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Mehr InfosBachelorarbeit, 2013, 64 Seiten
Bachelorarbeit
1,3
Demographie ist „die Wissenschaft von der Bevölkerungsentwicklung“ (Venema in Althaus/ Schmitz/ Venema, 2008, S. 13). Der Begriff Demographie setzt sich aus den altgriechischen Worten demos (Volk) und graphein (schreiben) zusammen. Es wird in diesem Zusammenhang auch von einer Volksbeschreibung bzw. Bevölkerungslehre gesprochen (Hauser, 1982, S. 18). Die Demographie beschäftigt sich im Speziellen mit Bevölkerungsstrukturen und insbesondere mit der Alters- und Geschlechtsstruktur einer Bevölkerung, Bevölkerungsbewegungen sowie mit Bevölkerungsentwicklungen (Rosenstiehl von/ Nerdinger/ Oppitz/ Spiess/ Stengel, 1986, S. 20f.)
Das statistische Bundesamt hat in Deutschland die Aufgabe „laufend Daten über Massenerscheinungen zu erheben, zu sammeln, aufzubereiten, darzustellen und zu analysieren“ (§1 Bundesstatistikgesetz). In regelmäßigen Abständen werden diese Informationen unter anderem der Politik, der Verwaltung und der Wirtschaft zur Verfügung gestellt. (Auszug Aufgaben des Statistischen Bundesamt – Homepage; Sedlatschek/Thiehoff, 2005, S. 13).
Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland hat sich von 1871 von rund 41 Millionen Menschen auf über 82 Millionen Menschen im Jahr 2008 verdoppelt. (Statistisches Jahrbuch 2007, S. 34/ Bevölkerung Deutschland 2060, 2009, S. 12). Die Gründe für diese Entwicklung liegen in der kontinuierlich sinkenden Sterblichkeit und im Anstieg der Lebenswartung (Bevölkerung Deutschland 2060, 2009, S. 29). Zu Beginn der Erfassung der Bevölkerungsstruktur übertrafen die Geburtenzahlen stets die Zahl der Todesfälle. Zu dieser Zeit konnte auch die graphische Struktur der Altersverteilung in Form einer Pyramide vorgenommen werden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der sogenannten Alterspyramide, welche in Abbildung 1 dargestellt ist (Sedlatschek/Thiehoff, 2005, S. 13). Der Altersaufbau am 21. Dezember 1910 zeigt eine Pyramidenform mit einer breiten Basis für Säuglinge und Kinder und einer gleichmäßig schmaler werdender Spitze. Die Altersstruktur bei Männern und Frauen ist identisch.
Abbildung1: Altersaufbau in Deutschland am 31.12.1910
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Demografiebericht, 2011, S. 11
Die klassische Form der Alterspyramide hat sich erst Mitte des 20. Jahrhunderts verändert. Besonders erkennbar ist die Veränderung des Fundaments der Pyramide in Abbildung 2. Sie zeigt das Ungleichgewicht der Altersstruktur (Sedlatschek/Thiehoff, 2005, S. 13). Die Abbildung 2 zeigt eine schmalere Basis als zum Vergleichsjahr 1910. Weiterhin ist eine unregelmäßige Entwicklung bis zum Alter von 30 Jahren erkennbar und eine Verengung zwischen 30 und 35 Jahren. Ab diesem Alter bildet sich eine neue Pyramide , in einer Spitze zwischen 85 und 90 Jahren ausläuft. Der Frauenanteil überwiegt in dieser Darstellung ab dem Alter von 30 Jahren (Demografiebericht, 2011, S. 11f.).
Abbildung2: Altersaufbau in Deutschland am 31.12.1950 Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Demografiebericht, 2011, S. 11
Abbildung 3: Altersaufbau in Deutschland am 31.12.2010
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Demografiebericht, 2011, S. 11
In Abbildung 3 wird der Altersaufbau in Deutschland im Jahr 2010 dargestellt. Die Veränderung zeigt eine schmalere Basis im Vergleich zu 1950. Ab dem Alter von 35 Jahren nimmt die Bevölkerungszahl gleichmäßig zu – eine Verschmälerung tritt langsam ein. Es ist außerdem erkennbar, dass sich die Frauen deutlich in der Überzahl befinden. Die Spitze bei den Männern läuft im Alter von 90 Jahren aus – bei den Frauen im Alter von knapp unter 100 Jahren. Die Gründe für diese demographischen Entwicklungen werden im nachfolgenden Kapitel betrachtet (Demografiebericht, 2011, S. 11f).
Die Veränderung der Alterszusammensetzung innerhalb einer Gesellschaft fasst man unter dem Begriff demographischer Wandel zusammen. Diese Strukturveränderung ist in ihrer eigentlichen Erscheinung weder positiv noch negativ zu werten, denn eine demographische Entwicklung kann zu einem Bevölkerungswachstum bzw. -abnahme führen (Pack/ Buck/ Kistler/ Mendius/ Morschhäuser/ Wolff, 2000, S. 8). Dabei haben folgende demographische Komponenten Einfluss auf die Struktur und den Umfang der Bevölkerung (Schimany, 2007, S. 16):
- Fertilität (Geburtenrate)
- Mortalität (Sterbensrate)
- und Migration (Wanderung)
Das bedeutet, dass die strukturellen Bevölkerungsveränderungen von dem Verhältnis der Geburtenrate zu der Sterberate und dem Verhältnis zwischen der Zu- und Abwanderung abhängt. Auf diese Komponenten soll im Folgenden näher eingegangen werden.
Wie in Kapitel 2.1 dargestellt, ist die Bevölkerungsstruktur in Deutschland durch eine sinkende Geburtenrate und eine steigende Lebenserwartung gekennzeichnet. „Seit dem Jahr 2003 nimmt die Gesamtzahl der Bevölkerung ab“ (Demografiebericht, 2011, S. 11). Der Grund ist die gesunkene Zahl der Geburten. Hohe Geburtenraten wurden zuletzt in den 1960er Jahren verzeichnet. Das Jahr 1964 war mit 1,4 Millionen Geburten ein absolutes „Baby-Boom-Jahr“ (Geburten in Deutschland, 2012, S. 6). Während dieser Zeit erreichte die durchschnittliche Geburtenrate einen Höchststand von 2,5 Kindern je Frau (Sedlatschek/Thiehoff, 2005, S. 13). Mit Einführung der Antibabypille in den 1960er sank die Geburtenrate erheblich (Hauff, 2010, S. 110), sodass im Jahr 2010 knapp 700.000 Kinder in Deutschland geboren wurden (Geburten in Deutschland, 2012, S. 6). Damit liegt die Geburtenrate bei 1,4 Kindern je Frau und weist im europäischen Vergleich einen sehr geringen Wert auf (Haugg, 2007, S. 10). „Bestandserhaltend wären 2,1 Geburten [je Frau]“ (Venema in Althauser/ Schmitz/ Venema, 2008, S. 13).
Im Jahr 1910 betrug die Lebenserwartung einer deutschen Frau weniger als 50 Jahre. Die Fortschritte in der Wissenschaft und technologische Weiterentwicklungen führten dazu, dass sich „Lebensbedingungen der Menschen wie Hygiene, Ernährung, Wohnraum, […] medizinische Versorgung [verbesserten]“ (Venema in Althauser/ Schmitz/ Venema, 2008, S. 20). Der allgemeine Wohlstand und die verbesserte Lebensbedingungen sind Gründe für die sinkende Mortalität (Sedlatschek/Thiehoff, 2005, S. 13), „die mit einem Anstieg der Lebenserwartung einhergeht“ (Schimany, 2007, S. 48). Trotz der sinkenden Geburtenrate und der gestiegenen Lebenserwartung ist die Bevölkerungszahl konstant geblieben bzw. bis 2005 gestiegen. Der Grund hierfür liegt in der Zuwanderung (Birg, 2004, S. 21). Allerdings wird die Bevölkerungszahl langfristig rückläufig sein, denn der „Anteil jüngeren Menschen an der Gesellschaft wird immer geringer, während die Zahl der alten und immer älteren Menschen stets zunimmt“ (Sedlatschek/Thiehoff, 2005, S. 13f.). Dieser Rückgang setzt sich weiter fort, solange die Geburtenrate die bestanderhaltende Geburtenrate weiter unterschreitet und das Geburtendefizit nicht durch Zuwanderung ausgeglichen werden kann (Birg, 2004, S. 21). Diese demographischen Einflussfaktoren führen dazu, dass sich die Bevölkerungszahl zukünftig weiter verringern wird und das Durchschnittsalter gleichzeitig ansteigt (Bollwitt, 2010, S. 14).
Betrachtet man die deutsche Bevölkerungsentwicklung im internationalen Vergleich, fällt auf, dass sich die Entwicklungen stark ähneln. Das nachfolgende Kapitel betrachtet die deutsche Entwicklung im internationalen Kontext.
Auf der Welt befinden sich, bis auf wenige Länder in Afrika, die meisten Staaten in einem ähnlichen verlaufenden demographischen Veränderungsprozess (Hülskamp, 2008, S. 1). In allen europäischen Ländern ähneln sich die demographischen Entwicklungen (Kolb in Frevel, 2004, S. 43). Im Jahr 2002 betrug das Durchschnittsalter in den 27 EU-Staaten noch 38,6 Jahre, 8 Jahre später war die Hälfte der Bevölkerung bereits 40,9 Jahre oder älter. Diese Entwicklung wird in den nächsten Jahren weiter voranschreiten, da in Europa die Geburtenrate deutlich hinter der bestandserhaltenden Geburtenrate liegt. Im Jahr 2009 gebar eine Frau in Europa 1,59 Kindern – 2,1 Kindern je Frau würde einen Bevölkerungsrückgang verhindern. Dieser Prozess setzt sich in der Zukunft weiter fort und lässt Europa bevölkerungsmäßig schrumpfen (Demary/ Erdmann, 2012, S. 1f.). Die Rückgänge der Geburtenzahlen kennzeichnen einen Trend, „der in allen Industriegesellschaften zu beobachten ist“ (Meyer in Frevel, 2004, S. 58). Die durchschnittliche Geburtenzahl liegt in Deutschland seit mehreren Jahren konstant bei 1,4 Kindern je Frau. Weniger Kinder werden in Europa derzeit nur in Italien und Spanien geboren (1,2-1,3 Kinder je Frau). Die skandinavischen Länder und England liegen auf dem deutschen Niveau. Eine höhere Geburtenrate weist in Europa nur Frankreich mit 1,7 Kindern je Frau auf. Mit 2,0 Kindern je Frau liegt die Geburtenrate der Vereinigten Staaten von Amerika seit rund zwei Jahrzehnten etwas höher (Meyer in Frevel, 2004, S. 58f.). Japan zählt zu den ältesten Gesellschaften der Welt. Die Geburtenrate im Jahr 2004 lag bei 1,29 Kindern je Frau (Walke, NN, S. 16). Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken bemüht sich Japan um eine Senkung der Kosten für Kindererziehung „und die gesellschaftlichen Bedingungen an Kinder bzw. Familien auszurichten“ (Schimany, 2005, S. 12). Japan versucht daneben auch Migranten und Investoren für ihr Land zu werben. Allerdings erwies sich eine einwanderungsfeindliche Politik sowie eine mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz für einen geringen Anteil ausländischer Menschen verantwortlich (Schimany, 2005, S. 12). Der demographische Wandel ist damit ein globales Phänomen, welches in allen Industrienationen zu beobachten ist.
Nach dieser kurzen Beobachtung der internationalen Situation werden im folgenden Kapitel die aus dem demographischen Wandel in Deutschland resultierenden Auswirkungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt betrachtet.
Der Arbeitsmarkt stellt eine wichtige Einflussgröße in der Personalarbeit dar und ist u.a. von folgenden Parametern abhängig (Scholz, 2000, S. 12):
- Technologischer Wandel
- Globalisierung
- Demographischen Entwicklung/ Wandel
Die Auswirkungen des demographischen Wandels führen zu einem veränderten Arbeitsangebot und einer veränderten Arbeitsnachfrage auf dem Arbeitsmarkt.
Unter dem Arbeitsangebot versteht man alle Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen oder selbstständig sind. Zu dieser Gruppe zählen außerdem Personen, die in keinem Beschäftigungsverhältnis stehen, aber dennoch arbeitsbereit sind. Hierunter fallen die offiziell registrierten Arbeitslosen und jene Personen, die nicht in den Statistiken erfasst werden und unter günstigeren Arbeitsmarktbedingungen eine Tätigkeit aufnehmen würden (Gabler, 1992, S. 1025). Alle genannten Personengruppen bilden das Erwerbspersonenpotenzial, welches sich formal wie folgt darstellen lässt:
Die demographische Entwicklung wirkt sich dabei direkt auf die Bevölkerung aus. Wie in Kapitel 2.2 erläutert, schrumpft die Bevölkerungszahl zukünftig, wodurch auch die Zahl der arbeitsfähigen Menschen sinkt. Indirekt wirkt sich die demographische Entwicklung auf das Erwerbspersonenpotenzial über die Erwerbsquote aus. Die Erwerbsquote drückt das Verhältnis der Erwerbsbevölkerung an der gleichaltrigen Bevölkerung aus. Diese Relation wird auch Erwerbsbeteiligung genannt. Die Erwerbsquote in den jüngeren Altersgruppen ist ebenso wie in den älteren Altersgruppen niedriger als in den mittleren Altersgruppen. Diese Differenz lässt sich dadurch erklären, dass sich jüngere Menschen häufig noch in der Ausbildung befinden und ältere Personen bereits in die Rente eingetreten sind. Die Erwerbsbeteiligung ist somit altersabhängig (Fuchs/ Söhnlein/ Weber in Frevel, 2004, S. 122f.). Eine demographisch bedingt veränderte Bevölkerungsstruktur lässt die Erwerbsbeteiligung sinken, infolgedessen wird das Erwerbspersonenpotenzial bei gleicher Entwicklung ebenfalls schrumpfen. Im Jahr 2005 gab es in Deutschland 42,6 Millionen Erwerbspersonen. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wird diese Zahl bis 2020 um ca. 3,1 Millionen Menschen sinken. Im Zeitraum von 2020 bis 2030 wird die Zahl der Erwerbspersonen um weitere 4,5 Millionen Menschen sinken und rund 35 Millionen Erwerbspersonen betragen (Statistisches Bundesamt, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 4, 2009, S. 10).
Die Abbildung 4 zeigt die Arbeitsmarktbilanz in Deutschland im Zeitverlauf dargestellt von 1991 bis 2025.
Abbildung 4: Arbeitsmarktbilanz in Deutschland von 1991 bis 2025
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Schnur/ Zika, 2007, S. 3
Die Differenz aus Arbeitskräfteangebot und Arbeitskräftenachfrage wird als Unterbeschäftigung bezeichnet. Das Sinken der verfügbaren Arbeitskräfte führt bilanztechnisch bei gleicher Nachfrage zu einer Reduzierung der Unterbeschäftigung (Fuchs/ Söhnlein/ Weber in Frevel, 2004, S. 130f.). „Wegen der Vielzahl relevanter Bestimmungsgrößen wird für die Erfassung der volkswirtschaftlichen Komplexität und zur Vorausschau der Arbeitsmarktnachfrage ein modellbasiertes Projektionssystem verwendet [, das IAB/INFORGE-Modell]“ (Fuchs/ Zilka, 2010, S. 3). Nach dieser Projektion wird der Arbeitskräftebedarf in den kommenden Jahren um rund 800.000 Arbeitskräfte bis 2020 zunehmen und bis 2025 wiederum um 500.000 Arbeitskräfte abnehmen (Schnur/ Zilka, 2007, S. 7). Diese Abschätzung hängt allerdings von einer Vielzahl „[…] schwer kalkulierbarer Entwicklungen ab, wie dem Ölpreis, den Währungsrelationen, der Weltkonjunktur, den Rückwirkungen der Finanzmarktkrise auf die reale Wirtschaft“ (Schnur/ Zilka, 2007, S. 1). Diese Einflussgrößen erschweren eine Abschätzung des genauen Arbeitskräftebedarfs. Die Unterbeschäftigung könnte trotz des Beschäftigungsrückgangs nach 2020 „auf die Hälfte des heutigen Niveaus zurückgehen“ (Schnur/ Zilka, 2007, S. 7). Dabei darf nicht nur der quantitative Bedarf gedeckt werden. Es muss auch eine Deckung des qualifikatorische Bedarfes erfolgen, da sonst eine Massenarbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Fachkräftemangel droht (Schnur/ Zilka, 2007, S. 7). Einen künftig vergrößerten Arbeitskräftebedarf weisen Branchen mit Berufsbildern aus, die einen hohen Akademikeranteil voraussetzen (Bonin/ Schneider/ Quinke/ Arens, 2007, S. 89). Zum Teil beklagen Unternehmen schon jetzt erhebliche Probleme bei der Rekrutierung von Fachkräften. Nach Medienangaben konnten im Jahr 2011 rund 150.000 Arbeitsplätze im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich nicht besetzt werden. Im April 2012 blieben rund 92.000 Ingenieursstellen in Deutschland unbesetzt (Handelsblatt Artikel: Fachkräftemangel weitet sich dramatisch aus, 23. Mai 2012).
Der demographische Wandel lässt zukünftig Nachwuchskräfte knapper werden und den Schwergewicht auf die über 50 Jährigen verlagern (NN, 2007, S. 3). Dadurch werden in den kommenden Jahren europaweit Probleme bei der Fachkräftevorsorgung auftreten. „[Und schon] heute stehen viele Unternehmen […] vor der Herausforderung, gut qualifiziertes Personal zu finden“ (Demary/ Erdmann, 2012, S. 4).
„Der demographische Wandel betrifft nicht nur das Personalmanagement […] sondern auch weitere Unternehmensfunktionen“ (Klaus/ Mitlacher, 2011, S. 39). Aufgrund der Komplexität der Demographie lassen sich Ergebnisse nur durch ein funktionsübergreifendes Handeln langfristig erreichen. Dabei ist strategisches Denken unabdingbar (Althauser in Althauser/ Schmitz/ Venema, 2004, S. 51). Dennoch sehen viele Entscheidungsträger den demographischen Wandel als eine Erscheinung kurzfristiger Natur ohne langfristige Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens (Klaus/ Mitlacher, 2011, S. 39). Der Grund liegt im „noch nicht Greifbare[n] der Auswirkungen des demographischen Wandels im Betrieb“ (Althauser in Althauser/ Schmitz/ Venema, 2004, S. 50). Häufig lösen Personalverantwortliche Probleme immer noch kurzfristig durch ad-hoc-Maßnahmen und vernachlässigen damit zusammenhängende Fragestellungen (Althauser in Althauser/ Schmitz/ Venema, 2004, S. 51). Im Rahmen einer Unternehmensbefragung der Mitgliedsunternehmen der Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg wurden im Jahr 2010 2.100 Unternehmen aus dem produzierendem Gewerbe/ Industrie befragt. Ziel des Projekt ist die Durchführung einer Bestandsaufnahme zum Thema demographiefeste Personalarbeit, um aus den Ergebnissen erste Handlungsempfehlungen ableiten zu können, welche Möglichkeiten Unternehmen haben, auf den demographischen Wandel zu reagieren (Mitlacher/ Klaus, 2010, S. 2). Ein zentrales Ergebnis des Projektes ist die strategische Verankerung des Themas für den Erfolg von Maßnahmen zur Bewältigung des demografischen Wandels. Um den Herausforderungen des demographischen Wandels adäquat zu begegnen, muss die Personalstrategie in der obersten Leitungsebene des Unternehmens integriert werden. Hierbei wird auch von einem strategischen Human Resource Management (HRM) gesprochen. (Mitlacher/ Klaus, 2010, S. 5). Wright und McMahan definieren das strategische HRM als „the pattern of planned human resource deployments and activities intended to enable an organization to achieve its goals“ (Wright/ McMahan, 1992, S. 298).
Das strategische HRM und dementsprechend auch die Personalstrategie werden dabei durch folgende demographisch bedingte Faktoren beeinflusst (Mitlacher/ Klaus, 2010, S. 5):
- Politisch-rechtliche Faktoren wie z.B. Demographie-Tarifverträge
- Ökonomische Faktoren wie z.B. dem Arbeitsmarkt
- Soziokulturelle Faktoren wie z.B. dem Wertewandel
Im Rahmen der Unternehmensbefragungen der Industrie und Handelskammer wurden mehrere Handlungsfelder identifiziert:
- Personalgewinnung/ Rekrutierung
- Personalentwicklung
- Gesundheitsmanagement
- Work Life Balance
- Mitarbeiterbindung
In den folgenden Kapiteln dieser Arbeit wird das Handlungsfeld Personalgewinnung näher in den Fokus rücken. Im Abschnitt 2.5 wurde der Mangel an Ingenieuren in Deutschland bereits verdeutlicht. Dennoch gibt es Unternehmen, die sich auf Grund der aktuellen Fachkräftesituation dazu entschlossen haben, gezielt auf die Rekrutierung älterer Ingenieure zu setzen. Mit dem Programm „Potentiale 50 plus“ setzt die Fahrion Engineering GmbH aus Kornwestheim bei Stuttgart speziell auf die Kompetenzen älterer Menschen. Das Unternehmen schaltete im Juli 2000 eine Stellenanzeige (siehe Abbildung 5) mit dem Text „Mit 45 zu alt – mit 55 überflüssig? Wir suchen Ingenieure, Techniker und Meister bis 65“.
Abbildung 5: Stellenanzeige der Fahrion Engineering GmbH
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Fahrion Unternehmenspräsentation
Das Unternehmen erhielt bis Ende 2000 über 500 Bewerbungen auf diese Anzeige mit dem Ergebnis, dass Firmengründer Otmar Fahrion mehr Mitarbeiter eingestellt hat, als ursprünglich geplant gewesen ist (Süddeutsche Zeitung Nr. 139, 17. Juni 2008/ Präsentation Fahrion Engineering GmbH an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen). Dieses Beispiel zeigt, dass es bereits Unternehmen gibt, die Personalgewinnungsstrategien gegen den Fachkräftemangel entwickelt haben.
Die bisherige Betrachtung der demographischen Entwicklungen verdeutlicht, dass der Arbeitsmarkt zukünftig von einem sinkendem Arbeitsangebot und einer älteren Belegschaft geprägt sein wird. Diese Umstände erschweren in den nächsten Jahren die quantitative und qualitative Personalbedarfsdeckung zunehmend. Somit müssen bisherige Personalmarketingstrategien hinterfragt und gegeben falls angepasst werden (Beck, 2008, S. 12f.). Das folgende Kapitel erläutert den Begriff des Personalmarketings und grenzt ihn zum EB ab.
Für jedes Unternehmen ist die Gewinnung von Fach- und Führungskräften von essenzieller Bedeutung, nur so kann die Unternehmung ihren Personalbedarf decken, wachsen und sich weiterentwickeln (Kauffeld, 2001, S. 95). In der Fachliteratur ist der Begriff des Personalmarketings nicht eindeutig definiert (Poser, NN, S. 1). Häufig wird das Personalmarketing mit einem konsequenten Umsetzen des Absatzmarketinggedankens im Personalbereich gleichgesetzt (Scholz in Thiele/Eggers, 1999, S. 28). Diese Umsetzung stellt damit eine Erweiterung des klassischen Marketingkonzeptes dar, mit dem Ziel in der Wahrnehmung der Kunden greifbar zu werden (Stritzke, 2010, S. 26). Für das Personalmarketing bedeutet dies, dass das Unternehmen inklusive dem Arbeitsplatz (Produkt) an gegenwärtige und zukünftige Mitarbeiter (Kunden) verkauft werden muss. Dabei trägt die Unternehmenskultur als „Produkteigenschaft“ eine entscheidende Rolle (Scholz in Thiele/Eggers, 1999, S. 28). Zunächst stand die Optimierung der Personalwerbung an externen Arbeitsmärkten im Vordergrund, bevor „später die [externe] Personalbeschaffung mit der Akquisition und Rekrutierung von Mitarbeitern einen Schwerpunkt bildet[e]“ (Stritzke, 2010, S. 26). Aufgrund der Rezession Mitte der 1970er verlor das Personalmarketing wieder an Bedeutung, erst Ende der 1980er und in den 1990er rückte das Personalmarketing in den Fokus der Personalverantwortlichen. Dabei wurde der Fokus auf den internen Aspekt des Personalmarketings, wie zum Beispiel interne Stellenausschreibungen und Aus- und Weiterbildung als Alternative zur externen Rekrutierung, gelegt. Seit dem Jahr 2000 rücken Branchen- /Kulturaspekte und Vergütungssysteme mit in den Vordergrund des Personalmarketings, zudem werden Einflüsse, wie zum Beispiel neue Technologien, in der Rekrutierung stärker berücksichtigt (Stritzke, 2010, S. 26f.).
Zusammengefasst hat das Personalmarketing drei Funktionen:
- Akquisitionsfunktion – externe Bewerber sollen sich für das Unternehmen interessieren
- Motivationsfunktion – gegenwärtige Mitarbeiter für das Unternehmen begeistern und eine Identifizierung erreichen
- Profilierungsfunktion – Mitarbeiter und Bewerber erkennen das Spezifische an dem Unternehmen durch die Positionierung des Unternehmens mittels der Akquisitionsfunktion und Motivationsfunktion
Wie die historische Entwicklung in diesem Abschnitt gezeigt hat, unterliegt auch das Personalmarketing einem Wandel. In der praxisorientierten Literatur werden dazu regelmäßig neue Erkenntnisse publiziert sowie innovative Ansätze und erfolgreiche Personalmarketingstrategien vorgestellt. Diese werden mit Einschränkungen bei innovativen Unternehmen bereits realisiert. Allerdings sind die Unternehmen, welche mit den neuen Ansätzen und Maßnahmen Wettbewerbsvorteile erzielen, noch in der Minderheit (Beck, 2008, S. 16). Der Großteil der Unternehmen vertraut noch bisherigen Methoden nach dem Gewohnheitsprinzip: „was früher richtig war, kann heute nicht falsch sein“. Jedoch hat das Personalmarketing an Komplexität zugenommen und unterliegt einer hohen Dynamik. An Anlehnung an diese Dynamik spricht Christoph Beck auch von einer nächsten Entwicklungsstufe des Personalmarketings. Das primäre Ziel besteht „in der Schaffung der Voraussetzungen zur langfristigen Sicherung der Versorgung eines Unternehmens mit qualifizierten […] Mitarbeitern“ (Beck, 2008, S. 17). An diesem Ziel sind alle Maßnahmen auszurichten. Von dieser Zielsetzung aus sieht Beck im Personalmarketing eine Meta-Funktion (meta aus dem Griechischen: zusammen mit, zugleich) hinsichtlich einer Präferenzbildung auf dem externen und internen Arbeitsmarkt. Eine Präferenz beschreibt ein bevorzugtes Handeln oder „im Ergebnis die Vorliebe und damit die Entscheidung eines Arbeitsmarktteilnehmers für eine ihm zur Verfügung stehende Alternative“ (Beck, 2008, S. 18). In diesem Entscheidungsprozess ist es für das Unternehmen von Bedeutung die Zielgruppe in einer möglichst frühen Phase in die Arbeitgeberwahl mit einzubeziehen. Am Ende des Präferenzbildungsprozesses ist dieses Unternehmen im Idealfall der Employer-of-Choice für den Arbeitnehmer. Die Weiterentwicklung des Personalmarketings führte in den letzten Jahren zur Notwendigkeit des EB (Buckesfeld, 2010, S. 27).
Um sich von den wichtigsten Wettbewerbern abzusetzen und in Wahrnehmung potenzieller Bewerber einzigartig zu erscheinen, wird im Konzept des EB, im Vergleich zum Personalmarketing, verstärkt Wert auf ein intern konsistentes Gesamtbild und deutliche Abgrenzung zu anderen Unternehmen gelegt. Der nachfolgende Abschnitt beschäftigt sich daher eingehend mit dem EB.
EB wird als ein Teilaspekt des Corporate Brandings verstanden (Gmür/ Martin/ Karczinski, 2002, S. 1). Das Corporate Branding kennzeichnet die Positionierung und Profilierung der Unternehmensidentität gegenüber allen relevanten Interessensgruppen, wie z.B. Kunden, Investoren und der Öffentlichkeit (Bruhn, 2004, S. 1413/ Esch/ Tomczak/ Kernstock/ Langner, 2006, Vorwort). In dieser Arbeit wird der Begriff Branding im Sinne von Markenbildung bzw. Markenführung verwendet. Employer wird im deutschen Sprachgebrauch als Arbeitgeber verstanden. Bisher war die klassische Markenführung nur auf Konsumenten ausgerichtet mit dem Ziel, dem Unternehmen mit seinen Produkten und Dienstleistungen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Diese Ausrichtung hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend auf andere Bezugsgruppen ausgeweitet. Dabei liegt der Fokus auf der Zielgruppe der Mitarbeiter, denn Marken wirken nicht nur auf das Konsumentenverhalten von Menschen, sondern beeinflussen sie auch bei der Entscheidung der Arbeitgeberwahl (Sponheuer, 2010, S.3). Es wird in diesem Zusammenhang auch von einem Aufbau einer Arbeitgebermarke (AGM) gesprochen (Haensel, 2010, S. 9). Dies ist mit der Zielsetzung verbunden, „ein unverwechselbares Vorstellungsbild als attraktiver Arbeitgeber in der Wahrnehmung seiner internen und externen Zielgruppen (künftigen, potenziellen, aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern) zu realisieren“ (Beck, 2008, S. 28), um sich vom Wettbewerb zu differenzieren und eine unverwechselbare sowie begehrte (Arbeitgeber)-Marke zu schaffen. Diese soll den Zielgruppen einen Nutzen aufzeigen und Begehren auslösen (Hartmann, 2002, S. 1). Es entsteht durch die Bildung einer AGM eine Verknüpfung der strategischen unternehmerischen Handlungsfelder Markenführung und dem HRM (Sponheuer, 2010, S. 3). Nach Auffassung der Deutschen Employer Brand Akademie (abgekürzt: DEBA) ist das Herz des EB eine Arbeitgebermarkenstrategie, die sich aus der Unternehmensmarke adaptieren lässt. Die „Entwicklung, Umsetzung und Messung dieser Strategie zielen unmittelbar auf die nachhaltige Optimierung von Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterbindung, Leistungsbereitschaft und Unternehmenskultur sowie die Verbesserung des Unternehmensimages“ (DEBA, 2006). Durch eine ausgeprägte AGM werden außerdem mittelbar das Geschäftsergebnis sowie der Markenwert des Unternehmens gesteigert (DEBA, 2006).
Die Definition des EB zeigt, dass eine erfolgreich eingeführte AGM sich positiv auf das Unternehmen auswirkt. Die Funktionen einer Employer Brand lassen sich nach Auffassung der Autoren Anne Wedel und Waldemar Stotz jeweils aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmersicht betrachten. Die Funktionen und die betroffenen Wirkungsbereiche im Unternehmen werden in der nachfolgenden Abbildung verdeutlicht und im Abschnitt 3.3 und 3.4 näher betrachtet:
Abbildung 6: Funktionen und Wirkungsbereiche der Employer Brand
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Stotz/ Wedel, 2009, S. 29
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