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Mehr InfosExamensarbeit, 2004, 58 Seiten
Examensarbeit
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In der Literatur finden sich weite Fassungen des Begriffes „Experiment“[1], die nach Klauer jede systematische Beobachtung als experimentell kennzeichnen lassen.[2] Auch Bauer stellt fest, dass es wohl kaum zu erwarten sei, dass ein Konsens über das bestehe, was mit „experimentellem Unterricht“ gemeint sei. Auch das „Experimentieren“, so fährt er fort, scheine hinsichtlich seiner Funktion und seiner Bedeutung für die Schule von unterschiedlichem Verständnis zu sein.[3]
Das Wort Experiment (experiri = versuchen, prüfen, erproben) steht für eine in der Neuzeit entwickelte Herangehensweise an wissenschaftliche Fragestellungen.[4] Das Experiment wird als charakteristische Forschungsmethode in den Naturwissenschaften angesehen, die auch in anderen Wissenschaften ihre Anwendung findet. Ein Experiment ist ein reproduzierbarer, planmäßiger, d.h. logisch aufgebauter und aus dem natürlichen Zusammenhang isolierter Vorgang, dessen Parameter kontrolliert und modifiziert werden können. Experimente dienen zur Überprüfung einer Hypothese oder zur Klärung eines unklaren Sachverhalts, d.h. sie sind theoriegeleitet.[5]
Aus dieser Definition lassen sich folgende Eigenschaften des Experiments ableiten:
Ein Experiment…
- wird planmäßig durchgeführt,
- ist künstlich hergestellt,
- ist variierbar,
- kann beliebig oft wiederholt werden,
- ist kontrollierbar.[6]
Grundsätzlich muss man zwischen dem Forschungs- und dem Unterrichtsexperiment unterscheiden. Im Unterricht wie in der wissenschaftlichen Forschung ist das Experiment eine „Frage an die Natur“. Es kann Ausgangspunkt für die Forschung oder auch Bestätigung einer gewonnenen Erkenntnis sein. Der im Unterricht ablaufende Erkenntnisprozess bei der Durchführung eines Experiments unterscheidet sich vom Erkenntnisprozess der Wissenschaft dadurch, dass der Schüler zu bereits bekannten Ergebnissen gelangt. Geht man jedoch davon aus, dass auch der Schüler vom Stadium des Nichtwissens zum Wissen und Erkennen kommt, könnte man grundsätzlich sagen, dass für den Wissenschaftler und den Schüler die Methoden der Erkenntnisgewinnung gleich sind. Trotzdem ist an dieser Stelle eine begriffliche Unterscheidung vom Experiment notwendig, da das Experiment im strengen wissenschaftlichen Sinn im Unterricht immer nur annähernd erreicht werden kann. So muss im schulischen Sprachgebrauch der Begriff „Experiment“ weiter gefasst werden als in der Wissenschaft, da auch Beobachtungsaufgaben und Messungen als Experimente bezeichnet werden.[7]
Wissenschaftlichen Experimenten liegt folgendes Ablaufschema zugrunde:[8]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3
Dieses rationale Ablaufschema, welches die Komplexität eines Forschungsexperiments reduziert auf seine logische Struktur wiedergibt, dient als Leitlinie für die Durchführung und Auswertung von Lehrerexperimenten, obwohl es als idealisierend und in logischer Hinsicht problematisch angesehen wird.[9] Schülerexperimente können je nach Alter und Vorerfahrung (Experimentiererfahrung) der Schüler diese Struktur in reduzierter Form wiedergeben. So sind z.B. Verallgemeinerungen und Deutungen für Grundschulkinder entwicklungsbedingt nur in Ansätzen möglich.[10]
Experimente können nach dem folgenden Schema im Unterricht realisiert werden:[11]
1. Entwicklung einer Fragestellung: Ein Phänomen wird beobachtet, das für den Fragenden (noch) nicht zu erklären ist.
2. Hypothesenbildung: Lehrer und Schüler entwickeln z.B. im Unterrichtsgespräch, durch Lehrervortrag oder Schülerberichte eine klare Fragestellung, Hypothese, Hypothesenbünde und / oder eine Vermutung.
3. Planung des Experiments: Lehrer und / oder Schüler überlegen, wie sie die Fragestellung überprüfen können und denken über den weiteren Versuchsablauf nach.
4. Durchführung des Experiments: Schüler führen das Experiment durch und dokumentieren die Beobachtungen und Versuchsergebnisse.
5. Interpretation der Ergebnisse: Hier findet der Rückbezug auf die eingangs gestellte Frage oder Vermutung statt. Die Ergebnisse werden diskutiert und überprüft. Verallgemeinerungen, Anwendungsmöglichkeiten, Folgen als Konsequenzen aus den Versuchen können, je nach Lerngruppe, erörtert werden. Zu bedenken ist jedoch, dass eine Verabsolutierung von Ergebnissen, welche auf einer Beobachtung von Einzelergebnissen beruht, zu vermeiden ist. Allgemeingültige Gesetze können aus Einzelbeobachtungen nicht herauskristallisiert werden.[12] Auch hier muss kritisches Denken über der Logik des Ablaufschemas (wissenschaftlicher) Experimente stehen.
Experimente können unterschiedliche didaktische Funktionen und Ziele verfolgen. Es lassen sich drei Formen von Experimenten entsprechend dem Einsatz bzw. ihrer Funktion im Unterricht unterscheiden:
1. Das Einführungsexperiment dient der Demonstration eines natur- oder sozialwissenschaftlichen Sachverhalts und hat die Aufgabe, die Neugierde und Fragehaltung der Schüler zu wecken. Das Einführungsexperiment wird oft als Einstieg in einen neuen Sachverhalt gewählt und zumeist vom Lehrer als Lehrer-Demonstrations-Experiment durchgeführt. Dabei bietet es eine Alternative für einen verbalen Impuls.
2. das entdeckende Experiment, durch welches nach einer Problemlösung gesucht wird,
3. das Bestätigungsexperiment findet man in der Literatur auch unter den Begriffen Verifikations-, Kontroll- oder Anwendungsexperiment[13]. Diese Termini sind synonym zu benutzen. Diese Art des Experiments dient dazu, die zuvor erarbeiteten Hypothesen oder Gesetze auf ihre Richtigkeit zu prüfen. In der Erarbeitungsphase einer Unterrichtsstunde können sie zum Erforschen der Objekteigenschaften von Beziehungen und Strukturen dienen. Sie können beweisenden Charakter besitzen oder bei der Überprüfung zuvor aufgestellter Hypothesen hilfreich sein. Bestätigungsexperimente (Kontroll- oder Anwendungsexperimente) am Ende einer Unterrichtsphase unterstreichen bereits bekannte Sachverhalte oder veranschaulichen und vertiefen dieselben.[14]
Weiterhin können Unterrichtsexperimente in Lehrerexperimente bzw. Lehrerdemonstrations- und Schülerexperimente unterteilt werden. In der Praxis sind häufig Mischformen anzutreffen.[15]
Lehrer-Demonstrations-Experimente können den Schülern einen Sachverhalt „veranschaulichen“ und bieten sich für „gefährliche“ Experimente oder für Experimente an, für die nur sehr eingeschränkte Materialien zur Verfügung stehen. Eine Untersuchung von Bäuml-Roßnagl hat ergeben, dass die befragten Lehrkräfte in ihrem Unterricht den Schülerversuchen in Partner- und Gruppenarbeit den Vorrang vor dem Lehrer-Demonstrations-Experiment geben.[16] Im Sinne eines handlungsorientierten Sachunterrichts, der den Schülern Möglichkeiten zur aktiven Selbsterfahrung und Erschließung der Lebenswirklichkeit bieten soll, kann dieser Experimenttyp auch nur eine untergeordnete Rolle spielen, da selbsttätiges Handeln nicht möglich ist.[17]
Im Schülerexperiment werden die Schüler selbst aktiv. Es wird „…eine aktive Beteiligung der Schüler in allen Phasen erwartet“[18]. Ihnen werden, soweit möglich, die Planung, die Durchführung und Auswertung der Experimente überlassen. Sie sollen ihr Wissen durch eigene Aktivität aufbauen, Fakten und Zusammenhänge selbstständig suchen und Lernvoraussetzungen zur Erweiterung ihrer Kenntnisse produktiv einsetzen. Dabei verzichtet der Lehrer auf ausgiebige Lenkungs- und Strukturierungsmaßnahmen.[19]
Beim Schülerexperiment können je nach Zielsetzung verschiedene Sozialformen berücksichtigt werden:
- Das arbeitsgleiche Schülerexperiment eignet sich, um die Schüler mit dem Verfahren des Experimentierens vertraut zu machen und somit allen Schülern eine Basis zu vermitteln. Es kann den Schülern einen (Ordnungs-) Rahmen und somit Sicherheit bieten. Unterschiedlichen Vorerfahrungen der Schüler sollte durch Anbieten von Differenzierungsangeboten begegnet werden.
- Arbeitsteilige Schülerexperimente bieten einzelnen Schülern je nach Sachverhalt, Interessenlage und Vorerfahrungen Raum für Spezialisierungen.
Das Experiment ist eine der wichtigsten Handlungsformen im (handlungsorientierten) Sachunterricht. Es bietet den Schülern einen themenunabhängigen, spielerischen Weg, eine Methode, sich mit ihrer Lebenswelt selbstständig vertraut zu machen, sich mit ihr konkret-real auseinander zu setzen, sie besser zu verstehen und sie zu hinterfragen (z.B. Phänomene). In der Natur und Technik treten Phänomene selten in reiner Form auf, sondern in der Regel überlagern oder stören sich Vorgänge und Erscheinungen, so dass für Schüler oft komplexe Phänomene nicht durchschaubar sind. Im Experiment kann man störende Einflüsse verringern oder sogar beseitigen, indem man Aspekte der Natur isoliert betrachtet. Darin sieht Wilke einen „herausragenden Vorteil“ des Experiments. Das Experiment lässt sowohl die Bedingungen als auch die Vorgänge und Erscheinungen deutlich erkennen, insofern stellt es gleichzeitig eine Veranschaulichung wesentlicher Erkenntnisse dar.[20] Auf diese Weise kann man Gesetzmäßigkeiten finden. Soll z.B. das Phänomen „Luft dehnt sich beim Erwärmen aus“ untersucht werden, greift man zunächst den Sachverhalt „Luft braucht Platz“ auf und zeigt, dass Luft ein Körper ist. Mit Hilfe eines Experiments, z.B. „Der Luftballon in der Flasche“, kann dieser Sachverhalt verdeutlicht werden.
Darauf aufbauend schließt sich der Sachverhalt des Ausdehnens der Luft an.[21] Experimentell kann dies u.a. mit dem Experiment „Die hüpfende Münze“ demonstriert werden. Das Phänomen des Hüpfens der Münze erklärt sich durch das Vorhandensein der Luft und deren Erwärmung, wodurch sich die Luft ausdehnt und die Münze angehoben wird. Führt man das Experiment wiederholt durch, hüpft die Münze vielleicht schneller oder langsamer, aber die Gesetzmäßigkeit „Warme Luft dehnt sich aus“ bleibt bestehen. Naturphänomene sind durch kurze Erscheinungsdauer gekennzeichnet, daher sind Messungen dieser oft schwierig.[22] Die Augenblicklichkeit bei dem genannten Experiment besteht z.B. darin, dass die Temperatur der Hände schwanken kann und sich so das Hüpfen der Münze zeitlich verschieben kann. Auch andere Faktoren, wie z.B. die Raumtemperatur, können die Ergebnisse des Experiments beeinflussen. Phänomene werden durch ihre wesentlichen anschaulichen Eigenschaften in einem Grundmuster wahrgenommen und wiederholen sich unter gleichen bzw. ähnlichen Bedingungen. Die Behandlung von Naturphänomenen im Unterricht sollte dazu dienen, bei den Schülern Staunen, Faszination oder Verwunderung hervorzurufen. „Die Entwicklung unserer Denkwelt hängt gerade auch zum großen Teil von der Beobachtung eben dieser Phänomene ab. Denn wir betrachten diese nicht nur passiv, sondern nehmen sie als Mensch wahr, d.h. als Fragende.“[23] In dem genannten Beispiel besteht die Faszination darin, dass sich die Münze scheinbar von allein in Bewegung setzt. Die unsichtbare Kraft der warmen Luft besitzt für die Schüler etwas Geheimnisvolles. Wagenschein sieht ein Phänomen als ein Ereignis an, dessen Ursache und Zusammenhang den Kindern fragwürdig erscheint und so einer Erklärung bedarf.[24] Dieses Verlangen nach einer Erklärung entfacht bei den Kindern einen Forschungsprozess, der der wissenschaftlichen Vorgehensweise verblüffend ähnlich ist.[25] „Das Unerklärte, Überraschende … eines Phänomens ist es gerade, was zu dem Wunsch nach Klärung und damit zur Frage und zur Untersuchung führt. Der Umgang mit dem Phänomen trägt dazu bei, das Augenmerk auf den Sachverhalt zu richten.“[26]
Dies gewinnt in unserer technisierten Umwelt vor dem Hintergrund der Zunahme der Erfahrungen aus zweiter Hand immer mehr an Bedeutung. Schule kann der „Erlebnisarmut“, die unsere Sinne „verkümmern“ lässt, durch Schaffung von Realbegegnungen u.a. im Experiment entgegenwirken.
Nach Wilke ist das Experiment „in allen Phasen des Unterrichts dazu geeignet, die Aktivität der Schüler zu erhöhen.“[27] Bei Schülerexperimenten sind die Schüler in den Phasen der Planung, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung aktiv. Auch bei Demonstrationsexperimenten, sollen die Schüler bei der Gestaltung des Aufbaus und der Durchführung einbezogen werden, um zu verhindern, dass sie nur rezeptiv am Lernprozess beteiligt sind.[28]
Experimentieren beinhaltet ein ständiges Nacheinander und Miteinander von gedanklicher Auseinandersetzung und handelndem Umgang mit den Versuchsobjekten. Es bewirkt Lernfortschritte in verschiedenen Lernzieldimensionen. Auf kognitiver Ebene fördert es das selbstständige und kreative Denken. Auf affektiv-emotionaler Ebene lernen die Schüler Arbeitshaltungen wie Geduld, sorgfältiges Arbeiten etc. kennen. Auf psychomotorisch-pragmatischer Ebene kann der sachgerechte Umgang mit dem Arbeitsgerät oder dem Material im Vordergrund stehen.[29]
Die selbstständige Organisation von Experimenten trägt dem individuellen Lerntempo der Schüler Rechnung. Meyer sieht das selbstständige oder locker von der Lehrkraft geleitete Vorbereiten, Durchführen und Auswerten eines Experiments als eine der besten Möglichkeiten, die methodische Handlungskompetenz der Schüler, in kognitiver wie auch in sozialer und motorisch-manueller Hinsicht, zu fördern. Bauer gibt zu bedenken, dass das Experimentieren nicht auf das Laborieren verkürzt werden sollte, um die Schüler der wichtigsten Aufgabe, dem konstruktiv-technischen Denken, nicht zu berauben. Er sieht die geistige Leistung beim Experimentieren im Ausdenken einer Anordnung bestimmter, konkreter Umstände. Beim selbstständigen Experimentieren sollten Schüler auch Erfahrungen mit Fehlschlägen machen dürfen, denn gerade diese Fehlschläge bringen nach Bauer einen beachtlichen Zuwachs an konstruktiven Fähigkeiten.[30] Die selbstständige Wahl der Probleme, Fragen und Ziele sowie die Ausbildung von Problemlösungen involvieren die Schüler in das Geschehen. Erkenntnisse, Erfahrungen und Wissen, welche durch eigenes, selbstständiges Handeln erworben werden, gehen schneller in das Langzeitgedächtnis über und können in „echtes Wissen“ überführt werden.[31] Darüber hinaus ermöglichen Experimente Sachverhalte mit allen Sinnen wahrzunehmen. Auch die Konzentration, das Erinnerungsvermögen und die (Fein-) Motorik können sich verbessern.[32]
Der Ausgangspunkt des experimentellen Unterrichts sollte in der unmittelbar erlebten Umwelt der Kinder liegen. Daher sollte vorwiegend mit Alltagsmaterialien gearbeitet werden. Der Unterricht hilft, die Alltagswelt aufzuklären.[33] Das Verwenden unstrukturierter, einfacher und alltäglicher Materialien für Experimente lässt den Schülern viel Freiraum für eigene Kreativität und Fantasie. Darüber hinaus ermöglicht es ihnen, die Experimente zu Hause weiterzuführen und es eröffnet ihnen neue Möglichkeiten für eigene Experimente.[34] Dabei darf nicht vergessen werden, Sicherheitsvorschriften und Verhaltensregeln bei gefährlichen Experimenten zu befolgen.
Der Unterricht soll die Kinder zum Handeln anregen, da das selbsttätige Lernen gefördert werden soll. Das bedeutet, die Schüler sollen nicht nur Demonstrationsversuche erklären, sondern selbst Experimente durchführen – zunächst noch unter Anleitung, später zunehmend in eigener Regie.[35] Spreckelsen empfiehlt Kindern ein Arrangement mehrerer Phänomene anzubieten, die miteinander zu vergleichen sind. Damit werden so genannte genotypische Analogiebildungen[36] angeregt, die den Kindern ermöglichen ein gemeinsames Funktionsprinzip zu erkennen.[37]
Grundschulkinder begegnen naturwissenschaftlichen Phänomenen ganzheitlich, d.h. sie setzen sich mit allen Sinnen mit ihnen auseinander. Demnach darf der Sachunterricht nicht auf wissenschaftliche Inhalte und Methoden verengt werden. Dabei sollte die Behandlung von Naturphänomenen im Sachunterricht keine wissenschaftliche, sondern eine auf Wissenschaften hin orientierte, kindgemäße Methode sein.
Im Sprachgebrauch der Schule ist der Begriff „Experiment“ zumeist etwas weiter gefasst, als dies in der Wissenschaft üblich ist. So gehört zum Experimentieren im Sachunterricht auch das Ausprobieren, Beobachten und Messen, das entdeckende Spielen, das Bauen und Tüfteln. Das Ziel liegt darin, nach in der Sache selbst liegenden Gründen für eine Erscheinung zu suchen.[38] Inwieweit diese Grundsätze für das Experimentieren in der folgenden Einheit beachtet werden, findet sich in den methodischen Vorüberlegungen und in den Reflexionen zu den ausführlich dargestellten Stunden wieder.
Die Aufgaben und Ziele des Sachunterrichts liegen in der Erschließung der Lebenswirklichkeit, der Vermittlung von Grundkenntnissen und Grundfertigkeiten, grundlegender Erfahrungen und Erkenntnisse und der Entwicklung geistiger und praktischer Fähigkeiten, wobei sich der Unterricht an den Schülern und deren Vorerfahrungen und den wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren soll.
Somit ist es Aufgabe des Sachunterrichts, die Schüler auf Phänomene aufmerksam zu machen. Er muss ihnen die Möglichkeit bieten, sich ihrer Vorstellung bewusst zu werden und zur kritischen Reflexion anleiten. Während in den ersten beiden Schuljahren der Schwerpunkt auf der spielerisch-naiven Form der Auseinandersetzung mit Phänomenen liegt, ist er in den letzten zwei Schuljahren der Grundschulzeit auf das bewusste Einüben methodischer Arbeitsweisen zu legen.
Sachunterricht soll Schülerinteresse wecken, erhalten und erweitern sowie die Erlebnisfähigkeit und das Neugierverhalten der Schüler fördern. Darüber hinaus obliegt ihm die Aufgabe die Entwicklung von Problembewusstsein (Fragehaltung) zu forcieren und die Schüler zu Deutungs- und Erklärungsversuchen zu ermutigen. Hierbei soll an ausgesuchten Einzelfällen, z.B. mit Hilfe einfacher Experimente, gezeigt werden, wie anfängliche Hypothesen in überprüfbares Wissen überführt werden kann. Grundlegende und beispielhafte Situationen, Ereignisse, Vorgänge, Gegenstände und Beziehungen sollen durchschaubar gemacht werden.[39] Deutungen und Vermutungen können mit Hilfe von Experimenten überprüft werden. Gerade durch die Erkenntnismethode des Experimentierens können grundlegende Ziele des Sachunterrichts erreicht werden, beispielsweise das Ermöglichen von Primärerfahrungen und die Einübung von fachspezifischen Arbeitsweisen.
Sachunterricht soll das Interesse der Schüler an naturwissenschaftlichen und technischen Sachverhalten wecken und sie dazu befähigen, mit technischen Mitteln sachgerecht und sorgsam umgehen zu können.[40] In den Lernfeldern Mensch und Natur/Mensch und Technik finden darüber hinaus Erkenntnisverfahren besonderes Gewicht:
Die Schüler sollen...
- … Vermutungen formulieren und überprüfen.
- … Lösungsmöglichkeiten eines Problems vermuten.
- … Experimente selbstständig oder angeleitet planen und aufbauen.
- … Experimente sachgemäß durchführen.
- … Beobachtungen und deren Deutungen unterscheiden.
- … Experimentierergebnisse überprüfen, Fehler finden.
- … nicht bestätigte Vermutungen aufgeben.
- … Experimentierergebnisse festhalten und darstellen.
- … mit Hilfe von Experimentierergebnissen schlussfolgern.[41]
Zudem bietet die Erarbeitung eines Strukturschemas, wie sie das Experiment selbst schon vorgibt, den Schülern eine Unterstützung, die sie befähigt, ihr Handeln zu strukturieren und ihre gewonnenen Einsichten zu systematisieren.
Ziel der Unterrichtseinheit ist durch die Vermittlung von Methodenkompetenz, d.h. das Heranführen an und Umsetzen von naturwissenschaftlichen fachspezifischen Arbeitsweisen, im Besonderen der des Experimentierens, das Verstehen von naturwissenschaftlichen Phänomenen zu ermöglichen. Daher sollen sich die Schüler thematisch mit den verschiedenen Eigenschaften (Phänomenen) der Luft auseinandersetzen. Dabei sollen erste Einsichten in Zusammenhänge von Naturereignissen und physikalischen Sachverhalten vermittelt werden. Den Schülern soll ein erstes Erfassen der vielfältigen Verflechtungen und Abhängigkeiten unseres Lebens unter naturwissenschaftlich-technischen und physikalischen Aspekten nahe gebracht werden.[42] Die Methodenkompetenz genießt einen besonderen Stellenwert in dieser Einheit, da der didaktische Schwerpunkt auf dem Experimentieren liegt. Denn es soll überprüft werden, ob die Schüler das Phänomen Luft durch die Erkenntnismethode des Experimentierens begreifen. Deshalb werden sich auch die Lernziele überwiegend mit der Methodenkompetenz befassen.
Inhaltliches Groblernziel der Unterrichtseinheit
Die Schüler sollen durch Experimente die fünf exemplarisch ausgewählten grundlegenden Eigenschaften des Phänomens Luft[43] kennen lernen und verstehen.[44]
Verfahrenstechnisches Groblernziel der Unterrichtseinheit
Die Schüler sollen dazu befähigt werden den charakteristischen Phasenaufbau bei der Durchführung eines Experimentes zunehmend selbstständiger durchzuführen und zu protokollieren. Dazu zählt insbesondere, dass sie lernen, eine Frage zu formulieren, Hypothesen anzustellen, ein Experiment sachgemäß durchzuführen sowie Beobachtungen und deren Deutung zu besprechen und zu überprüfen. Dabei werden die Schüler im Verlauf der Unterrichtseinheit an Fachbegriffe herangeführt, die sie sukzessiv in ihren Ausführungen sachgemäß verwenden sollen.[45]
Grob- und Feinlernziele der einzelnen Unterrichtsstunden
Die Groblernziele der einzelnen Stunden sind in der Tabelle „Übersicht über den Aufbau der Unterrichtseinheit“ in Kapitel 4.2 aufgeführt. Die Feinlernziele werden im Rahmen der ausführlich dargestellten Unterrichtstunden[46] näher erläutert.
Lernziele bezüglich der Vermittlung von Methodenkompetenz (Arbeitsweisen und Lernhaltungen)
Mit Hilfe dieser Unterrichtseinheit sollen bei den Schülern durch die Erkenntnismethode des Experiments und die Darstellungsweisen „Protokollieren“, „Zeichnen“ und „Verwenden von Sprache“:
… Einstellungen, Fertigkeiten und Fähigkeiten kennen gelernt und angebahnt werden, welche bis zum Ende ihrer Grundschulzeit gefestigt werden müssen.[47]
Die Schüler sollen lernen…
… Fragen zu stellen (im Ineinandergreifen von Beobachten und Nachdenken).
… Vermutungen zu Sachverhalten zu formulieren und Einblicke in Überprüfungsmöglichkeiten zu erlangen.
… Lösungsmöglichkeiten eines Problems zu vermuten.
… Experimentieranordnungen nach Anweisung oder selbstständig zu planen und aufzubauen.
… Experimente sachgemäß durchzuführen.
… mit Hilfe von Experimentierergebnissen schlussfolgern zu können.
… nicht bestätigte Vermutungen aufzugeben.
… Experimentierergebnisse zu überprüfen und Fehler zu finden.
… Beobachtungen und Deutungen zu unterscheiden.
… Deutungen zu begründen und zu diskutieren.
… Versuchsergebnisse festzuhalten und darzustellen.
… sorgfältig und präzise zu arbeiten.
… in offeneren Unterrichtsangeboten zunehmend selbstständiger und zielgerichteter zu arbeiten.
… Analogien zu bilden, indem sie bereits gewonnene Erkenntnisse auf andere Phänomene beziehen, die dieselbe Ursache haben[48].
Lernziele bezüglich der Vermittlung von Kenntnissen (Sachkompetenz)
Die Schüler sollen:
… die exemplarisch ausgewählten Eigenschaften von Luft kennen lernen, die sich im Wesentlichen in
dem jeweiligen Merksatz der Unterrichtsstunde[49] widerspiegeln.
Soziale Lernziele:
Die Schüler sollen ihre sozialen Kompetenzen erweitern, indem sie:
… kooperativ in Gruppen zusammenarbeiten, Absprachen treffen, diskutieren und gemeinsam zu
einem Ergebnis gelangen, das sie vor der Lerngruppe präsentieren.
… sich gegenseitig helfen, unterstützen und beraten.
… aufeinander Rücksicht nehmen und Arbeiten gerecht verteilen.
… Ideen und Hilfen anbieten sowie konstruktive Kritik üben und annehmen.
Die Verlaufsplanung der Unterrichtseinheit „Luft hat viele Eigenschaften“ wird nachfolgend als Tabelle präsentiert. Die Themen der jeweiligen Stunde werden dabei mit didaktisch-methodischem Schwerpunkt sowie Groblernzielen aufgeführt. Soweit nicht anders angegeben, beträgt der Stundenumfang jeweils 45 Minuten (= eine Unterrichtsstunde). Stunden, die mit zwei Unterrichtsstunden ausgewiesen sind, finden nicht an einem Tag statt. Die beiden in dieser Arbeit ausführlich dargestellten Stunden sind fett hervorgehoben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
[1] angelehnt an Meyer (1987) und Kaiser (1997) wird in der vorliegenden Arbeit keine Unterscheidung zwischen den Begriffen Versuch und Experiment vorgenommen.
[2] Klauer (1977), S. 165.
[3] vgl. Bauer (1984), S. 165.
[4] vgl. Bäuml (1979), S. 23f.
[5] Meyer (1987), S. 313.
[6] vgl. Bäuml (1979), S. 41.
[7] vgl. Meyer (1987), S. 316.
[8] vgl. Meyer (1987), S. 314 f.
[9] vgl. Meyer (1987), S. 315.
[10] siehe Kapitel 2.2 und 2.3.
[11] vgl. Meyer (1987), S. 314 und Bäuml (1977), S. 56.
[12] vgl. Meyer (1987), S. 316ff.
[13] vgl. Bader (1992), S. 299.
[14] vgl. Meyer (1987), S. 316 f. sowie Eschenhagen (1998), S. 240f.
[15] siehe auch Bäuml (1979), S. 22.
[16] vgl. Bäuml-Roßnagl (1981), S. 157.
[17] vgl. Meyer (1987), S. 317 und Unglaube (1997), S. 231.
[18] vgl. Borsum (1985), S. 88.
[19] vgl. Bäuml-Roßnagl (1979), S. 129.
[20] vgl. Wilke (1993), S. 6.
[21] siehe Kapitel 4.2 Verlaufplanung der Unterrichtseinheit.
[22] vgl. Schweitzer / Minssen (1998), S. 119
[23] Wagenschein (1977), S. 129.
[24] vgl. Wagenschein (1977), S. 137.
[25] vgl. Klusemann (2000), S. 5.
[26] vgl. Bosse (2000), S. 184f.
[27] Wilke (1993), S. 6.
[28] vgl. Bäuml (1979), S. 115.
[29] vgl. Eschenhagen (1998), S. 245.
[30] vgl. Bauer (1984), S. 164ff.
[31] vgl. Meyer (1987), S. 318.
[32] vgl. Kaiser (1997), S. 48.
[33] vgl. Klewitz (1989), S. 5.
[34] vgl. Kaiser (1997), S. 48f.
[35] vgl. Bauer (1984), S. 168.
[36] Erläuterung, siehe Kapitel 2.3.
[37] vgl. Spreckelsen (1991), S. 70f.
[38] vgl. Meyer (1987), S. 316.
[39] vgl. Niedersächsischer Kultusminister (1982), S. 5.
[40] vgl. Niedersächsischer Kultusminister (1982), S. 12.
[41] vgl. Niedersächsischer Kultusminister (1982), S. 13.
[42] Besonderes Interesse gilt hier den Mädchen, die (u.a. sozialisationsbedingt) oft weniger Interesse an diesen Themen zeigen.
[43] siehe Kapitel 4.2.
[44] vgl. Niedersächsischer Kultusminister (1982) S. 5.
[45] vgl. Niedersächsischer Kultusminister (1982): S. 5.
[46] siehe Kapitel 5.2.2 und 5.3.2.
[47] vgl. Niedersächsischer Kultusminister (1982), S. 13.
[48] siehe Kapitel 2.3.
[49] Titel der entsprechenden Stunde, siehe Kapitel 4.2.
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