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Mehr InfosBachelorarbeit, 2014, 57 Seiten
Medien / Kommunikation - Multimedia, Internet, neue Technologien
Bachelorarbeit
2,3
Um einen klaren Begriff von Internet-Memes definieren zu können, ist es von Bedeutung, zu allererst die Herkunft dieses relativ neuen Wortes zu kennen. Daher werde ich vorerst Dawkins' Idee der Memetik näher erläutern, danach auf Susan Blackmores Vertiefung dieser Theorie eingehen, um im nachfolgenden Teil auf die Adaption des Internets anknüpfen, die die Memetik und den Begriff Meme nach einer Rezession Anfang des 21. Jahrtausends neu aufleben lässt.
In seinem Buch "Das egoistische Gen" aus dem Jahr 1976 beschreibt Richard Dawkins im Kern eine für die Biologie neue Interpretation von Charles Darwins Evolutionstheorie und stellt den für ihn wichtigsten Mechanismus der Evolution heraus: den Replikator. Durch den ersten Replikator auf dieser Welt - ein Molekül - entwickelte sich das erste Leben auf der Erde und hatte eine besondere Eigenschaft inne, die es ihm erlaubte, Kopien von sich selbst herzustellen[1] und sich somit immer weiter verbreiten zu können. Allerdings geschehen bei jedem Kopiervorgang Fehler und wenn "Kopien von Kopien hergestellt [werden], die ihrerseits von anderen Kopien gemacht wurden, so fangen die Fehler an, sich zu häufen und gravierend zu werden"[2]. Obwohl das Wort Fehler allgemein negativ konnotiert ist, so ist diese Eigenschaft, neben der Selektion der Kopien, das, was die Evolution letztendlich ermöglicht hat[3] und eine Vielfalt und Variation von Leben schuf. In dem Kapitel "Meme, die neuen Replikatoren"[4] versucht Dawkins, die Prinzipien der Evolution und der Replikation von Genen auf andere Ebenen zu übertragen:
"Ich behaupte, dass wir uns, um die Evolution des modernen Menschen verstehen zu können, zunächst davon freimachen müssen, das Gen als einzige Grundlage unserer Vorstellung von Evolution anzusehen. Ich bin ein begeisterter Darwinist, aber ich glaube, der Darwinismus ist eine zu gewaltige Theorie, als dass man ihn auf den engen Rahmen des Gens beschränken könne."[5]
Er stellt sich nachfolgend die Frage, ob der Mensch extra neue Welten betreten muss, um eine andere Art von Evolution und eine andere Art von Replikator zu finden oder ob man diese nicht auch auf der Erde beobachten könne. Die Antwort darauf sieht er auf Ebene der menschlichen Kultur[6], in der der Replikator des Mems die kulturelle Evolution vorantreibt. Doch was steckt hinter diesem ominösen Begriff? Zunächst einmal setzt Dawkins auf das Gesetz, dass sich das gesamte Leben aus den unterschiedlichen Erfolgsstrategien sich replizierender Einheiten entwickelt, die wiederum unterschiedliche Überlebenschancen haben[7]. Der Name des neuen Replikators wurde von Dawkins absichtlich so gewählt, dass er den gleichen Klang wie Gen aufweist. Außerdem nutzt er das griechische Wort "Mimen" für Imitation[8], um den Charakter der Meme als Kopierer bzw. als Imitatoren zu verdeutlichen. Es ist sozusagen ein Kunstwort, das aus einer Mischung zwischen Gen und Imitation besteht: Mem.
Beispiele für Meme sind nach Dawkins Dinge wie "Melodien, Gedanken, Schlagworte, Kleidermode, die Art, Töpfe herzustellen oder Bögen zu bauen"[9]. Es sind einzelne Ideen, die von Gehirn zu Gehirn springen und dazu den Mechanismus der Imitation verwenden, um diese Ideen an andere weiterzugeben:
"Wenn ein Wissenschaftler einen guten Gedanken hört oder liest, so gibt er ihn an seine Kollegen und Studenten weiter. Er erwähnt ihn in seinen Veröffentlichungen und Vorlesungen. Findet der Gedanke neue Anhänger, so kann man sagen, dass er sich vermehrt, in dem er sich von einem Gehirn zum anderen ausbreitet."[10]
Die Funktionsweise dieser Verbreitung liegt in der psychologischen Anziehungskraft, die einige Ideen bzw. Meme im Gehirn hervorrufen[11]. Anziehungskraft bedeutet aber auch, dass einige Meme erfolgreicher bzw. anziehender sind als andere, wodurch quasi ein "Wettbewerb" zwischen den Memen stattfindet, der die kulturelle Evolution vorantreibt[12]. Ähnlich wie das Wettbewerbsprinzip der Marktwirtschaft funktionieren also auch Meme, indem sie neu erschaffen werden, sich verbreiten und je nach Nachfrage der Menschen entweder überleben oder untergehen.
Susan Blackmore geht so weit und behauptet, dass alles auf der Welt, was durch Imitation an andere Menschen weitergegeben wird, Meme sind: "Wenn Dawkins recht hat, dann ist das menschliche Leben durch und durch von Memen und ihren Folgen durchdrungen"[13]. Meme erfüllen ihrer Ansicht nach alle Kriterien der Evolution: Variation, Selektion und Vererbung. Variation macht sich beispielsweise daran erkenntlich, dass eine Geschichte niemals identisch weitergegeben wird. Unterhaltungen sind immer einzigartig und werden "nicht immer perfekt kopiert"[14]. Selektion, indem bestimmte Meme mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen als andere und erinnert und an andere weitergegeben werden, wobei die weniger erfolgreichen nicht in Erinnerung bleiben, nicht kopiert werden und damit verschwinden[15]. Die Vererbung kommt immer dann zum Einsatz, wenn Meme weitergegeben werden, die teilweise auf anderen Memen beruhen und darauf aufbauen. Ein Teil des ursprünglichen Mems wird dabei erhalten, ein neues aber hinzugefügt[16]. Blackmore vertritt zudem die Auffassung, dass die menschliche Kreativität lediglich ein Prozess von Variation und Rekombination von Memen in den Köpfen der Menschen darstellt[17]. Nach ihr beruhen alle Gedanken eines Menschen auf Memen, die wir uns im Laufe unseres Lebens durch andere angeeignet haben. In den Gedanken aber "mischen wir Ideen und drehen und wenden sie, um neue Kombinationen auszuprobieren"[18], womit Blackmore Meme als "Werkzeuge"[19] sieht, mit denen wir erst denken können.
Das hier in Kurzform dargestellte Konzept der Memetik macht ersichtlich, warum andere wissenschaftliche Disziplinen dazu tendieren, die Memetik abzulehnen. Wenn alles ein Mem ist, was durch Imitation weitergegeben wird, dann wäre sie die Basis aller menschlichen Kultur. Die Welt durch eine Theorie erklären zu wollen, scheint zu einfach für solch komplexe Systeme wie die der Gesellschaft. Um der stetig steigenden Komplexität Herr zu werden, haben sich Disziplinen wie die der Sozialwissenschaften und die der Geistes- und Kulturwissenschaften über Jahrhunderte entwickelt. Für das Internet und speziell das Web 2.0 als ein Bereich, der erst in der letzten Dekade exponentiell zu einem der wichtigsten Faktoren des menschlichen Lebens geworden ist, hat sich noch keine umfassende Disziplin und noch keine umfassende Analysemethode herausgebildet. Warum dafür gerade die Memetik zum Einsatz kommt, wird im folgenden Abschnitt erklärt.
Limor Shifman ist eine der wenigen Wissenschaftler, die versuchen Internetphänomene zu erklären und dabei das Memkonzept verwenden. Sie hält folgendes fest:
"What internet users seemed to have grasped - and Richard Dawkins couldn't have imagined back in 1976 - is that the meme is the best concept to encapsulate some of the most fundamental aspects of the Internet in general, and of the so-called participatory or Web 2.0 culture in particular."[20]
Auch wenn die Memetik in den klassischen Wissenschaften wenig Beachtung findet, so kann sie sich zumindest in den Sphären des komplexen Systems Internet behaupten. In den nachfolgenden Kapitel werde ich vorerst die Vorstellung der Internetgemeinschaft genauer in Augenschein nehmen und anschließend den akademischen Diskurs behandeln.
Wenn Limor Shifman davon spricht, dass die Memetik der Schlüssel ist, um die Internetkultur verstehen zu können, so müssen zuerst einige Aspekte des sogenannten Web 2.0 erklärt werden. Das Web 2.0 ist Gegenstand vielerlei Diskussionen, die sich hauptsächlich um die Begrifflichkeit des Wortes drehen. Einige Menschen verrufen es als "meaningless marketing buzzword"[21], während andere es als "the new conventional wisdom"[22] akzeptieren. Grundlegender Unterschied zum vorherigen Konzept des Web ist die Aktivität, die mit den neuen Möglichkeiten des Internets einhergegangen ist: "Der Umgang mit dem Medium war von Passivität geprägt, denn nur in Ausnahmefällen steuerte der Internetnutzer selbst Inhalte [...] bei"[23], wobei die Einführung des Web 2.0 im Herbst 2001 einen "grundlegenden Wandel im Umgang mit dem WorldWideWeb"[24] für Benutzer hervorrief und oft als "turning point for the web"[25] bezeichnet wird.
Neben Standarddiensten wie Chats, Foren und E-Mail-Programmen, bei denen der Austausch auch im Web 1.0 möglich, aber auch begrenzt war, bietet die neue Formation "vielfältige Möglichkeiten der Partizipation"[26], die sich vor allem in der einfachen Bedienung manifestiert. Nutzer können nun ohne jegliches Vorwissen in Sachen Technik und Informatik eigene Beiträge veröffentlichen, Publikationen von anderen kommentieren, sie können sich vernetzen und sich selbst präsentieren[27]. Jeder, der im Internet unterwegs ist, hat nun die Befähigung, sich auf vielfältige Weise zu partizipieren. Man kann eigene Videos auf Plattformen wie Youtube hochladen, sodass sie für alle anderen Nutzer des Netzes sichtbar sind. Man kann eigene Blogs in Form von traditionellen Tagebüchern öffentlich mit anderen teilen, man kann Bilder auf sogenannten Imageboards stellen, die jedem oder nur einem ausgewählten Kreis an Personen zugänglich sind. Die Möglichkeiten des Internets sind fast unbegrenzt und bei einer Zahl von rund 2,5 Milliarden Internetnutzern weltweit und einem Wachstum von 2000 bis 2012 von über 560% ist die Bedeutung des Web kaum abzusprechen[28]. Durch soziale Netzwerke wie Twitter oder Facebook ist es leicht, bestimmte Inhalte aus dem Internet mit einem Netz aus Freunden und Bekannten zu teilen, indes diese Freunde und Bekannten bestimmte Inhalte wiederum mit ihrem individuellem Netzwerk teilen können. So wird es bedeutend unkompliziert für einen Inhalt, sich selbst immer wieder von anderen Menschen reproduzieren und verbreiten zu lassen und gegebenenfalls Popularität zu erlangen.
Hier kommen die Prinzipien des Memkonzepts deutlich zum tragen. Wie im vorherigen Kapitel erwähnt, können Ideen mit einer hohen psychologischen Anziehungskraft von einem Gehirn zum anderen springen und sich so wie ein Virus verbreiten. Das Internet ermöglicht nun, die Geschwindigkeit des Verbreitungsprozesses optimal zu erhöhen. Es genügen ein paar Klicks und ein Video oder ein Bild springt von einem Netzwerk ins andere und damit auch in die Köpfe der Menschen - vorausgesetzt, es besitzt diese Anziehungskraft und damit eine gewisse Beliebtheit.
Das Angebot an Definitionen von Memes ist im Internet breit gefächert. Vom laienhaften und oberflächlichen Begriffsbildungsversuch bis zu einer ernsthaften Auseinandersetzung auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse ist alles vertreten. Nach Olga Goriunova hängt die "Definition von Memen [...] größtenteils von der Selbstreflexion der Mem-Kultur"[29] ab, wobei sie auf den Begriff "Mem-Kultur" nicht weiter eingeht. Wenn man vom Begriff "Kultur" und deren einfachster Definition ausgeht, dass sie auf der "Gesamtheit der von einer bestimmten Gemeinschaft auf einem bestimmten Gebiet während einer bestimmten Epoche geschaffenen, charakteristischen geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen"[30] beruht, so könnte man hier auch auf eine Internetkultur schließen, wenn man diese Faktoren berücksichtigt. So kann man fast jede Internetseite oder jedes Forum als eigene Gemeinschaft mit deren eigener, spezifischer Kultur bezeichnen, da das Web 2.0 das Entstehen solcher Gruppierungen maßgeblich gefördert hat. Wenn man allerdings von verschiedenen Mem-Kulturen spricht, so müssen die Definitionen zwangsläufig auseinandergehen. Wie ist es dann aber möglich, zu einer einheitlichen Definition von Internet-Memes zu gelangen? Vermutlich ist dies ein ebenso schwieriges Unterfangen, wie eine einheitliche Theorie über Humor zu generieren, da sich dieser ebenfalls von Kultur zu Kultur und sogar von Mensch zu Mensch unterscheidet. Dennoch könnte man damit beginnen, exemplarische Definitionen verschiedener Internetgemeinschaften zu sammeln und diese auf Gemeinsamkeiten hin zu untersuchen, um danach eine umfassende Begriffsbestimmung zu erhalten.
Auf Seiten der deutschen Internetcommunity hat der Begriff Meme bisher wenig Beachtung erfahren, was vor allem an der Gleichsetzung von Memes und Bildern deutlich wird. Die Computer-Fachzeitschrift "Chip" veröffentlichte im Mai 2012 auf ihrem Online-Auftritt www.chip.de ein Ranking mit den 50 besten Internet-Memes, wobei diese Liste ausschließlich Bilder enthielt[31]. Auch der deutsche Ableger der amerikanischen Website "Memegenerator.net"[32], Meme-generator.de[33], wirbt damit "angesagte Meme Grafiken mit witzigen Sprüchen [zu] erstellen und Freunde [zum] lachen [zu] bringen"[34], was aber im Grunde nicht dem Sinn eines Memes entspricht. Ein Meme ist ein Gedanke oder eine Idee, der oder die sich quasi "von allein" aufgrund der hohen psychologischen Anziehungskraft unter den Menschen ausbreitet und sich nicht nur auf den eigenen Freundeskreis bezieht. Im Grunde wäre es möglich, dass sich diese Bilder auch außerhalb des eigenen Netzwerkes verbreiten und es zu einem Meme werden kann. Per se sind diese "Image Macros" - die im eigentlichen Sinne eine Untergruppe von Internet-Memes darstellen (siehe Kapitel 4) - aber noch keine Memes, sie haben lediglich die Möglichkeit dazu. Ein weiterer Indikator für die deutsche Unterrepräsentanz der Internet-Memes kann an Wörterbüchern festgestellt werden. Im Duden beispielsweise gibt es keinen Eintrag zum Begriff Meme oder Mem[35], während das Oxford Dictionary sogar zwei Definitionen anbietet. Die Erste zum Meme außerhalb des Internets, also aus klassischer Sicht von Dawkins und Blackmore, während die Zweite sich auf digitale Memes bezieht: "an image, video, piece of text, etc., typically humorous in nature, that is copied and spread rapidly by Internet users, often with slight variations."[36].
Man kann daraus schließen, dass die deutsche Mem-Kultur einerseits in Sachen tieferem Verständnis noch nicht ausgereift ist oder andererseits - um mit Gorjunova zu sprechen - dies als deren eigene Auffassung von Memes als Bildern verstanden werden kann. Im englischsprachigen Raum wird der Diskurs über digitale Memes wesentlich differenzierter und vor allem häufiger erklärt. Die Imageboards 4chan und funnyjunk z.B. erläutern kurz und bündig, was sie unter Memes verstehen:
"A meme is basically an idea that is easily transferable from one mind to another. Think 'catchphrases'. Memes are created when a large group of users come to identify with a particular image or slogan."[37] (4chan)
"An idea that spreads across the internet, beit video, picture, text, audio, anything. [...] Memes don't have a format. It is an idea that propagates on the internet."[38] (funnyjunk)
Auch wenn diese Erklärungsversuche sehr allgemein und kurz gehalten sind, so legen sie den eigentlichen Kern des Mem-Konzeptes dar und setzen Memes nicht mit Bildern gleich. Auf Seiten wie Internet for Beginners [39], der satirischen Online-Enzyklopädie Encyclopedia Dramatica[40] und eigens als Materialsammlung für "Meme-Forschung" angelegten Seite KnowYourMeme [41] wird in Bezug auf digitale Memes auf vielfältige Weise ins Detail gegangen. KnowYourMeme, die sich hauptsächlich mit Internetphänomenen auseinandersetzen, haben eine umfassende Erklärung für Memes hervorgebracht. Im Forum von KnowYourMeme wird unter "Frequently Asked Questions"[42] zunächst klassisch nach Art von 4chan und funnyjunk erklärt, worum es sich bei dem Begriff handelt. Zusätzlich werden bestimmte Basiskriterien eingeführt, wie Memes als solche erkannt werden können. Die genauen Darstellung kann im Anhang nachgelesen werden. Diese Kriterien machen den adaptierten Charakter des Memetischen deutlich. Es wird vor allem auf die Verbreitung und vor allem die Form der Verbreitung Wert gelegt, die im Internet - anders als in der richtigen Welt - ein besseres Nachvollziehen ermöglicht, da der "Weg" eines Internet-Memes quasi schriftlich oder bildlich dokumentiert und damit auch gespeichert werden kann. Während KnowYourMeme außerordentlichen Wert auf Objektivität legt und vorrangig von "independent professional editorial and research staff and community members"[43] betrieben wird, kann hier von einer umfassenden, von der Wissenschaft angehauchten Mem-Kultur gesprochen werden, die das Thema Internet-Memes detailreich bearbeitet.
Die Encyclopedia Dramatica hingegen darf aufgrund ihrer oft vulgären Sprache und der Tatsache, dass jeder Benutzer des Internets die Inhalte verändern kann (ähnlich wie Wikipedia) jedoch nicht unbedingt als seriöse und ernst zunehmende Quelle betrachtet werden. Trotzdem lohnt ein Blick auf deren Beitrag hinsichtlich der Meme-Definition, da sie ebenfalls eine eigene Mem-Kultur darstellt:
"Originally used to describe packets of cultural information, it was adopted by the internet to describe viral lulz or Frunz. Its original meaning is no longer used except by sociology majors. In short, memes are a way for even friendless losers to have unfunny inside jokes. [...] You can bet your life that every meme you know hasn't been funny since about 20 seconds after its inception, which was approximately one billion years ago for all memes. This means you is [sic!] dead crap and not cool because you weren't on the forum where 'fail' was invented in 76 BC."[44]
Hier trifft man auf eine völlig andere, fast gegensätzliche Art von Mem-Kultur. Die Encyclopedia Dramatica nimmt zwar den Begriff Meme an, negiert ihn aber innerhalb des Internets als nicht lustigen Insider-Witz für Menschen ohne Freunde, die aber eigentlich - für sie als Gemeinschaft - keinen humoristischen Inhalt besitzt. Zusätzlich wird der vergängliche Charakter der Internet-Memes angesprochen, den auch funnyjunk bildlich in Form der "Verdauung"[45] eines Memes darstellt. In Analogie an den Verdauungsprozess suggeriert das Bild die Verbreitung eines Internet-Memes, das bei dem Imageboard 4chan beginnt, sich über funnyjunk, reddit etc. ausbreitet um am Ende bei Facebook als "crap" anzukommen. Sobald ein Internet-Meme bei Facebook existiert und sich dort vermehrt, ist es für den Großteil der Internetgemeinschaft tot. Mit "tot" ist in diesem Sinne der humoristische und damit einer der wichtigsten Aspekte an einem Internet-Meme gemeint. Paul Gil schreibt auf Internet for Beginners, dass die meisten modernen Internet-Memes auf Humor bzw. Komik basieren, da Humor die meisten Menschen erreiche und besonders attraktiv wäre, um es mit anderen zu teilen[46]. Die genaueren Gründe dafür werden in Kapitel 5 noch umfassender beleuchtet.
Internet-Memes haben in der wissenschaftlichen Literatur vor allem in Bereich des "viralen Marketings" große Beachtung erfahren, da sich die Funktionsweise von Memes in Verbindung mit dem Web 2.0 für Werbekampagnen größerer Unternehmen besonders gut eignet[47]. Akademische Literatur, die speziell Internet-Memes zum Inhalt haben, sind dagegen eher rar. Limor Shifman, die sich insbesondere mit internetbasiertem Humor und Memes beschäftigt[48] publizierte im Laufe ihrer wissenschaftlichen Karriere mehrere Artikel über Internet-Memes und veröffentlichte im Jahr 2013 das erste Buch, dass sich direkt Memes im digitalen Kontext und in der digitalen Kultur zuwendet[49]. Auf Grundlage von Richard Dawkins und ihrer bisherigen Arbeit an diesem Thema schlägt sie folgende Definition vor:
"Instead of depicting the meme as a single cultural unit that has propagated successfully, I suggest defining an Internet meme as (a) a group of digital items sharing common characteristics of content, form, and/or stance; (b) that were created with awareness of eath other; and (c) were circulated, imitated and/or transformed via the Internet by many users."[50]
Gemäß der Tatsache, dass das Mem-Konzept seit rund 40 Jahren keine große Beachtung in der Wissenschaft bekam und seit Einführung der neuen Möglichkeiten durch das Web 2.0 auf unzureichender Amateurbasis nahezu "explodiert" ist, muss diese Definition im Fachjargon bisher als das Fundament jeglicher wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit Internet-Memes gelten. Im Unterschied zu den oben genannten Beschreibungen der Internetgemeinschaften stellt Shifman den Gegenstand Internet-Meme zwar differenzierter, aber auch wesentlich allgemeiner dar, indem sie sich nicht ausschließlich auf Ideen oder bestimmte Videos bzw. Bilder beschränkt. Sie bezeichnet Internet-Memes grundlegend als Gruppe von digitalen Gegenständen, die sich bestimmte Eigenschaften teilen, die in Bezug auf andere kreiert werden und die im Internet durch eine Masse an Mitgliedern zirkulieren bzw. imitiert oder transformiert werden. Des Weiteren könne man Internet Memes folgende drei Eigenschaften beimessen: zum einen die graduelle Ausbreitung der Memes von einem einzelnen Individuum hin zur Gesellschaft, zum zweiten deren Reproduktion über den Vorgang des Kopierens und des Imitierens und zum dritten die Verteilung hinsichtlich Wettbewerb und Selektion[51].
Allerdings muss an dieser Stelle die Frage gestellt werden, ob es sich bei dem wissenschaftlichen Feld nicht lediglich um eine eigene Mem-Kultur mit eigener eigenen Vorstellung handelt - wie es beispielsweise bei funnyjunk oder der Encyclopedia Damatica der Fall ist - oder ob angeführten Kriterien allgemeine und objektive Gültigkeit besitzen. Eine Antwort auf diese Frage kann in den Zielen und Intentionen von Wissenschaft und Internetgemeinschaft gefunden werden. Die großen und dynamischen Websites wie funnyjunk oder memebase, werden von Shifman als "humor hubs"[52] bezeichnet und haben vorrangig visuellen und verbalen Humor zum Inhalt. Ihr Zweck ist es, Memes in jeglicher Form zu sammeln und zu präsentieren, wobei eine Definition von Internet-Memes folglich nicht ausbleiben darf, wenn diese Seiten als Plattformen eben dieser dienen. Wissenschaft und damit auch die Forschung ist im "idealisierten Sinne (...) [die] Suche nach Wahrheit"[53]. Die Wissenschaft an sich hat ein bestimmtes Erkenntnisinteresse und erforscht Sachverhalte mit dem Ziel, Wissen zu schaffen und die Wahrheit zu finden. Sie steht dem Internet, den Internet-Memes und den humor hubs als eine neutrale Institution gegenüber, die deren Dynamiken und Funktionsweisen ergründet. Da sie Internet-Memes weder selbst produzieren noch deren Entwicklung beeinflussen, steht die Wissenschaft den Internet-Memes objektiv gegenüber und hat somit keine eigene Mem-Kultur. Daher können Shifmans Definitionen bis zu diesem Zeitpunkt als objektiv und allgemeingültig angesehen werden.
Jedoch darf die Leistung der Internetgemeinschaft nicht als bloße Amateurwissenschaft abgetan werden, die von Laien betrieben wird. Durch die Übertragung des Mem-Konzepts auf das Internet wurde der akademischen Fachwelt quasi eine Analysemethode vorgeschlagen und weiterentwickelt. Limor Shifman und Mike Thelwall beispielsweise verdeutlichen diesen Umstand, in dem sie die Methode der "Web memetics"[54] konstruieren, um "(a) the different versions of a meme, (b) its evolution online, and (c) its Web presence and translation into common Internet languages"[55] zu untersuchen. Betrachtet man die Internetgemeinschaft und die Wissenschaft im Verhältnis zueinander, so kann die Rolle der User durchaus mit dem Begriff "Avantgarde" beschrieben werden. Diese Bezeichnung entspringt der Sprache des Militärs, indem Avantgarde als "Vorhut" bzw. als "militärische Vorsichtsmaßnahme"[56] das eigentliche Heer beschützen sollte und etablierte sich im Laufe der Zeit als Begriff für "Vorkämpfer", "Wegbereiter" oder "Pionier"[57]. Zwar hat die Internetgemeinschaft das Konzept der Memetik nicht erfunden, aber sie entdeckten es als praktische Methode, um die Dynamiken des Internets hinreichend erfassen zu können. Die Wissenschaft führt diese Methode nun fort und entwickelt auf dieser Basis umfassende Konzepte, um das Internet - speziell die Internet-Memes - grundlegend zu erforschen. Daher kann man im akademischen Diskurs nicht grundsätzlich auf die Ausführungen der verschiedenen Mem-Kulturen verzichten, sondern muss sie sogar in größerem Maße berücksichtigen.
Da für die vorliegende Arbeit vor allem die sogenannten "Image Macros" von Bedeutung sind, ist es auch hier wichtig, die Begrifflichkeiten deutlich zu benennen. Allerdings verhält es sich wie bei der Definition von Internet-Memes: es existiert kein einheitlicher Konsens, was darunter zu verstehen ist. Daher werden im Folgenden die Beschreibungen aus der Internetgemeinschaft herangezogen und durch die akademischen Diskussionen ergänzt. Des Weiteren wird erklärt, aus welchem Grund Image Macros als Internet-Memes gelten und welchen Dynamiken sie unterliegen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Musterform eines Image Macros
Der Begriff setzt sich aus dem englischen Wort für Bild, "Image", und einem aus der Informatik stammenden Ausdruck zusammen, "Makro". In der Computersprache bedeutet ein "Makrobefehl" eine zu "einer Einheit zusammengefasste Folge von Befehlen"[58]. Die einzige Website, die die Begriffsherkunft ausführlich erklärt, ist das Imageboard Something Awful, jedoch ist der Zugang zu dieser Plattform im europäischen Raum begrenzt. Auf der englischen Wikipediaseite zu Image Macros wird allerdings darauf verwiesen - in Bezug auf Something Awful -, dass der Begriff darauf zurückzuführen sei, dass Makros "a short bit of text a user could enter that the forum software would automatically parse and expand into the code for a pre-defined image" [59] seien und somit von den Usern einfach zu generieren sind. Funnyjunk stellt auf deren Website die typische Form eines Image Macros dar, wie an Abbildung 1[60] zu erkennen ist. Des Weiteren versteht funnyjunk ein Image Macro als ein "picture with overlaid text, often pointing out characteristics of the depicted character oder ideal displayed in the picture"[61]. Im Internet findet man zahllose Beispiele, die genau diesem Format folgen oder minimal davon abweichen, wie etwa auf Abbildung 2[62].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Beispiel für ein Image Macro
Verschafft man sich einen Überblick über die Masse an Image Macros, die im Internet kursieren, fällt vor allem eines auf: in fast allen Image Macros wird vorrangig die Schriftart "Impact" von Microsoft Windows verwendet. Auch KnowYourMeme weist auf diese Tatsache hin: "Impact is one of the Core fonts for the Web distributed with Microsoft Windows; (...) it is commonly used in image macros"[63]. Image Macros werden von Usern für User geschaffen und die Regeln für die Herstellung untersteht keinen Richtlinien. Daher kann daraus geschlossen werden, dass es ein unausgesprochener Konsens in der Internetgemeinschaft darüber herrscht, welches Format ein Image Macro aufweisen muss, um als solches zu gelten. Generell nähern sich die Definitionen verschiedener Internetseiten an und sind weniger umstritten als deren Oberkategorie der digitalen Memes. KnowYourMeme beschreibt Image Macros folgendermaßen:
"An Image Macro is a broad term used to describe captioned images that typically consist of a picture and a witty message or a catchphrase. On discussion forums and imageboards, image macros can be also used to convey feelings or reactions towards another member of the community, similar to it predecessor emoticons. It is one of the most prevalent forms of internet memes."[64]
Im Gegensatz zu diesen Beschreibungen fallen die der akademischen Literatur knapp aus. Limor Shifman fasst Image Macros kurz als "general form of picture[s] with overlaid text"[65] zusammen und Kate Miltner erwähnt in ihrer Masterarbeit lediglich, dass es sich um "image[s] with text superimposed upon [them]"[66] handelt. Obwohl Image Macros - wie durch KnowYourMeme oben beschrieben - als die vorherrschenden Internet Memes gelten, erscheinen diese Erläuterungen überraschend nachlässig. Allerdings werden sowohl von der Internetgemeinschaft als auch von der Wissenschaft bestimmte Formen bzw. Genres wahrgenommen und ausführlich diskutiert, worauf im Folgenden Bezug genommen wird.
[...]
[1] Dawkins, Richard (2010), S. 56
[2] ebd. S. 58
[3] ebd. S. 59
[4] ebd. S. 318
[5] ebd. S. 319
[6] ebd. S. 321
[7] ebd. S. 320
[8] ebd. S. 321
[9] ebd.
[10] ebd. S. 322
[11] ebd. S. 323
[12] Blackmore, Susan (2010), S. 48
[13] ebd. S. 32
[14] ebd. S. 43
[15] ebd.
[16] ebd.
[17] ebd. S. 44
[18] ebd.
[19] ebd. S.45
[20] Shifman, Limor (2014), S. 18
[21] O'Reilly, Tim (2007): What Is Web 2.0: Design Patterns and Business Models for the Next Generation of Software. In: International Journal of Digital Economics No. 65 (March 2007): S. 18
[22] ebd.
[23] Fisch, Martin; Gscheidle, Christoph (2008): Mitmachnetz Web 2.0. Rege Beteiligung nur in Communitys. In: Media Perspektiven, S. 356
[24] ebd.
[25] O'Reilly, Tim (2007), S. 17
[26] Fisch, Martin; Gscheidle, Christoph (2008), S. 356
[27] ebd.
[28] Internet Users in the World Distribution by World Regions - 2012 Q2 (2012) in: Internet World Stats. Usage and Population.
[29] Goriunova, Olga (2013): Die Kraft der digitalen Ästhetik. Über Meme, Hacking und Individuation. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, 1/2013, S. 71
[30] Duden (2014a) (zuletzt abgerufen am 23.02.2014)
[31] Schwalb, Christian (2012): Memes: Die coolsten Bilder des irren Internet-Phänomens
[32] Memegenerator.net (2014) (zuletzt abgerufen am 23.02.2014)
[33] Memegenerator.de (2014) (zuletzt abgerufen am 23.02.2014)
[34] ebd.
[35] Duden.de (2014b): Meme (zuletzt aufgerufen am 23.02.2014)
[36] Oxforddictionaries.com (2014): Meme (zuletzt aufgerufen am 23.02.2014)
[37] 4chan.org (2014): FAQ (zuletzt aufgerufen am 23.02.2014)
[38] funnyjunk.com (2014a): Image macros vs. memes (zuletzt aufgerufen am 23.02.2014)
[39] vgl. Gil, Paul (o.J.): What Is A 'Meme'? What Are Examples Of Modern Internet Memes?
(zuletzt aufgerufen am 23.02.2014)
[40] vgl. Encyclopedia Dramatica (2014): Meme (zuletzt aufgerufen am 23.02.2014)
[41] vgl. KnowYourMeme.com (2014a): Memes (zuletzt aufgerufen am 23.02.2014)
[42] vgl.KnowYourMeme.com (2014b): Frequently Asked Questions (zuletzt aufgerufen am 23.02.2014)
[43] KnowYourMeme.com (2014c): About (zuletzt aufgerufen am 23.02.2014)
[44] Encyclopedia Dramatica (2014) (zuletzt aufgerufen am 23.02.2014)
[45] siehe Anhang
[46] Gil, Paul (o.J.)
[47] vgl. Jenkins, Henry; Li, Xiaochang; Krauskopf, Ana Domb (2009): If it doesn't spread, it's dead. Creating Value in a Spreadable Marketplace. Convergence Culture Consortium, Comparative Media. Massachusetts Institute of Technology. Cambridge, S. 42
[48] vgl. Shifman, Limor (2011): Welcome to Limor Shifman's Website! (zuletzt abgerufen am 20.04.2014)
[49] vgl. Shifman, Limor (2014)
[50] ebd. S. 7 f.
[51] vgl. ebd. S. 18
[52] Shifman, Limor (2007): Memes in a Digital World. Reconciling with a Conceptual Troublemaker. In: Journal of Computer-Mediated Communication, Bd. 18, S. 187
[53] Forschungsgemeinschaft, Deutsche (2013): Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. Empfehlungen der Kommission. [S.l.]: Wiley-Vch Verlag Gmbh, S. 40
[54] Shifman, Limor; Thelwall, Mike (2009): Assessing Global Diffusion with Web Memetics. The Spread and Evolution of Poplular Joke. In: Journal of The American Society for Information Science and Technology, 60(12), S. 2569
[55] ebd. S. 2567
[56] Böhringer, Hannes (1978): Avantgarde - Geschichten einer Metapher. Bonn: Grundmann, S. 90
[57] Duden.de (2014c): Avantgarde (zuletzt abgerufen am 22.04.2014)
[58] Duden.de (2014d): Makrobefehl (zuletzt abgerufen am 22.04.2014)
[59] Wikipedia.org (2014): Image Macro (zuletzt abgerufen am 22.04.2014)
[60] funnyjunk.com (2014): (zuletzt abgerufen am 22.04.2014)
[61] ebd.
[62] Beispiel Image Macro (2014a) (zuletzt abgerufen am 22.04.2014)
[63] KnowYourMeme.com (2014d): Impact Font (zuletzt abgerufen am 22.04.2014)
[64] KnowYourMeme.com (2014e): Image Macros (zuletzt abgerufen am 22.04.2014)
[65] Shifman, Limor (2014), S. 111
[66] Miltner, Kate (2011): SRSLY PHENOMENAL. An Investigation Into The Appeal Of LolCats. Masterarbeit. London School of Economics and Political Science, London. Media and Communication, S. 6
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