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Mehr InfosDiplomarbeit, 2012, 61 Seiten
Diplomarbeit
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Eine weitere Möglichkeit, Bestände abzubauen, stellt das Instrument der Gängigkeitsanalyse dar. Mit dieser Analyse werden die Bestände unter Berücksichtigung der Reichweite in sogenannte „ungängige“ und „gängige“ Objekte unterteilt. Ungängige Bestände werden darüber hinaus in „zum Teil ungängig“ oder „völlig ungängig“ eingeteilt. Betrachtet wird dabei die vergangenheitsbezogene Lagerreichweite. Die zum Teil ungängigen Objekte werden im Zusammenhang mit der Gängigkeitsanalyse und der buchhalterischen Betrachtung als „Excess“-Güter definiert, völlig ungängige Objekte als „Obsolete“-Güter.[1] Unter Betrachtung der kaufmännischen Pflichten werden im Rahmen des kaufmännischen Vorsichtsprinzips vom Controlling für die Excess- und Obsolete-Güter buchhalterische Abschreibungen vorgenommen.[2] Die ungängigen Vorräte werden innerhalb eines Geschäftsjahres wertberichtigt. Durch die Abschreibungen werden die wirtschaftlichen Folgen einer Verschrottung ungängigen Bestands abgefedert. Die Einteilung der Gängigkeiten kann wie folgt vorgenommen werden:
- Gängig bei einer Reichweite von 3 oder weniger Monaten
- Zum Teil ungängig bei einer Reichweite von über 3 Monaten bis unter 12 Monaten. Abwertung liegt bei max. 50%
- Völlig ungänig bei einer Reichweite größer oder gleich 12 Monaten. Abwertung liegt bei max. 95%
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Abbildung 3: Schema der Gängigkeitswerte[3]
Die genannten Werte sind geläufige Beispiele aus der Automobilindustrie.[4]
In der Handelsbranche wird mit der Gängigkeitsanalyse bei Excess-Gütern mit einem Zinssatz von beispielsweise 2,5% pro Reichweitenmonat abgeschrieben. Die Reichweitenbetrachtung liegt dabei ebenfalls zwischen 3 und 12 Monaten. Güter, deren Wareneingang länger als 12 Monate zurückliegt, werden mit festen Sätzen abgeschrieben:
letzter WE > 1Jahr: 50%
letzter WE > 1,5 Jahre: 70%
letzter WE > 2 Jahre: 90%
Zur Berechnung der Lagerreichweite haben sich im SCM zwei unterschiedliche Kennzahlen etabliert:[5]
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Dabei setzen sich die zukünftigen Bedarfe aus dem aktuellen Fertigungsprogramm (Primärbedarf), Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen (Sekundärbedarf) und Anlagen, Werkzeugen, Maschinen (Tertiärbedarf) zusammen.
Die Informationen zur Ermittlung der Kennzahlen werden i. d. R. durch die Disposition bereitgestellt. Anschließend werden diese durch ein Monitoring aufbereitet, also die vorliegenden Stamm- und Prozessdaten unternehmensinterner sowie netzwerkgerichteter Bereiche in Form von Schaubildern und Kennzahlen aufbereitet und ausgewertet.
Das Reichweitenmonitoring wird durch das Ampelverfahren visualisiert. Für die Lagerbestände werden maximale und minimale Interventionspunkte festgelegt, innerhalb derer sich der Lagerbestand entweder im unkritischen (grüne Anzeige), kritischen (gelbe Anzeige) oder stark kritischen Bereich (rote Anzeige) befindet. Überbestand gilt es zur Vermeidung unvertretbar hoher Kapitalbindung nach unten, bzw. Unterbestand zur Vermeidung von Out-of-Stock-Situationen nach oben zu korrigieren, indem Ware abverkauft oder retourniert bzw. nachbestellt oder sofort beschafft wird.
„Einflüsse auf die Bestimmung von Lagerreichweiten innerhalb der Supply Chain üben insbesondere die Ein- und Auslaufsteuerung, der Standort des Lieferanten und die Anlieferqualität von Waren aus.“[6] Entsprechend werden beispielsweise bei einer durchgängig schlechten Anlieferqualität des Lieferanten Lagerreichweiten nach oben angepasst, um Engpässe durch beschädigte Ware zu vermeiden.
„Der Begriff Konsignation leitet sich … von dem lateinischen Verb ‚consignare‘ ab und bedeutet ‚mit Zeichen versehen‘.“[7] Das Konsignationslager ist ein vom Lieferanten geführtes Warenlager, welches sich im oder in unmittelbarer Nähe zum Lager des Abnehmers befindet. Entsprechend der Bedeutung „mit Zeichen versehen“ wird Konsignationsware eindeutig gekennzeichnet gelagert. Der in der Praxis verwendete Konsignationsschlüssel ist i. d. R. der Buchstabe „K“. In modernen Lägern wird Konsignationsware systemseitig als solche gekennzeichnet und lagert dort i. d. R. nicht räumlich separiert. Besteht diese Möglichkeit der Kennzeichnung und damit der eindeutigen Trennung zu sonstiger Lagerware nicht, muss ein Konsignationslager räumlich getrennt werden.
Konsignationsware verbleibt solange im Eigentum des Lieferanten (Konsignanten), bis der Kunde (Konsignator[8] ) die Ware aus dem Konsignationslager abruft oder eine festgelegte Frist verstreicht.[9] Der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs muss definiert werden. So kann dieser beispielsweise dann stattfinden, wenn ein geliefertes Produkt durch Weiterverarbeitung einen Produktionsfortschritt erlebt (Payment-on-Production, Anm. d. Verf.) oder Fertigware aus dem Konsignationslager für einen Kundenauftrag abgerufen wird.
Die Abrechnung der verbrauchten Ware findet in vereinbarten fixen Abständen statt. Der Konsignator erstellt dem Konsignanten entweder eine Gutschrift über die in der Abrechnungsperiode verbrauchten Waren oder meldet periodisch die Verbräuche zur Rechnungserstellung beim Konsignanten.[10] Die Abrechnungslast ist somit vertragliche Vereinbarungssache.
Durch den späteren Eigentumsübergang verzögert sich die Zahlung um die Lagerungszeit und die Zeit bis zum vereinbarten Abrechnungszeitpunkt. So kann es in der Praxis vorkommen, dass der Händler einen Artikel erst dann bezahlt, wenn sein Kunde die Ware bereits gebraucht. Der Cash-to-Cash-Cycle, welcher die Zeitspanne von der Rechnungserstellung des Lieferanten bis zum Ausgleich der Kundenrechnung beschreibt, verringert sich entsprechend.[11]
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Abbildung 4: Zahlungs- und Eigentumsspannen bei Konsignationsabwicklung und klassischer Abwicklung
Die Nutzwertanalyse ist eine Analysemethode zur Entscheidungsvorbereitung für zielpluralitive Projekt- oder Konzeptalternativen. Präferenzen des Entscheidungsträgers können in einem mehrdimensionalen Zielsystem nach Nutzwerten geordnet werden.
Für die bestandsverringernden SC-Instrumente gibt die Nutzwertanalyse daher einen ersten Überblick darüber, in welchem Ausmaß ein jeweiliges Instrument die Haupt- und Teilziele erreicht. Die Nutzwertanalyse erfüllt dabei den Anspruch einer Messung mit nicht oder nur zum Teil monetären Auswirkungen.
Die zu bewertenden Kriterien setzen sich aus den gewichteten Teilzielen von bestandsverringernden SC-Instrumenten zusammen, welche sich mit dem jeweiligen Mittelwert zu den Hauptzielen bündeln.
Die Gewichtungsfaktoren ergeben sich aus der Spanne 1 bis 6, wobei 1 für eine sehr geringe und 6 für eine sehr hohe Gewichtung steht.
Abbildung 5: Kriteriengewichtung für die Nutzwertanalyse der bestandsverringernden SC Instrumente
Kundenbedürfnisse wie Lieferbereitschaft und Lieferzuverlässigkeit stehen für alle SC-Instrumente im Fokus. Die Kriterien der Kostenminimierung, der unternehmerischen Ziele und der Erfolgswahrscheinlichkeit nehmen einen in etwa gleichen, hohen Stellenwert in der Gesamtbetrachtung an. Dabei wird großer Wert auf die Senkung der Kapitalbindungskosten, die Verringerung der Fehlmengenkosten, die Arbeitsentlastung und die zukunftsorientierte Ausrichtung der Projekte gelegt. Ebenfalls von Bedeutung, aber etwas geringer gewichtet, sind die Ziele der Prozessoptimierung, der Schaffung von Transparenz der Lagerbestände, der Umsetzbarkeit der Instrumente und der Minimierung von Prozesskosten zu nennen. Die Minimierung der Lagerkennzahlen, zu denen die Durchlaufzeit, die durchschnittliche Lagerdauer und der durchschnittliche Lagerbestand zählen, rückt bei der Gewichtung in den Hintergrund, da die Instrumente vor allem eine bestandsverringernde Wirkung erzielen sollen. Die Optimierung der Lagerkennzahlen kann in weiteren Schritten vorgenommen werden.
In der Alternativenbeurteilung werden die einzelnen Projekte hinsichtlich der o. g. Kriterien bewertet. Die Bewertung erfolgt mittels Punkten zwischen 10 für sehr gut und 1 für sehr schlecht.
Abbildung 6: Alternativenbeurteilung für die Nutzwertanalyse der bestandsverringernden SC Instrumente
In der Alternativenbeurteilung werden die Teilziele einzeln bewertet, bevor für sie in den fünf Hauptzielen ein Mittelwert gebildet wird.
Jedes Teilziel soll hier entsprechend der bezweckten Auswirkung bewertet werden. So wird das Konsignationslager beispielsweise im Teilziel der Verbesserung der Lieferbereitschaft mit der bestmöglichen Bewertung versehen. Im Gegensatz dazu wird der Gängigkeitsanalyse im Teilziel der Minimierung der Fehlmengenkosten lediglich eine sehr geringe Wertung zuteil.
Sind alle Ziele der Projekte bewertet, werden die Ergebnisse der Kriteriengewichtung und der Alternativenbeurteilung in der Nutzwertanalyse zusammengeführt.
Abbildung 7: Nutzwertanalyse der bestandsverringernden SC Instrumente
Die Nutzwerte ergeben sich aus den Summen aller Teilwerte eines Projekts. Die Teilwerte stellen die Produkte aus den zuvor in der Kriteriengewichtung und der Alternativenbeurteilung gewonnen Resultaten dar.
Demnach nimmt das Instrument der Konsignationsanalyse den ersten Platz ein. Mit wenigen Punkten Abstand folgt die ABC-/XYZ-Analyse auf Platz zwei. Das Projekt des Reichweitenmonitoring reiht sich mit knappem Abstand auf Rang drei und die Gängigkeitsanalyse mit großem Abstand auf Platz vier ein.
Als Zwischenfazit sollte für die bestandsreduzierenden SC-Instrumente der Fokus auf die Konsignationsanalyse gelegt werden. Hier werden die Bereiche der Kostenminimierung und der unternehmerischen Ziele konsequent angesprochen. Mit der Einführung eines Konsignationslagers in ein bestehendes Lagersystem können somit drastische Einsparungen bei den Kapitalbindungskosten erzielt und durch die Bewirtschaftung durch den Lieferanten eine enorme Arbeitsersparnis erreicht werden.
Als Hauptziel sollte jedoch die Kundenfokussierung genannt werden. Durch ein Konsignationslager wird sich im Optimalfall eine signifikante Verbesserung der Lieferbereitschaft und -zuverlässigkeit einstellen. Ein weiterer Vorteil sind die vielfältigen Versorgungsstrategien, mit denen ein Konsignationslager betrieben werden kann. Durch die daraus resultierenden Prozessverbesserungen entlang der SC entstehen dem Kunden weitere Vorteile.[12]
Die restlichen hier beschriebenen SC-Instrumente sind durch diese Empfehlung ausdrücklich nicht zu vernachlässigen. Eine ABC-/XYZ-Analyse zur Auswahl des optimalen Produktportfolios soll bei Einführung eines Konsignationslagers z. B. nicht fehlen.[13] Ebenfalls sind die Instrumente der Reichweitenanalyse und der Gängigkeitsanalyse wichtige Werkzeuge innerhalb einer SC und sollten, je nach den Gegebenheiten eines Unternehmens, angepasst umgesetzt werden.
„Unter Konsignation oder Konsignationsgeschäft versteht man im Inlandsgeschäft in der Regel die gewöhnliche Verkaufskommission.“[14]
Sofern der Absatz der Ware durch den Kommissionär selbst erfolgt, liegt dabei also eine gewöhnliche Verkaufskommission nach § 383 Abs. 1 HGB vor: „Kommissionär ist, wer es gewerbsmäßig übernimmt, Waren … für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) in eigenem Namen zu kaufen oder verkaufen.“[15]
Die Eigentumsverhältnisse der Konsignationsüberlassung werden in § 406 Abs. 9 HGB definiert: „Wenn von einem ‚Konsignationslager‘ oder von ‚konsignierter Ware‘ die Rede ist, wird deshalb zum Ausdruck gebracht, dass Ware in Kommission gegeben wurde und noch dem Kommittenten gehört.“[16]
Der Konsignationslagervertrag entspricht einem Vertrag sui generis (eigener Gattung) und enthält als Hauptbestandteile die Elemente einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung nach § 675 BGB[17] und einer Verwahrung nach §§ 688 ff. BGB[18]. Primär sind der Vertragshändlervertrag und der Konsignationslagervertrag anzuwenden, jedoch können die Bestimmungen der §§ 675, 688 ff. BGB ergänzend herangezogen werden.
Ein Konsignationslagervertrag ist ein Individualvertrag zwischen den beteiligten Partnern und hat nicht den Charakter einer Bestellung. Der Vertrag beinhaltet die folgenden individuell zu vereinbarenden Kriterien:[19]
- Die kostenlose Bereitstellung von Räumlichkeiten durch den Abnehmer
- Die physische Trennung der Konsignationswaren von den sonstigen Waren
- Die Verpflichtung zur sorgfältigen Aufbewahrung und ordentlichen Behandlung in Bezug auf Schäden und Verlust, die ggf. durch eine Versicherung abzudecken ist
- Die Verpflichtung, Ware auf Vollständigkeit und Mangelfreiheit zu überprüfen und Mängel unverzüglich anzuzeigen
- Die Vereinbarung über den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs der Ware, sowie den damit verbundenen Konditionen
- Die Verpflichtung des Lieferanten, die Vereinbarungen hinsichtlich der Versorgungssicherheit des Abnehmers einzuhalten
- Die Vereinbarung einer späteren Auflösung oder Verwendung des Konsignationslagers
- Die Berechtigung des Lieferanten, jederzeit selbst oder durch Dritte die Konsignationsware zu besichtigen
Diese Hauptbestandteile eines Konsignationslagervertrags stellen die übliche Ausgestaltung dar und können beliebig durch weitere Vereinbarungen wie etwa Rücksendebedingungen und Regelungen zu Eigenbedarfsentnahmen durch den Lieferanten ergänzt werden.[20]
Der Hauptnutzen für den Händler liegt in dem zeitlich verschobenen Eigentumsübergang.[21] Da der Lieferant der wirtschaftliche Eigentümer der Konsignationslagerware ist, schlägt sich der Konsignationslagerbestand für den Lagerungszeitraum nicht bilanziell beim Händler nieder. Somit verändert sich der Return on Investment sowie der Kapitalumschlag steigend. Durch die Bestandsreduzierung werden zusätzlich Opportunitätskosten verringert.[22] Nun kann ungebundenes Kapital für sonstige gewinnbringende Investitionen verwendet werden.
Aufgrund der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen hinsichtlich der Versorgungssicherheit erhöht sich die Lieferbereitschaft und somit der Lieferservicegrad des Händlers. Durch die Bewirtschaftung des Konsignationslagers durch den Lieferanten disponiert dieser das Lager i. d. R. selber[23], wodurch der Händler das Dispositions- und Bestandsrisiko abgibt, jedoch auch die Verantwortung für die Bestände überträgt. Logistische Abläufe wie die Warenannahme sowie Wareneinlagerung, Behandlung von Lieferdifferenzen und beschädigter Ware bleiben für den Händler prinzipiell gleich. Die Zahlungsabwicklung vereinfacht sich, da der Händler dem Lieferanten lediglich eine Gutschrift über entnommene Ware ausstellt oder diesem eine Übersicht der verbrauchten Waren übermittelt.
Bei einer physischen Kennzeichnung der Ware gestaltet sich die Bestandsverwaltung schwierig, da der Händler unter Umständen zu einem Artikel theoretisch einen Lagerort mit Konsignationsbestand und einen Lagerort mit eigenem Bestand führen müsste. Der Handlings- und Verwaltungsaufwand stiege daher im Falle der physischen Kennzeichnung an.
Der Lieferant muss zunächst den verlängerten Eigentumsübergang in Kauf nehmen. Durch die Zahlung nach Entnahme aus dem Konsignationslager erhält er Zahlungen zum Teil wesentlich später als bei einer klassischen Lagerhaltung des Händlers. Diese Veränderung muss vom Lieferanten getragen werden können. Die Tätigkeiten der Lagerbewirtschaftung, insbesondere der Bestandsüberwachung und teilweise auch der Disposition, verschieben sich zum Lieferanten, was einen Verwaltungsmehraufwand bedeutet.
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Nicht nur wegen der Marktmacht von Großhandelspartnern, sondern auch um konkurrenzfähig zu bleiben, sehen sich viele Hersteller gezwungen, Maßnahmen wie das Konsignationslager umzusetzen.[24] Betrachtet man die erzielbaren Vorteile für den Hersteller, kann sich Konsignation auch für ihn auszahlen. Die Veränderung von Produktionslosgrößen, z. B. durch das Auflegen größerer Produktionslose, optimiert die Planungs- und Fertigungsprozesse. Gerade für Produzenten mit hohen Rüstzeiten und -kosten birgt dieser Punkt hohe Potenziale. Transporte können durch eigene Planung der Liefermengen und Lieferzeiten besser ausgelastet werden. So kann der Lieferant auf einen Großteil seines Fertigteilelagers verzichten, wickelt den überwiegenden Teil seines Absatzes über Konsignation ab. Produzierte Teile durchlaufen dann nur noch ein Pufferlager, bevor sie in den Transport zum Konsignationslager kommen. Preisveränderungen können durch die Eigentumsverhältnisse direkt umgesetzt werden.
Abbildung 8: Vor- und Nachteile der Konsignationsabwicklung
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Um ein Konsignationslager erfolgreich zu etablieren, sollte eine Reihe von Arbeitsschritten eingehalten werden. Diese können je nach Branche und Ausprägung der Umsetzung in Umfang und Abfolge variieren, sind aber eine Grundvoraussetzung für die Implementierung:[25]
- Definition der relevanten Artikel: Bestimmung der Artikel und zugehörigen Sachnummern, die über das Konsignationslager abgewickelt werden sollen.
- Überprüfung der Rahmenbedingungen: Der Händler wird sich, bevor er sich für die Konsignationsabwicklung entscheidet, einen Eindruck von den räumlichen, organisatorischen und systemtechnischen Voraussetzungen für Bestandsführung, Lagerverwaltung und Handling machen. Für die räumlichen Ansprüche soll eine sachgerechte Lagerung der ausgewählten Waren gewährleistet sein. Der organisatorische Aspekt beinhaltet die fachliche Schulung des Disponenten. Moderne IT und die Möglichkeit anpassungsfähiger Schnittstellen gewährleisten die korrekte Bestandsübertragung.
- Gespräche mit Lieferanten führen: Der Händler informiert den Lieferanten über die Tatsache, dass er eine Konsignationsabwicklung anstrebt. Nach dieser Information sind Abstimmungsgespräche anzustreben, in denen nach und nach die Gesamte Abwicklung und offene Fragen geklärt werden.
- Reichweiten auf Artikelebene festlegen: Die Vorstellungen der einzulagernden Artikelreichweiten sind zu definieren. Dabei werden eine minimale und eine maximale Reichweite festgesetzt. Kommt es zu einer Unter- bzw. Überschreitung der Reichweiten, sind Versorgungsengpässe durch Unterbestand bzw. zu hohe Lagerkosten durch Überbestand die Folge. Die definierten Reichweiten sind auf ausreichende Lagerkapazitäten hin zu prüfen.
- Anlieferrhythmus definieren: Feste Transportfrequenzen vereinfachen logistische Prozesse. So können feste Zeitfenster für Anlieferungen vereinbart werden. Informationen über die eingesetzten Transportmittel hinsichtlich Art und Ausprägung und eine anschließende Kompatibilitätsprüfung des Lagers vermeiden Probleme bei Anlieferungen.
- Ladungsträger festlegen: Je nach Art und Güte der Waren muss festgelegt werden, wie diese hinsichtlich der Kriterien Warenschutz, Handling oder Stapelfaktor am besten transportiert und gelagert werden. Es besteht dabei die Auswahl zwischen Einweg- und Mehrwegverpackungen. Die Mehrwegverpackungen können wiederum in Außen- und Innenverpackungen unterschieden werden. Es wird geprüft, ob Investitionen für die Anschaffung von Verpackungsmaterialien anfallen. Für Mehrwegverpackungen wird in diesem Schritt der geplante Umlauf festgelegt.
- Kosten-Nutzen-Analyse erstellen: Die Kosten-Nutzen-Analyse eröffnet der Logistikleitung die Möglichkeit, mit Hilfe des Controllings die Auswirkungen der Konsignationsabwicklung einschätzen zu können. Positive, sich auf die Bilanz auswirkende Effekte wie z.B. die verminderte Kapitalbindung werden mit negativen Effekten wie etwa erhöhten Lagerkosten verrechnet. Infolgedessen sollten in der Summe die positiven Auswirkungen überwiegen, um eine vertretbare Wirtschaftlichkeit der Umsetzung zu erzielen.
- Rahmenvertrag verhandeln und unterzeichnen: Nach den Erstgesprächen, welche zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Implementierungsprozess geführt werden, folgen nach einiger Zeit die Gespräche über den abschließenden Rahmenvertrag. Nachdem alle Inhalte und Kriterien verhandelt wurden, folgt die Unterzeichnung des Konsignationsvertrags als Ergänzung zum weiterhin bestehenden Rahmenvertrag.
- Konsignationskennzeichen setzen: Die Konsignationsartikel werden sichtbar gekennzeichnet, um Verwechslungen zu vermeiden und eine Warenverfolgung anhand von Chargen vornehmen zu können.[26]
- Wareneingangsprüfung und Abrechnung durchführen: Die Ware wird, wie auch bei der klassischen Lagerhaltung, direkt nach der Annahme auf Fehlmengen, Beschädigungen und die Richtigkeit der Ware überprüft. Bei Mängeln muss dem Hersteller umgehend Meldung gemacht werden. Die Bezahlung erfolgt in einem vereinbarten Zeitraum nach Eigentumsübergang.
Das Grundprinzip der traditionellen Beschaffung ordnet dem Beschaffungsmanagement eine klare Zulieferer-Abnehmer-Beziehung zu. Diese Beziehung wird durch den Abnehmer dominiert, der in Bedarfsfällen eine Bestellung ggü. dem Zulieferer auslöst. In diesem klassischen Ablauf verbergen sich jedoch für beide Partner Probleme. Der Abnehmer sieht sich i. d. R. einer großen Artikelvielfalt und -menge ausgesetzt, die es optimal zu disponieren gilt. Dabei hat er nicht nur den optimalen Bestellzeitpunkt und Mindestabnahmemengen, sondern auch Frachtfreigrenzen zu beachten, um wirtschaftlich vorteilhaft agieren zu können. Die Folge sind unregelmäßige Bestellungen, die die Menge der eigentlich für den Planungszeitraum benötigten Waren weit übersteigen, was wiederum zu überhöhten Lagerbeständen führt. Diese unregelmäßigen und umfangreichen Bestellungen zwingen den Zulieferer zeitgleich zu einer hohen Bevorratungsstrategie, um den Ansprüchen auf kurze Lieferzeiten und hohe Lieferflexibilität der Abnehmer stets gerecht zu werden.
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Abbildung 9: Traditioneller Bestell- und Lieferprozess[27]
Diese beiderseitigen Schwächen im klassischen Bestandsmanagement deuten auf hohe Verbesserungspotenziale in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Zulieferer und Abnehmer hin. Ein Denkansatz ist dabei „… die Bildung von strategischen Allianzen oder Partnerschaften, die den organisatorischen Rahmen für gemeinsame Anstrengungen zur Verbesserung der Beziehung von Zulieferer und Abnehmer bilden“[28]. In der Textilindustrie wurde bereits 1985/1986 mit dem Quick Response (QR) ein erstes Konzept dazu entwickelt. Der Zulieferer bekommt hierbei die Point-of-Sale-Daten vom Abnehmer übermittelt, um Bedarfe besser planen zu können und Produktionsabläufe besser zu koordinieren.
Eine Weiterentwicklung stellte 1992 die Adaption des QR von der Textilindustrie auf die Konsumgüterindustrie dar. Das als Efficient Consumer Response (ECR) betitelte Konzept beschreibt die effiziente Reaktion auf Kundenwünsche. Es verfolgt mittels enger Zusammenarbeit zwischen Zulieferer und Abnehmer das Ziel, die gesamte SC an den Wünschen der Kunden auszurichten.[29] Das ECR betrachtet nicht nur die Warenversorgungsprozesse, sondern „… berücksichtigt zusätzlich auf der Nachfrageseite Strategien zur Generierung von originärem Absatzwachstum“[30]. Bei der Umsetzung der ECR-Strategie bestehen jedoch regionale Unterschiede. Während sich die amerikanische ECR-Initiative auf die angebotsseitigen Strategien fokussiert, fördert das europäische Modell ein ganzheitliches ECR-Verständnis, welches in der Global ECR Scorecard abgebildet ist[31] und in vier Bereiche eingeteilt wird: Nachfrageseite, Angebotsseite sowie Befähiger und Integratoren.[32] Die wichtigsten Grundprozesse, die das ECR dabei unterstützen, sind Efficient Assortment, Efficient Promotion, Efficient Product Introduction auf der Demand Side und das Efficient Replenishment (ER) auf der Supply Side.[33] /[34] Diese Komponenten wurden im Laufe der Zeit um die drei Logistikbestandteile Cross Docking, Synchronized Production und Supplier Integration ergänzt.[35]
QR, ECR und dessen Instrumente verfolgen einheitlich das Ziel, den Güter- und Informationsfluss reibungslos abzuwickeln, um effiziente Prozesse entlang der gesamten SC zu gewährleisten und nachteilige Effekte wie z. B. den Bullwhip-Effekt[36] zu minimieren.[37]
Efficient Replenishment[38] beschreibt eine weitere Entwicklung aus dem QR-Konzept und verfolgt die Absicht einer effizienten Nachschubversorgung. Ziel ist die optimale Synchronisation der Produktion mit allen in der SC beteiligten Abnehmern, ausgehend vom ersten Prozess in der Wertschöpfungskette bis zum Endverbraucher, durch die Kommunikation über ein integriertes System, das alle Prozessstufen umfasst. Dies bedeutet die gemeinsam von Hersteller und Händler durchgeführte Harmonisierung der gesamten Logistikkette und ihrer administrativen Abwicklung sowie die Reduzierung von Schnittstellenproblemen. Das Modell kann als „Just-in-time-artiges Pull-System, das durch die tatsächlichen Abverkäufe am Point of Sale (POS) gesteuert wird“[39] verstanden werden. Durch einen optimalen Informationsaustausch werden die Reaktion auf Kundenwünsche beschleunigt und der Servicegrad bei gleichzeitiger Reduktion der Bestände erhöht.[40]
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Abbildung 10: Bestell- und Lieferprozess auf der Basis von Abverkaufszahlen[41]
In der Praxis wird die Information eines Verkaufs am Point of Sale über eine direkte Datenleitung an die Informationsplattform des Händlers weitergegeben. Der Hersteller bekommt diese Informationen über Bestände sowie Zu- und Abgänge entweder in regelmäßigen Abständen übermittelt oder greift nach Bedarf auf die Daten zu und löst bei Erreichen eines festgelegten Mindestbestandes direkt nach dem Verkaufszeitpunkt einen Bestellprozess aus. Dieser kontinuierliche Warennachschub bewirkt diese Verbesserungen:[42]
- Kostensenkung für Transport und Lager
- Kürzere Durchlaufzeiten und entsprechend kürzere Kapitalbindung
- Qualitätsverbesserungen durch Erhöhung von Service- und Dienstleistungsgrad
- Ausnutzung der Flexibilität des Lieferanten
Ein Element des ER ist das Continuous Replenishment Program (CRP).[43] Ziel ist dabei ein partnerschaftlicher Bestellprozess zwischen Hersteller und Händler. Auf Basis von Bestands-/Bewegungs- und Abverkaufsdaten disponiert der Hersteller je nach gewähltem Verfahren gänzlich für den Händler oder unterstützt ihn beim Bestellvorgang.[44]
Als weitere Elemente sind dem ER das Logistik-Pooling und das Roll Cage Sequencing zuzuordnen.[45]
[...]
[1] Vgl. Werner, H., a.a.O., S.211f.
[2] Vgl. Fleischer, H., Handelsgesetzbuch 2011, S.55
[3] Vgl. Werner, H., Konsignation 2010, S.212
[4] Vgl. Werner, H., a.a.O., S.211
[5] Vgl. Ebenda, S.216
[6] Werner, H., a.a.O., S.218
[7] Werner, H., Lieferantenlagerkonzepte 2006, S.29
[8] In der Literatur synonym auch als „Konsignatar“ beschrieben.
[9] Vgl. Werner, H., 2000, a.a.O., S.74
[10] Vgl. Arnolds, H., Heege, F., Röh, C., Tussing, W., (Materialwirtschaft 2010), S.192
[11] Vgl. Large, R., Beschaffungsmanagement 2006, S.49
[12] Vgl. Kapitel 3
[13] Vgl. Kapitel 4
[14] Häuser, F., Kommissionsgeschäft 2007, S.338
[15] Ebenda, S.90
[16] Ebenda, S.338
[17] Vgl. Sprau, H., Gesetzbuch 2012, S.1083 ff.
[18] Ebenda, S.1147 ff.
[19] Hirschsteiner, G., Einkaufsmanagement 2006, S.284f.
[20] Vgl. Muster eines Konsignationslagervertrags in Anlage 1
[21] Vgl. Abb. 4, S.9
[22] Vgl. Werner, a.a.O., S. 221
[23] Auf die Beschaffungsmanagementmodelle in Verbindung mit dem Konsignationslager wird in Kapitel 3.4 näher eingegangen.
[24] Vgl. Werner, a.a.O., S.221
[25] Vgl. Werner, a.a.O., S.222ff.
[26] Vgl. Kapitel 2.2.4
[27] Swoboda, B., Janz, M., Einordnung 2002, S.206
[28] Simchi-Levi, D., Kaminsky, P., Simchi-Levi, E., Designing 2008, S. 254f.
[29] Vgl. Ehrmann, H., Logistik 2005, S. 33
[30] Buscher, U., Zulieferer 2009, S.53
[31] Vgl. http://www.globalscorecard.net, gefunden am 18.02.2012
[32] Vgl. Corsten, D., Hofstetter, J.S., Efficient 2003, S.283
[33] Vgl. Corsten, D., Gabriel, C., Supply 2004, S. 177
[34] Aufgrund des gewählten Schwerpunkts werden neben dem Efficient Replenishment die Instrumente des Efficient Consumer Response nur begrifflich erwähnt, aber nicht erläutert.
[35] Vgl. Werner, 2000, a.a.O., S.54
[36] Der Bullwhip-Effekt, auch als Peitschenschlag-Effekt bekannt, beschreibt den Bestandsaufbau auf Grund von Informationsdefiziten bei der Bedarfsplanung.
[37] Vgl. Waage, M., Koordination 2012, S.36ff.
[38] Synonym auch als Continuous Replenishment bezeichnet.
[39] Liebmann, H.-P.; Zentes, J., Handelsmanagement 2001, S.599
[40] Vgl. Fürst, K., Schmidt, T., Markets 2001, S.528f.
[41] Swoboda, B., Janz, M., a.a.O., S.207
[42] Vgl. Lang, M., eDistribution 2004, S.214
[43] Vgl. Wannenwetsch,H., Materialwirtschaft 2007, S.312f.
[44] Vgl. Gabler, Logistik 2008, S.110
[45] Seifert, D., Efficient 2006, S.184
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