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Mehr InfosStudienarbeit, 2003, 34 Seiten
Studienarbeit
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Wenn man sich auf die Suche nach einer Definition von Spiel begibt, stellt man schnell fest, dass die Meinungen, was eigentlich Spiel ist, stark auseinander gehen. Für den „einfachen“ Menschen gibt es Nachschlagewerke, wie ein Lexikon, wo man einen Versuch einer Definition finden kann:
„Das Spiel ist eine Tätigkeit von Tier und Mensch, die ohne bewussten Zweck, aus Vergnügen an der Tätigkeit als solcher bzw. an ihrem Gelingen vollzogen wird. Das Spiel des Menschen wird als ein durch unterschiedlichste Faktoren bestimmtes Verhalten verstanden, das im Wechselverhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft eine wesentliche Vermittlerrolle einnimmt und in jeder Lebensperiode unentbehrlich ist.“ (Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 1981).
In einem anderen Lexikon findet man diese Definition:
„Das Spiel ist ein Verhaltensbereich bei Mensch und Tier, in dem die spielerische Aktivität eigenen, von allem anderen Verhalten abgegrenzten Regeln folgt, sich frei von äußerer Zwecksetzung oder Zwang vollzieht und damit für den Menschen einen Bereich der Freiheit und Offenheit individuellen Handelns erschließt. In neueren Forschungen wird das Spiel darüber hinaus als ein schöpferisches Organisationsprinzip der Natur und der gesamten Evolution gesehen. Um die Bedeutung des Spiels für Mensch und Tier zu erfassen, können eine funktionsorientierte sowie eine strukturdynamische Zugangsweise unterschieden werden. Beide sind durch lange Forschungstraditionen abgesichert und ergänzen sich gegenseitig.“ (Brockhaus , 1996).
Anhand dieser beiden doch unterschiedlichen Definitionen kann man erkennen, dass es keine einheitliche Definition von Spiel gibt. Viele Theorien sowohl in der Pädagogik, als auch in der Psychologie befassen sich mit dem Thema Spiel. Ich werde hier nur sehr kurz einige Spieltheorien skizzieren, da es nicht Inhalt meiner Arbeit sein soll.
Die klassischen Theorien vom Spiel verstehen Spiel zum Beispiel als „[…] Entladung überschüssiger Kräfte (H. Spencer), als Rekapitulation der kulturellen Entwicklung des Menschen (St. Hall), als Ein- und Vorübung wichtiger Anlagen und Instinkte (K. Groos), als Erholung und Entlastung (M. Lazarus), als Assimilation von Erfahrungen (J. Piaget) oder als Abfuhr von Affekten und Triebregungen (S. Freud)“ (Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 1981). Schaller ist der Meinung, dass Spiel eine Erholung sei bei partieller Ermüdung und Lorenz meint, das Spiel sich aus der Ritualisierung von Territorialverhalten entwickelt. Es gibt nicht nur positive Wertschätzungen gegenüber dem Spiel, sondern auch negative. J. Locke bezeichnet das Spiel als ein „törichtes Treiben“, hingegen Fröbel das Spiel als „höchste Stufe“ der Kindesentwicklung bewertet. (Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 1981, S 287).
Neuere Spieltheorien versuchen das Spiel wie folgt zu definieren. Die Psychoanalyse meint, dass das Spiel eine Vermittlungsinstanz zwischen Bewusstem und Unbewusstem ist. Sie hilft bei der Verarbeitung von Eindrücken, bei der Befreiung von Ängsten und Konflikten und bei der Stärkung des Ichs. Die Entwicklungspsychologie ist der Meinung, dass das Spiel den individuellen Entwicklungsprozess fördert. In der Motivationspsychologie ist das Spiel Ausdruck des Neugier- und Erkundungsverhaltens. Es schwankt zwischen lustbetonter Spannungssuche und Entspannung. In der Sozialisationstheorie werden im Spiel soziale Rollen geübt und angeeignet. Es trägt zur Förderung der kommunikativen Fähigkeiten (Empathie, Rollendistanz…) bei.
Johan Huizinga hat sich intensiv in „Homo ludens“ mit dem Thema Spiel beschäftigt. Er stellt unter anderem das Spiel als ein Phänomen von Kultur und Kunst dar. Er hat, anhand reichen Materials, spielerisches Handeln als die Grundlage kultureller Tätigkeit herausgestellt. Gerade der Vergleich von Spielelementen in den verschiedensten Lebensbereichen (im Fest, Kultus, Wettkampf, in Recht, Wissenschaft, Kunst und Dichtung) und in verschiedenen historischen Epochen führt ihn dazu, eine verbindende Spielstruktur anzunehmen. Für Huizinga wird Spiel im Wesentlichen durch drei Merkmale charakterisiert:
1.) Alles Spiel ist zunächst ein freies Handeln.
2.) Spiel gehört in dem Bereich des „Als – Ob“.
3.) Spiel bildet einen eigenen zeitlich und räumlich abgrenzbaren Bereich, in dem es seine eigene innere Ordnung entfalten kann. (vgl. Huizinga 1991)
Hans Scheuerl rückt den strukturellen Spielbegriff aus dem Bereich der Kultur wieder näher an die Alltagsphänomene der kindlichen Spiels heran. Nach ihm lassen sich die „Ablaufgestalten“ spielerischen Geschehens durch sechs Merkmale charakterisieren:
1.) Spiel ist frei von Ziel- und Zwecksetzungen, die von außen herangetragen werden können.
2.) Das Spiel hat sein Ziel in sich selbst (innere Unendlichkeit). Deshalb ist es auf ständige Selbstwiederholung angelegt.
3.) Spiel findet in einem Bereich der Fiktion und des „Als – Ob“ statt („Scheinhaftigkeit“).
4.) Spielt hält Ambivalenzen und damit seine innere Spannung selbst aufrecht.
5.) Um seinen Freiraum der inneren Offenheit erhalten zu können, muss Spiel nach außen abgegrenzt sein („Geschlossenheit“).
6.) Spielprozesse sind Prozesse in der Zeit. Sie haben in der Regel keine über die Gegenwart hinausreichende zeitliche Perspektive („Gegenwärtigkeit“).
(vgl. Scheuerl 1994, S.65-102)
Diese sechs Merkmale lassen sich auch als Strukturmerkmale des Spiels verstehen, die einen Spielrahmen bilden, in dem sich die Dynamik des Spielgeschehens ereignen kann.
Weitere Merkmale des Spiels habe ich aus der oben genannten Literatur zusammengefasst:
➔ Ein Spiel besitzt Regeln.
➔ Ein Spiel unterliegt der Zweckfreiheit. (gleichwohl kann man unterrichtliche Zwecke ansteuern, solange für die Spielenden der Spielcharakter ungestört bleibt!)
➔ Spiele simulieren eine „Als-Ob- Situation“, sie schaffen eine „Quasi- Realität“.
➔ Spiele erzeugen eine intrinsische Spannung.
➔ Spiele sind zielgerichtet.
➔ Spiele entwickeln eine eigene Dynamik (je nach Spielform mehr oder weniger), das Spielende ist daher nicht immer voraussagbar.
➔ Spiele setzen Aktivität der Beteiligten voraus (Handlungsorientierung!).
➔ Spiele sind lustbetont (machen Spaß).
➔ Setzt man Spiele in der Schule zum Erreichen von Lernzielen ein, so geht man davon aus, dass die Schüler diese selbständig und aktiv handelnd ansteuern.
➔ Spielen in Gruppen hat Sozialisationscharakter.
➔ Das Spiel ist eine sich selbst motivierende Lerninstanz (Weckt Neugier, Motivation).
Neben den eben genannten Merkmalen des Spiels gibt es unterschiedliche Spielformen, die im Folgenden auszugsweise erwähnt werden sollen.
Bei der Fülle von Reformpädagogischen Konzepten habe ich zwei wichtige Vertreter herausgesucht. Sicherlich gibt es auch noch weitere Vertreter die nicht weniger bedeutend sind, aber im Sinne meiner Hausarbeit hab ich mich auf zwei Vertreter beschränkt, was allerdings keine Wertung gegenüber anderen Reformpädagogischen Konzepten bedeuten soll. Die Konzepte habe ich auf das nötigste „gestutzt“, damit ich von meiner eigentlichen Fragestellung nicht abweiche. Hier sollen nur die wesentlichsten Bestandteile und die wichtigsten Elemente, die für den Vergleich nötig sind, benannt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Freinet kommt zu dem Schluss, „als wahres Erziehungsziel zu fordern, dass das Kind in einem größtmöglichen Maße zur Entfaltung seiner Persönlichkeit im Schoße einer vernünftigen Gemeinschaft gelangen kann, der es dient und die auch ihm dient. Es wird seine ihm bestimmten Aufgaben erfüllen, indem es sich zu einem würdigen kraftvollen Menschen entwickelt, der sich so auf ein fruchtbares Arbeiten vorbereitet, dass er einmal als Erwachsener ohne interessenbestimmte Verlogenheit mit zur Verwirklichung einer harmonischen und ausgeglichenen Gesellschaft beitragen kann.“ (Freinet 1979, S. 14)
In Freinet-Klassen schreiben die Schüler aus eigenem Antrieb Aufsätze und Gedichte, die in Geschichtenbüchern der Klasse gesammelt oder mit der klasseneigenen Druckerei gedruckt werden. Bei der deutschen Pädagogik-Kooperative steht zur Anregung der Schüler eine Blättersammlung mit dem Titel „Schreib los!“ zur Verfügung. Aber im Allgemeinen schreiben die Jungen und Mädchen ganz aus eigenem Antrieb.
Bei den „freien Texten“ zeigen sich „Interessenzentren“, die Decroly als erster beschrieben hat, Schwerpunkte, um die die Gedanken der Schüler kreisen: Dinge des häuslichen Lebens, der Schulgemeinschaft, jahreszeitliche Beobachtungen und Erlebnisse, Wanderungen etc. (vgl. Freinet 1979, S. 184 ff.)
„Die freien Texte entstehen zu jeder Gelegenheit: zu Hause, während des Unterrichts, in freien Minuten, auf Zetteln, einem Stück Butterbrotpapier oder manchmal sogar mit der Schreibmaschine getippt.“ (Laun, S. 121)
Freinet knüpft mit seinem Verfahren der „freien Texte“ an die Erkenntnisse anderer Reformpädagogen an, dass ein Kind von acht, neun Jahren Beobachtetes und Empfundenes gern aufschreibt und in den folgenden Jahren dabei bleibt, wenn das Korsett des Aufsatzunterrichts diesen natürlichen Drang nicht zerstört.
Berthold Otto macht den traditionellen deutschen Aufsatzunterricht geradezu für die „Stilverderbnis“ verantwortlich und verlangt, „dass der Schüler nur über Dinge schriebe, über die er nicht nur etwas zu sagen weiß, sondern über die es ihn geradezu drängt, etwas zu sagen“ (Otto, S. 226), damit ein echter, eigener Stil erworben wird.
Wilhelm Münch (1843 - 1912), der spätere Provinzialschulrat und Honorarprofessor in Berlin, macht bereits 1908 mit seinen Schülern „impressionistische Übungen“, bei denen jeder das eben Beobachtete benennen, in Beziehung setzen und ohne jede Gängelung niederschreiben kann. Der Lehrer kann helfen, „die Sinne der Kinder aufzuschließen, damit sie sich wieder vorwagen und der Seele Bilder bringen.“ (Münch 1909, S. 96)
Auf der „Leipziger pädagogischen Woche“ zeigt sich 1921, dass der „freie Aufsatz“ in der Gaudig-Schule bereits einen festen Platz hat. Dieser „freie Aufsatz findet seine Art aus innerster zwingender Notwendigkeit, nach organischen Gesetzen; denn er wird triebhaft aus der kindlichen Seele geboren.“ (Schmieder in Gaudig, S. 158) Der Lehrer gibt dem Innersten Nahrung, indem er Beobachtungen ermöglicht. Der Lehrer der Gaudig-Schule wendet auch, wie später die Freinet-Pädagogen, die Reizwort-Methode an.
Wenn von Freinets Methode die Rede ist, wird dabei fast immer auch die Freinet-Druckerei genannt, die Freinet 1926 nach zweijährigen Erfahrungen mit verschiedenen anderen Druckpressen entwickelt hat.
Die Druckerei bildet zwar nicht den Kernpunkt der Freinet-Pädagogik, ist aber doch ihr wichtigstes technisches Instrument. Freinets Gedanke, praktische und geistige Arbeit (etwa im Sinne Kerschensteiners) zusammenzuführen, ist beim Druckvorgang mit der Handdruckpresse in idealer Weise verwirklicht. Die Schüler entwerfen in kreativer Arbeit einen Text, den sie setzen, im Probedruck kontrollieren und korrigieren und - im Allgemeinen als Arbeitsgruppe - für alle Schüler der Klasse, die Eltern oder für eine Partnerklasse drucken. Der Gedanke an die Adressaten der Druckerzeugnisse, die nicht nur Texte, sondern ebenso gut Linoldrucke u. dgl. sein können, drängt zu Genauigkeit und Sauberkeit bei der Arbeit. Das gemeinsame Tun einer Schülergruppe beim Druckvorgang verlangt von jedem Einzelnen Verlässlichkeit, Kooperation und Rücksichtnahme.
Von manchen Lehrkräften wird die Schuldruckerei auch beim Erstlesen und Erstschreiben eingesetzt, wo die selbst entwickelten und selbst gedruckten Texte eine gekaufte Fibel ersetzen können.
In Deutschland haben sich Lehrerinnen und Lehrer, die mit ihren Schülern drucken, zum „Arbeitskreis Schuldruckerei“ (AKS) zusammengeschlossen. Eine zweite Gruppe, die mit der ganzen Breite der Freinet-Pädagogik auch deren politischen Akzent betont, ist die „Pädagogik-Kooperative“ mit Hauptsitz in 28209 Bremen. In allen Bundesländern und zahlreichen Nachbarländern bestehen Freinet-Initiativen.
Wirklich zu leben heißt für Freinet, nicht nur von anderen Menschen Erfahrungen mitgeteilt zu bekommen, sondern selbst Erfahrungen machen zu dürfen.
Freinet findet, dass allen menschlichen Handlungen ursprünglich ein versuchsweises Herantasten zugrunde liegt. Das ist prinzipiell bereits beim Kleinkind zu beobachten und grundsätzlich bei wissenschaftlichen Handlungen nicht anders. Es ist ein Gesetz des Lebens, dem sich die Schule nicht entgegenstellen darf.
Zuerst findet sich beim kleinen Kind ein rein mechanisches Tasten, das durch eine angeborene Lebenskraft angetrieben wird und auf die Reize aus der Umgebung des Individuums reagiert. Wenn dieses Tasten erfolgreich ist, fixiert es sich als Reflex und verwandelt sich zunehmend in eine Lebensregel.
Allmählich wird sich das Individuum des Erfahrenen bewusst und muss das tastende Versuchen nun nicht mehr mechanisch ablaufen lassen, sondern kann das tastende Versuchen intelligent steuern. Wir können auch sagen: Das Individuum kann vom unbewussten natürlichen Lernen zu einem reflektierten selbstbestimmten Lernen übergehen. Diesen Prozess kann die Schule mannigfach unterstützen, indem sie den Schülerinnen und Schülern Gelegenheit zum Planen und Durchführen von kleinen Experimenten, zum Mit- und Selbstplanen der gesamten Schularbeit einer Woche (Wochenarbeitsplan) und zur Reflexion des zurückgelegten Arbeitsweges gibt.
Wenn die Schülerinnen und Schüler in der Schule wirklich selbstständig arbeiten sollen, müssen dafür räumliche Möglichkeiten geschaffen und Materialien bereitgestellt werden. Freinet schlägt vor, den traditionellen Klassenraum durch eine Reihe von Ateliers zu ergänzen, die zum größten Teil zum Klassenraum hin offen sind. In diesen Ateliers stehen den Schülern alle Dinge zur Verfügung, die für bestimmte selbstständig auszuführende Tätigkeiten erforderlich sind: für Feldarbeit und Tierpflege, für Schmiede- und Schreinerarbeiten, zum Spinnen, Weben, Schneidern, Kochen, zum Experimentieren, zur Informationsbeschaffung aus der Nachschlagekiste und der Dokumentensammlung, zum Schreiben und Drucken und für künstlerische Arbeiten.
Indem Freinet auf separat gelegene Fachräume verzichtet und die Ateliers zum Klassenraum hin offen hält, erhält seine Unterrichtsführung die Chance zu größter Flexibilität, die die momentanen Interessen einzelner Schüler oder Schülergruppen jederzeit berücksichtigen kann.
Die von Freinet vorgesehene großzügige Raumaufteilung (siehe Abbildung auf der folgenden Seite) ist nie realisiert worden. Allerdings finden sich in der Gegenwart in manchen Schulklassen einzelne Arbeitsecken mit einer Arbeitsbibliothek oder einer kleinen Druckwerkstatt. In anderen Schulen werden Experimentier- oder auch Leseecken vom Klassenraum abgeteilt.
Arbeitsatelier bei Freinet
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Um den Klassenraum (1) gruppieren sich 7 Arbeitsateliers (2-8) von etwa 2 m x 2 m Größe. Nr. 5-8 sind nach der Klasse offen, 2-4 abschließbar.
Nach Freinet 1979, S. 55
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