung“ der Plattform sozialer Netzwerke ins Internet zu Facebook und Co. ändern sich die bereits erarbeiteten Feststellungen allerdings an manchen Stellen. So hat sich beispielsweise die „Interaktion“ selbst mit der Ausbreitung der Massenmedien und der Änderung der verfügbaren Kommunikationstechnologien radikal verändert. Die Art der Interaktion und vor allem die dadurch bedingte bzw. zugeschriebene Wertigkeit der Interaktion oder des Kontaktes werden somit in starker Weise beeinflusst.
Im Vordergrund steht in dieser Arbeit der ausschließliche Austausch untereinander über die Möglichkeiten der sozialen Netzwerke Facebook und Twitter, Kommunikationswege wie Telefon, Brief, SMS, Mail etc. werden außer Betracht gelassen. Auch die Optionen zum Versenden von direkten Nachrichten und zum Chatten sind eher zu vernachlässigen – sie bieten die gleichen Möglichkeiten, wie der Mail-Account, nur eben unter der gleichen Oberfläche in der auch die restlichen sozialen Interaktionen abgewickelt werden.
Betrachten wir also nach der Reduzierung auf die Alleinstellungsmerkmale kurz die wichtigsten Funktionen (eine ausführliche Auseinandersetzung mit den einzelnen Funktionen findet sich unter „3 Social Media Explained“): Selbstdarstellung und einfaches Kontakt halten. Das eigene Profil ist Aushängeschild, Visitenkarte und offenbart persönliche Interessen; über Posts und Tweets kann der „Freundeskreis“ und die gesamte Online-Welt informiert und auf dem neusten Stand gehalten werden.
Und vor allem ist es leicht, all diese Dinge zu tun. Einerseits, weil mittlerweile fast jedes Smartphone eine einfache Anbindung an die sozialen Netzwerke anbietet und andererseits, weil die umfangreichen APIs[8] zusätzliche Programme und Funktionen wie Pilze aus dem Boden schießen lassen. Hinzu kommt, dass die Schwelle, ab der eine Handlung als Interaktion bezeichnet wird, herabgesetzt wird. Es ist mittlerweile einfacher, schnell einen Pinnwandeintrag zu verfassen anstatt eine zeitaufwendigere Mail zu schicken.
Im Mittelpunkt steht die Vernetzung sämtlicher Inhalte, seien es Informationen, Status-Updates oder Freunde. Diese digitale, soziale Vernetzung determiniert Haltbarkeit und Wertigkeit zwischenmenschlicher Beziehungen. Je vernetzter, desto größer die Gefahr der Entfremdung des sozialen Kontaktes.
Zwar ist die Ansicht, „nicht bei Facebook zu sein, weil man mir auch eine Mail schreiben kann und alle wichtigen Menschen sowieso im aus gewöhnlichen Papier hergestellten Adressbuch drin sind“ sehr radikal und beleuchtet kommunikations-theoretisch nur einen Teilaspekt der Problematik, zeigt aber den deutlichen Verfall, dem Kontakte die nur digital und halbherzig gepflegt werden ausgesetzt sind, auf. Laut einer US-Amerikanischen Umfrage halten Partnerschaften von aktiven Twitter-Nutzern sogar kürzer als die ihrer Nicht-Twitternden Artgenossen.[9]
Es stellt sich daher die Frage, warum soziale Netzwerke überhaupt genutzt werden, wenn sie soziale Kontakte doch mehr zerstören denn bereichern. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, welchen persönlichen Umgang man pflegt. Vor allem weil in einer digitalen Welt die Definition „Freund“ eine vollkommen andere Bedeutung bekommen hat.
Der durchschnittliche Benutzer hat 130 Freunde.[10] Allerdings scheint dieser statistische Wert in der Realität sehr stark zu schwanken. So haben einige Benutzer nur zwanzig oder dreißig Freunde auf Facebook. Andere dagegen sammeln sie wie Briefmarken, bis die Grenze von maximal 5000 Freunden[11] erreicht ist. Diese Feststellung, kombiniert mit der Dunbar-Zahl[12], nach der ein Mensch soziale Kontakte nur bis zu einer Maximalanzahl von 150 Personen unterhalten kann[13], verleiht dem Werbe-Slogan der Welt Kompakt aus dem Jahr 2009, „Wir haben online so viele Freunde, dass wir ein neues Wort für die echten brauchen.“[14], den nötigen Hintergrund und zeigt die Auswirkungen auf unsere sozialen Kontakte auf: Wir fangen an, uns weniger auf einzelne Kontakte zu konzentrieren, vernachlässigen Freunde und, egal wie groß der Freundeskreis im Facebook-Profil, konzentrieren uns dann doch nur auf eine maximale Anzahl von 150 Personen.[15]
Dabei fehlt es den meisten Menschen an der Fähigkeit oder einfach an dem Wissen um die Möglichkeit, ihre Interaktionen auf die „realen Freunde“ zu beschränken. Denn Abstriche an der Freundesliste selbst zu machen, nimmt einem sozialen Netzwerk im Internet einen Teil des Zwecks und der Sinnhaftigkeit.
Da stellt sich natürlich die Frage, welcher „Sinn“ hinter einem sozialen Netzwerk genau steht. Ist es der Wunsch nach gegenseitiger Unterstützung, oder ist es die lapidare, von Eigeninteresse gesteuerte, Aufrechterhaltung von Kontakten zur persönlichen Bereicherung, gemäß dem Homo oeconomicus?
Der Sinn ist die Vernetzung selbst. Mit der Möglichkeit, (theoretisch) mit jedem Menschen bzw. User in Kontakt zu treten wird Facebook zu einer „Kleinen Welt“ und damit Inbegriff der „Six degrees of separation“[16].
Demnach steht jeder Mensch zu jedem anderen Menschen über maximal sechs Ecken in Verbindung. Agieren wir also in einem sozialen Netzwerk, das uns eben durchschnittlich 130 Personen zur Verfügung stellt, so beeinflussen wir Freunde, sowie deren Freunde und Freundesfreunde und auch umgekehrt. Im Gegensatz zu Stanley Milgrams Theorie „verebbt die Wirkung sozialer Netze allerdings hinter der dritten Ecke“[17]. Unbewusst wird so Glück und Leid, möglicherweise sogar einander unbekannter Menschen, miteinander geteilt.
Insofern wären Gefühlsansteckung und Nachahmung als essentielle Mechanismen sozialer Netzwerke Motoren für die Gesellschaft. Unter diesem Aspekt rechtfertigt allein der Austausch miteinander die Existenz des Homo dictyous; also dem Menschen als „Netzmenschen“. Die Betrachtung eines vernetzten Menschen unterscheidet sich wesentlich von dem Einzelkämpfer: Er beeinflusst und wird beeinflusst, er organisiert sich in größeren (Interessens-)Gruppen, ist Meinungsmacher und betrachtet Meinungen. Es geht bei der Kommunikation in sozialen Netzwerken also weniger um den eigentlichen Informationsaustausch, sondern viel mehr um den Prozess der Kommunikation, der Interaktion selbst.
Als soziales Wesen fühlt der Mensch mit, lässt sich von diesen Stimmungen und Meinungen beeinflussen, weil sie, bereits durch den emotionalen Filter eines Freundes gelaufen, als „as it is“ präsentiert werden und somit eben nur durch ihr Vorhandensein keine konkrete Auseinandersetzung einfordern.
Er ist somit für soziale Netzwerke wie geschaffen. Indem Netzwerken vereinfacht wird, eben durch entsprechende Portale, kann der Mensch somit dieser „natürlichen Eigenschaft“ gerecht werden, am Leben anderer Menschen teilhaben und sich selbst offenbaren.
Hier liegt wohl das Geheimnis von Facebook: Ermöglichen und Vereinfachen sozialer Interaktion, stattgeben genannter Eigenschaften. Im Gegensatz zu kleineren Portalen kann hier auch ein möglichst weltnahes bzw. das im Vergleich zu anderen Netzwerken im Internet am ehesten weltnahe, Geflecht an Personenverbindungen abgebildet werden und bietet somit optimale Voraussetzungen zur Anwendbarkeit des „Kleine-Welt-Phänomens“. Hinzukommen praktische Gründe: Wieso sollte ein User Zeit investieren in ein Profil auf einer Plattform auf der weit weniger Nutzer erreicht werden können? Es muss keine Rücksicht genommen werden auf räumliche oder zeitliche Unterschiede. Man kann sich mitteilen, auf Gleichgesinnte treffen und die Welt und deren Ereignisse auf einfache, unkomplizierte Art kommentieren. Damit wird man Teil der Welt und wie eine Spirale mit jedem Kommentar und jeder Würdigung des Geschriebenen durch Andere erneut. Allein durch diese Eigenschaften ist eine Daseins-Berechtigung für entsprechende Portale bereits gegeben. Fraglich ist nur, in welchem Maße die bereitgestellten Dienste in Anspruch genommen werden sollten.
Die Stichwörter lauten in diesem Zusammenhang Prestige und Zentralität; sie benennen die Hauptfunktionen sozialer Netzwerke. Eindeutige Vorteile, die allerdings auch nur so lange Vorteile bleiben, wie sich der Umgang damit sensitiv gestaltet und andere Möglichkeiten des Netzwerkens nicht als überflüssig erscheinen oder gar verdrängt werden.
Wie das Smartphone zum Mittelpunkt des „digital Lifestyle“ geworden ist und uns auf Schritt und Tritt mit Neuigkeiten versorgt und der Welt verbindet, so ist Facebook zur wichtigsten Kommunikationszentrale avanciert. Alle Dinge und Möglichkeiten sind praktisch (allerdings nicht immer übersichtlich) zu erreichen und vor allem greifbar. Man schreibt eine Nachricht nicht an eine E-Mail-Adresse, sondern an eine Person. Man muss keine Nummern oder Kontakt-Daten organisieren; alle Freunde sind in einem riesigen Topf gesammelt und können bei Bedarf herausgefischt werden. Und vor allem: Gespräche werden vereinfacht und entfallen teilweise sogar ganz, denn alle nötigen Informationen und Aktivitäten einer Person lassen sich einfach abrufen und erwecken so die Illusion, wirklich am Leben des anderen teilzuhaben.
Der Aspekt des Prestiges ist da allerdings etwas kritischer zu betrachten. Es ist, unabhängig von der Ausrichtung der Selbstdarstellung, stets eines: die Präsentation der eigenen Persönlichkeit. Gefördert und gefordert von Gesellschaft und mittlerweile auch der Wirtschaft. So ist es nicht nur so, dass das „Facebook-Profil jobtauglich gemacht werden soll“[18], sondern eben auch für die Unternehmen selbst die Präsenz in sozialen Netzwerken zur Pflicht zu werden scheint. Der Trend geht von der reinen Werbung hin zur Kommunikation.[19] So erkennt mittlerweile sogar schon die Kirche den möglichen Bedarf, sich in sozialen Netzwerken bewusst zu inszenieren.[20] Die Devise lautet stets „gefunden werden, präsent sein“. Zu diesem Zweck werden nicht nur profilneurotische Inhalte ins Netz gestellt, sondern diese auch noch zusätzlich vernetzt und damit auffindbar gemacht.[21]
Dabei gilt zu beachten, dass Prestige irgendwie immer mit einem gewissen Hang zum Exhibitionismus verbunden ist.[22] Schließlich ist es leichter, sich der virtuellen Öffentlichkeit zu offenbaren, als der realen. Die Hemmschwelle ist hier geringer. Zu oft gerät allerdings in Vergessenheit, dass die virtuelle Öffentlichkeit nur ein Abbild der realen ist, beide also unmittelbar vereint und nicht voneinander trennbar sind. Im Internet ist man mutiger, willenloser und weniger nachdenklich und reflektierend. Eigenes Verhalten wird seltener und inkonsequenter hinterfragt. Man geht virtuell unvorsichtiger mit personenbezogenen Daten und die Privatsphäre tangierenden Informationen um, als man dies in der Wirklichkeit handhabt.
Dadurch inszeniert man sich in sozialen Netzwerken viel intensiver, als man dies im realen Leben tun würde. Weil man interessant sein möchte, um jeden Preis auffallen, schließlich hat man damit bessere Chancen, neue Kontakte zu knüpfen. Doch nicht nur die bewusste Selbstinszenierung ist Ausdruck des digitalen Exhibitionismus. Zum Beispiel kann das Lechzen nach vielen, positiven Kommentaren oft der Versuch sein, die eigene Unsicherheit und fehlende Bestätigung in der wirklichen Welt zu kompensieren. Oder auch die Flucht vor der realen Welt oder das Erhaschen von Aufmerksamkeit sind als Gründe für den digitalen Exhibitionismus anzuführen.
So zeichnete ZDF.kultur in der Sendung „Der Marker“ vom 20. Mai 2011[23] ein erschreckendes Bild über „eine Zukunft, in der Menschen sich im Netz gegenseitig bewerten […] und die Reputationsökonomie zum neuen Wirtschaftszweig“ wird[24] und verdeutlicht die Folgen, wenn Bewertungssysteme aktiv Einzug in das wirkliche Leben halten: Grundlage stellt das auch heute schon vorhandene System auf ebay, in Online-Shops oder Online-Communities wie Qype dar. In Zukunft soll die Plattform „Netkarma“ helfen, Handwerker, Installateure und andere Dienstleister zu bewerten. Doch dabei bleibt es nicht: Netkarma wird zur Bewertungsplattform für alle Menschen. Fortan fließen auch Bewertungen von ebay oder YouTube, Erwähnungen auf Facebook und Twitter etc. in das eigene Netkarma-Konto ein und bestimmen den persönlichen Punktestand, der schon bald öffentlich gezeigt werden muss. Wer dies nicht tut, erscheint zunehmend suspekt. „Netkarma als Indikator für die Prominenz im Kulturraum Web“[25]. Punkte sammeln steht zunehmend im Vordergrund, Menschen werden aufgrund ihres Netkarma beurteilt. Der Kontostand wird, als Aushängeschild der eigenen Reputation, schamlos präsentiert und beginnt schon bald damit, das Bankkonto abzulösen.
Auch wenn dieser Zukunftsausblick stellenweise, allein aufgrund der zeitlichen Dimension, stark dogmatisch wirkt, so konsolidiert er die Problematik doch in einem wichtigen Satz: „Die Welt ist eine andere geworden, seit Menschen Menschen bewerten. Ob sie aber gerechter geworden ist, ist fraglich.“[26]
Netkarma, das Bewertungsspiel, ist hier folglich das Sinnbild einer materialistischen Gesellschaft, die es schafft, sogar Persönlichkeitsmerkmalen und zwischen-menschlicher Interaktion etwas Rationales und Messbares aufzudrücken. Karma, ein eigentlich spirituelles Konzept, wird damit Ausdruck der Selbstvermarktung, des Zwangs nach Aufmerksamkeit.
Woher dieses Verhalten rührt, ist in diesem Zusammenhang nicht weiter für die Arbeit relevant. Problematisch ist vor allem die vermeintliche Anonymität und die fehlende soziale Kontrolle. Wo es in der Gesellschaft klare Grenzen, Strukturen und Regeln gibt, fehlt es in der virtuellen Realität fast vollständig an verbindlichen Regeln und Gesetzen; einziges strukturgebendes Element ist die natürliche Begrenzung der Möglichkeiten. Doch diese Möglichkeiten werden zunehmend durch Plattformbetreiber und Dritte nicht eingeschränkt, sondern weiterhin ausgedehnt und erweitert.
So ist für viele Menschen Facebook ein essentieller Bestandteil des eigenen Lebens geworden, ein Teil der Identität, ohne dass sie sich dessen manchmal so ganz bewusst sind. Die Online-Kontaktplattform also als eine unverzichtbare Komponente, die den Menschen nur so zu einen sozialen Wesen zu machen scheint. „Bist du auf Facebook?“ wird damit zu einer häufig gestellte Frage, wenn man jemanden kennenlernt. Insofern kann die „Nicht-Teilnahme“ an Facebook der sozialen Ausgrenzung gleichkommen. Es ist also leichter zu posten und zu twittern, als es nicht zu tun.
Facebook kann so allerdings zur Sucht werden: Die Freunde müssen schließlich immer auf dem neusten Stand gehalten werden, man ist ständig online, den Blick immer wieder auf das Display des Computers oder Smartphones gerichtet. Das Portal ist somit stummer (und vor allem ständiger) Begleiter des eigenen Lebens und dadurch alle anderen wiederum mit ihm.
Wir vergessen darüber hinaus aber, was wir eigentlich mitteilen wollen und sollten. So ist dann, noch bevor das gerade Geschriebene selbst verarbeitet worden ist, schon längst der Senden-Button geklickt. Klar, mittlerweile kann mit Fingertipp die letzte Nacht von sämtlichen Netzwerken verbannt werden[27], würde das allerdings nicht einem wichtigen Prinzip des Internet selbst widersprechen: „Das Internet nimmt alles auf und vergisst nichts“.[28]
Jeder Eintrag, jeder Post, jeder Tweet wird mit Absenden sofort einer (meist) großen Anzahl von Leuten zugänglich, die sich zusätzlich durch die Vernetzung von Inhalten und Personen noch um ein Vielfaches vergrößert. Da kann ein peinliches Bild bereits innerhalb einer Stunde schon längst über mehrere Stationen weiter gewandert sein, bevor die Quelldatei vom peinlich berührten Poster wieder gelöscht wird. Den Weg in das schonungslose Datennetz hat es bis dahin allerdings schon geschafft. Und es da wieder herauszubekommen ist äußerst schwierig, aufwendig und kompliziert, wenn nicht gar ganz unmöglich. Oft müssen sogar kostenpflichtige Dienste zu Rate gezogen werden[29].
Das Problem setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Erstens finden, nur für einen begrenzten Personenkreis bestimmte, Inhalte durch die zunehmende Vernetzung sehr schnell ihren Weg außerhalb der Gruppe und werden unter Umständen sogar Personen außerhalb des Netzwerkes (bewusst) zugänglich gemacht. Zweitens ist es auch in beschränktem Maße möglich, als Außenstehender auf eigentlich geschlossene Inhalte in sozialen Netzwerken zuzugreifen. Drittens finden auch gelöschte Inhalte einfach ihren Weg, auf lange Zeit archiviert zu werden. So hat die Wayback Machine von The Internet Archive seit 1996 über 150 Milliarden Internetseiten archiviert.[30]
Das Agieren innerhalb sozialer Netzwerke im Internet fügt sich also in ein komplexes Netz aus Information und Nicht-Information ein, in die Divergenz zwischen persönlicher, direkter Kommunikation und dem Erreichen von „Massen“. Und diesen Spagat zu schaffen, die „richtige Mischung“ zu finden, ist eben sehr schwierig und erfordert, neben einer sorgfältigen Konfiguration des Profils auch das nötige Bewusstsein. Doch das nimmt dem Prinzip Facebook einen wichtigen Teil: die Einfachheit und damit auch den Reiz. Deswegen wird dann doch häufig die Privatsphäre zu Gunsten der Leichtigkeit aufgegeben. Natürlich könnte jeder User selbst bestimmen, welche Einstellungen er vorzieht – aber wer macht das schon so genau.
Es ist schließlich das Prinzip von Facebook, mit wenig Aufwand oder Klicks viel Möglichkeiten zu bieten, sozusagen die digitale eierlegende Wollmilchsau zu sein. Doch gerade diese Möglichkeiten sind das Problem; denn wo es viele Möglichkeiten gibt, besteht auch erhöhtes Potential, etwas falsch zu machen, eine wichtige Option zu übersehen, einen unbedachten Schritt zu gehen.
[...]
[1] vgl. Facebook. Die Welt im Überblick (April 2011), Social Media Schweiz, http://www.socialmediaschweiz.ch/html/landerberichte.html (Stand: 10. Mai 2011)
[2] Aktivitäten bei Facebook zur Kontaktaufnahme und Vernetzung von Freunden; siehe dazu „3 Social Media Explained“
[3] Unterschiedliche Möglichkeiten, in einem sozialen Netzwerk etwas mitzuteilen; siehe dazu „3 Social Media Explained“
[4] vgl. Definition „Netz“, in: Zeitverlag Gerd Bucerius (Hrsg.) 2005: Die Zeit. Das Lexikon in 20 Bänden, Band 10, Seite 305
[5] Laut dem Psychologen Robin Dunbar folgt die Hierarchie der Gruppengrößen bei Freunden-und Bekanntenkreisen einem mathematischen Gesetz. Die Gruppe der „engsten Freunde“ umfasst drei bis fünf Personen, zu etwa zwölf bis zwanzig Personen hat man eine „spezielle Bindung“, der Rest mit etwa 30 bis 50 Personen wird als Bekanntenkreis mit „lockerer Bindung“ bezeichnet.
[6] U.A. das Netzwerk Foursquare hat ein solches Belohnungssystem integriert. Die Nutzer können durch vorgegebene Aktionen und besonders häufige Aktivität in dem Netzwerk Belohnungen und Auszeichnungen erhalten. Diese wiederum definieren das Ansehen und den Rang des Nutzers.
[7] O‘Reilly, Tim / Sarah Milstein 2009: The Twitter Book, First Edition, Page 123
[8] Eine API (Application Programming Interface), ist eine Programmierschnittstelle zur Anbindung externer Anwendungen an Softwaresysteme.
[9] vgl. Rudder, Christian 2011: 10 Charts about Sex, OkTrends, http://blog.okcupid.com/index.php/10-charts-about-sex (Stand: 20. Mai 2011)
[10] Unternehmen. Statistik, Facebook, http://www.facebook.com/press/info.php?statistics (Stand: 20. Mai 2011)
[11] vgl. Schwindt, Annette 2010: Das Facebook-Buch, Seite 51
[12] Konzept von Robin Dunbar zur kognitiven Grenze sozialer Beziehungen
[13] vgl. Metzler, Marco 2007: Die Mechanismen virtueller Beziehnungsnetze. Menschliche Beziehungen im Zeitalter des Social Networking, NZZ Online, http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/medien/die_mechanismen_virtueller_beziehungsnetze_1.585038.html (Stand: 20. Mai 2011)
[14] siehe dazu Welt Kompakt 2009: Sind wir reif?, YouTube, http://www.youtube.com/watch?v=5B5cyKpLFsY&feature=player_embedded (Stand: 20. Mai 2011)
[15] vgl. Gourlay, Chris 2010: OMG: brains can‘t handle all our Facebook friends, The Sunday Times, http://technology.timesonline.co.uk/tol/news/tech_and_web/the_web/article6999879.ece (Stand: 21. Mai 2011)
[16] Begriff von Stanley Milgram über den Grad der sozialen Vernetzung in der modernen Gesellschaft
[17] Lenzen, Manuela 2010: Um sechs Ecken herum kennen wir uns alle, FAZ.NET, http://www.faz.net/-00s8ys (Stand: 21. Mai 2011)
[18] König, Andrea 2011: Das Facebook-Profil jobtauglich machen, Macwelt, http://www.macwelt.de/artikel/_News/2263263/das_facebook_profil_jobtauglich_machen (Stand: 21. Mai 2011)
[19] vgl. MACup Redaktion 2011: Dienstleistungs-Gemeinschaft: Facebook für Alle, MACup.com, http://www.macup.com/news/talk/dienstleistungs_gemeinschaft_facebook_fuer_alle
[20] vgl. Reimann, Ralf Peter 2011: Soziale Netzwerke. Kirche 2.0?, Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche, http://www.nordelbien.de/nachrichten/dossier/one.news/index.html?entry=page.dossierne.201104 (Stand: 21. Mai 2011)
[21] vgl. Limberger, Yasemine 2011: Soziale Netzwerke für die Karriere richtig nutzen, Macwelt, http://www.macwelt.de/artikel/_Ratgeber/2362533/soziale_netzwerke_fuer_die_karriere_richtig_nutzen (Stand: 21. Mai 2011)
[22] vgl. Dolto, Françoise 1988: Über das Begehren.Die Anfänge der menschlichen Kommunikation, 2. Auflage, Seite 287
[23] Der Marker 2011: Uebermorgen.TV – Netkarma, ZDF.kultur, http://hstreaming.zdf.de/zdf/veryhigh/110520_netkarma_mar.mov (Stand: 31. Mai 2011)
[24] Geier, Christine 2011: Uebermorgen.TV – Netkarma, ZDF-Blog, http://blog.zdf.de/dermarker/2011/05/20/uebermorgen-tv-netkarma (Stand: 31. Mai 2011)
[25] Der Marker 2011: Uebermorgen.TV – Netkarma, ZDF.kultur, http://hstreaming.zdf.de/zdf/veryhigh/110520_netkarma_mar.mov (Stand: 31. Mai 2011)
[26] Der Marker 2011: Uebermorgen.TV – Netkarma, ZDF.kultur, http://hstreaming.zdf.de/zdf/veryhigh/110520_netkarma_mar.mov (Stand: 31. Mai 2011)
[27] siehe dazu So Soho – 22seeds: Last Night Never Happened: the "Morning-After" App, App Store, http://itunes.apple.com/de/app/last-night-never-happened/id423980628?mt=8 (Stand: 21. Mai 2011)
[28] Rosen, Jeffrey 2010: The Web Means the End of Forgetting, The New York Times, http://www.nytimes.com/2010/07/25/magazine/25privacy-t2.html?_r=2&ref=homepage&src=me&pagewanted=print (Stand: 25. Juli 2010)
[29] entsprechende Angebote u.A. unter http://www.suicidemachine.org oder http://www.reputationdefender.com
[30] vgl: About the Wayback Machine, The Internet Archive, http://www.archive.org/web/web.php (Stand: 21. Mai 2011)
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