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Mehr InfosBachelorarbeit, 2012, 71 Seiten
Bachelorarbeit
FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Dortmund früher Fachhochschule
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Mit dem Begriff Prozess wird in der Literatur meist der Begriff Geschäftsprozess abgekürzt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist ein[1] „Geschäftsprozess eine zeitlich-logische Aktivität zur Erfüllung einer betrieblichen Aufgabe, wobei eine Leistung in Form von Material- und/oder Informationstransformation erbracht wird.“[2] Österle definiert einen Prozess als Abfolge von Aufgaben, die über mehrere organisatorische Einheiten verteilt sein können. Die Ausführung der Aufgaben wird hierbei durch die IT unterstützt und das Ausführen des Prozesses produziert und konsumiert Leistungen. Für die Überwachung der Prozesse setzt die Prozessführung außerdem (Soll-) Ziele fest, misst das (Ist-) Ergebnis und vergleicht dieses mit den Vorgaben.[3]
Unter einem Prozessmodell wird ein vereinfachtes Abbild eines Geschäftsprozesses oder eines Prozesssystems verstanden, anhand dessen die wichtigsten Elemente eines Prozesses und deren Beziehungen untereinander verstanden werden können. Auf Grundlage des Prozessmodells können Prozesse neu arrangiert werden und die Beschaffung von Anwendungssoftware zur Unterstützung der Prozesse geplant werden. Man unterscheidet zwischen deskriptiven Prozessmodellen, die einen Ist-Zustand beschreiben und normativen Prozessmodellen, die einen gewünschten Soll-Prozess beschreiben.[4] Ein Prozessmodell ist demnach das allgemeine Modell eines bestehenden oder geplanten Prozesses.[5]
Modelle zur Modellierung von Geschäftsprozessen bilden komplexitäts-reduzierte Ausschnitte der Realität ab und werden direkt durch den Zweck der Darstellung beeinflusst, da dieser wiederrum die Eigenschaften des Modells bestimmt.[6] Zweck der Darstellung von Geschäftsprozessen sind „die Analyse und Restrukturierung von Primärprozessen mit Markt- und Kundenausrichtung[…].“[7] Dieses Vorgehen wird durch die oftmals synonym verwendeten Begrifflichkeiten „Business Process Reenginering“, „Geschäftsprozessoptimierung“, “Business Engineering“ oder auch „Business Redesign“ beschrieben.[8] Gründe für die Optimierung und Neugestaltung von Prozessen können hierbei direkt aus dem magischen Dreieck von Zeit, Qualität und Kosten abgeleitet werden. Beispielhafte Gründe sind eine Verringerung der Prozessdurchlaufzeit, eine Minimierung der Prozesskosten, oder eine Verringerung der Fehlerquoten. Das magische Dreieck ist in der folgenden Darstellung abgebildet.[9]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Eigene Darstellung - Das magische Dreieck von Zeit, Qualität und Kosten[10]
Bei der Modellierung von Prozessen werden grundsätzlich vier Gestaltungsalternativen unterschieden:
Die sequentielle Reihung, bei der immer genau eine Funktion nach der anderen ausgeführt wird und die Nachfolgefunktion erst startet, wenn die Vorgängerfunktion abgeschlossen ist.
Die Parallelisierung, bei der voneinander unabhängige Funktionen parallel ausgeführt werden, um die Durchlaufzeit des Gesamtprozesses zu reduzieren.
Die Verzweigung, bei der bestimmte Prozesse in Abhängigkeit von bestimmten Bedingungen eintreten.
Die Wiederholung, bei der ein oder mehrere Prozesse mehrfach ausgeführt werden. Um die Wiederholung zu steuern, müssen die Wiederholungsbedingung und das Abbruchkriterium für eine erneute Wiederholung bekannt sein.[11]
Geläufige Darstellungsarten und Modelle zur Modellierung von Geschäftsprozessen sind die Unified Modeling Language (UML) nach Grady Booch, Ivar Jacobson, und James Rumbaugh, die Business Process Modeling Notation (BPMN) nach Stephen A. White und die Ereignisgesteuerte Prozesskette (EPK) nach August Wilhelm Scheer.
ARIS ist das Akronym für „Architektur integrierter Informationssysteme“. Es handelt sich hierbei um ein Konzept, bei dem Informationssysteme hinsichtlich ihrer Art, ihrer funktionalen Eigenschaften und ihres Zusammenwirkens beschrieben werden.[12] Das ARIS-Konzept ist in den neunziger Jahren von Professor August-Wilhelm Scheer an der Universität Saarbrücken entwickelt worden. Hierbei wurde es zunächst theoretisch entwickelt und 1993 in Form der Software „ARIS Toolset Version 1.0“ durch die heutige IDS Scheer AG vermarktet.[13] ARIS bietet seinen Anwendern die Möglichkeit Geschäftsprozesse redundanzfrei und ganzheitlich, aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Hierdurch hat es sich innerhalb der letzten Jahre zu einem de facto Standard in der Geschäftsprozessmodellierung entwickelt[14] und ist heute sowohl für die Hochschulausbildung, als auch für den Einsatz in Betrieben interessant.[15]
„In ARIS werden die Geschäftsprozesse in die fünf Sichten - Funktionen, Leistungen, Daten, Organisation und Steuerung zerlegt, wobei die Inhalte der anderen Sichten in der Steuerungssicht zusammengeführt werden, um das Zusammenspiel bei der Abwicklung von Prozessen darstellen zu können.“[16] Das Zusammenfassen der Klassen zu Sichten dient hierbei der Vereinfachung des Geschäftsprozessmodells und der Vermeidung von Redundanzen, die durch die Mehrfachverwendung von Objekten innerhalb des Modells bestehen können.[17] Die Systemtheorie unterscheidet zwischen der Struktur, bzw. der Statik eines Systems und dem Verhalten, bzw. der Dynamik eines Systems. Im ARIS-Konzept stellen die Ereignissteuerung und der Nachrichtenfluss die Dynamik und alle anderen Sichten die Systemstruktur dar.[18] Alle Sichten zusammen werden durch das „ARIS-Haus“ visualisiert. Die zentrale Sicht der Steuerung ist hierbei in der Mitte dargestellt und jede Sicht in die drei Beschreibungsebenen aufgeteilt, die in Abschnitt 2.3.3 näher erläutert werden.[19] Die folgende Grafik zeigt das ARIS-Haus.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Eigene Darstellung - Das ARIS-Haus[20]
Alle Vorgänge, Tätigkeiten oder Funktionen, die eingehende Leistungen in ausgehende Leistungen umwandeln, werden zur Funktionssicht zusammengefasst. Ziele werden ebenfalls zur Funktionssicht gezählt, da Funktionen Ziele unterstützen und durch diese gesteuert werden.[21] Neben der Beschreibung der Funktion, gehören auch die Aufzählung der Teilfunktionen und die Beziehungen zwischen den Funktionen zu dieser Sicht. Die Darstellung der Funktionssicht kann beispielsweise durch Funktionsbäume erfolgen.[22]
„Die Leistungssicht enthält alle materiellen und immateriellen Input- und Output-Leistungen einschließlich der Geldflüsse.“[23] Zur Darstellung materieller Leistungen bieten sich zur Beschreibung auf Fachkonzeptebene Konstruktionszeichnungen, technische Spezifikationen oder Stücklisten an. Immaterielle Leistungen, bzw. Dienstleistungen hingegen lassen sich durch Leistungsbäume beschreiben und strukturieren.[24]
Die Datensicht umfasst alle Zustände und Ereignisse, die durch Daten dargestellt werden.[25] Hierzu enthält die Datensicht eine Beschreibung der Datenobjekte, die durch Funktionen manipuliert werden. Die beschriebenen Objekte umfassen sowohl die Ereignisse, als auch die Nachrichten, die den Ablauf des Geschäftsprozesses steuern.[26] Es werden sowohl die Nachrichten, die Funktionen auslösen, als auch die Nachrichten, die von Funktionen erzeugt werden in der Datensicht dargestellt.[27] Zur Darstellung der Datensicht auf Fachkonzeptebene wird unterschieden, ob die Daten stark strukturiert sind, oder ob es sich um schwach strukturierte Informationen handelt. Im Falle von starker Strukturierung bieten sich Entity-Relationship Modelle (ERM) oder UML- Klassendiagramme zur Beschreibung an. Im Falle einer schwachen Strukturierung werden die Informationen und die damit verbundenen Dokumente textuell beschrieben.[28]
„Die fachliche Organisationssicht beschreibt die Aufbauorganisation, also die Organisationseinheiten mit den zwischen ihnen bestehenden Kommunikations- und Weisungsbeziehungen.“[29] In den Organisationseinheiten werden hierbei Aufgabenträger, die die gleiche Funktion ausführen oder das gleiche Arbeitsobjekt bearbeiten, zu Einheiten zusammengefasst.[30] Eine weit verbreitete Notation um die Organisationssicht abzubilden ist die hierarchische Gliederung in einem Organigramm.[31]
Die Steuerungssicht bildet die Grundlage zur vollständigen Betrachtung des Gesamtprozesses. Hierzu fasst sie die zuvor beschriebenen Sichten zusammen und bildet die Beziehungen zwischen den einzelnen Sichten ab.[32] In der Steuerungssicht werden die ablaufbezogenen Zusammenhänge der Funktionen in zeitlicher und logischer Reihenfolge dargestellt. Die Prozessmodellierung erfolgt in der Regel durch ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK).[33]
Während die Sichten des ARIS-Konzeptes die Geschäftsprozesse auf einer betriebswirtschaftlichen Ebene betrachten, wird durch die Beschreibungsebenen jede Sicht aus der betriebswirtschaftlichen Fachbeschreibung heraus, zu einer konkreten technischen Implementierung überführt.[34] Scheer unterscheidet hierbei drei Ebenen der Betrachtung: das Fachkonzept, das DV-Konzept und die technische Implementierung.[35]
Das Fachkonzept beschreibt den Ist- und den Sollzustand für einen Geschäftsprozess. Die Darstellung ist formal in Modellen beschrieben und dient als Ausgangspunkt für die informationstechnische Umsetzung.[36]
Das DV-Konzept dient dazu „die Fachmodelle an die Anforderungen der Schnittstellen von Implementierungswerkzeugen (z.B. Datenbanksysteme, Netzwerkarchitekturen oder Programmiersprachen“[37] anzupassen.
Ein Bezug zu konkreten Produkten der Informationstechnik, wird allerdings erst auf der letzten Ebene, der technischen Implementierung umgesetzt.[38] Neben der Umsetzung gehören auch die Unterweisung, die Schulung und die Übergabe der Systeme mit in diese Ebene.[39]
Im ARIS-Haus werden die zwei Dimensionen der Sichten und der Ebenen miteinander verknüpft. Die Darstellung beinhaltet also für jede Sicht die drei beschriebenen Ebenen.[40]
Ereignisgesteuerte Prozessketten sind eine semi-formale Methode für die Analyse und Beschreibung von Geschäftsprozessen.[41] Sie wurden am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität des Saarlandes entwickelt. Die Entwicklung erfolgte in Zusammenarbeit mit der SAP AG und wurde 1992 in der Veröffentlichung „Semantische Prozessmodellierung“ von Keller, Nüttgens und Scheer vorgestellt.
Die Methode ist an die Ansätze der stochastischen Netzplanverfahren und Petri-Netze angelehnt und besteht in der einfachsten Form lediglich aus einer Darstellung von Ein- und Ausgaben, wobei auf jede Form von Nachrichten und Bedingungen verzichtet wird.
In einer EPK werden Ereignisse und Funktionen nacheinander dargestellt und durch das Einfügen von Und-, Oder- und Exklusiv-Oder-Konnektoren logisch miteinander verknüpft.[42] Ereignisse stellen betriebswirtschaftlich relevante Ereignisse dar, die Auslöser oder Ergebnis eines Ablaufs sein können. Eine Funktion stellt immer eine zu leistende Tätigkeit dar, wobei der Umfang der zu leistenden Tätigkeit von der Modellierung selbst abhängig ist. Funktionen werden stets durch ein Ereignis ausgelöst und haben ein Ereignis zur Folge.[43]
Die Elemente einer EPK sind in der folgenden Abbildung dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Elemente der EPK – Darstellung nach ARIS-Express
Neben dem ursprünglichen EPK existieren die erweiterten EPK (eEPK), bei der die Darstellung des Prozessablaufs durch zusätzliche Prozesselemente ergänzt wird. Diese zusätzlichen Prozesselemente werden insbesondere bei der Darstellung von Teilprozessen dazu benutzt um genaue Informationen wie zum Beispiel Quelle und Form von Datenträgern zur Beschreibung der einzelnen Funktionen zu ergänzen.[44] Die zusätzlichen Elemente sind hierbei vor allem für die Modellierung betrieblicher Informationssysteme (IS) von Relevanz, da sie die notwendigen Verbindungen zum Unternehmensdatenmodell, den organisatorischen Einheiten und eine Beschränkung der Prozesssicht auf den relevanten Abschnitt des betrieblichen Prozesses ermöglichen.[45] Ob und durch welche Prozesselemente ein Modell ergänzt wird obliegt dem Modellierer und ist abhängig vom Zweck der Modellierung.[46] Einige Elemente einer eEPK sind in der folgenden Abbildung dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Elemente der eEPK – Darstellung nach ARIS-Express
ARIS-Express ist ein Werkzeug zum Erstellen von Geschäftsprozessmodellen der Firma Software AG. Die Software AG ist ein Unternehmen aus dem Bereich des Business Process Management (BPM), mit Hauptsitz in Darmstadt und bietet neben der Beratung, eine breite Palette an unterschiedlichen Produkten, zur Modellierung und Optimierung von Geschäftsprozessen an.[47]
ARIS-Express kann in der aktuellen Version 2.3 kostenfrei im Internet unter www.ariscommunity.com heruntergeladen werden und richtet sich speziell an Anfänger im Bereich BPM. Hierzu stellt das Tool eine eingeschränkte Auswahl etablierter Modelltypen zur Modellierung an, die unter einer gemeinsamen Oberfläche zusammengefasst sind. Besonders erwähnenswert ist hierbei die Option zur Modellierung von EPK und BPMN Modellen.[48] Die vollständige Übersicht aller in ARIS-Express unterstützten Modelltypen ist in der folgenden Abbildung dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Übersicht der Modelle in ARIS-Express
Um darzustellen, wie die Ausgangssituation für den zu erstellenden Standardprozess aussieht wird im kommenden Abschnitt zunächst beschrieben, wie die Marktsituation für Dienstleister auf dem Digitalisierungsmarkt aussieht und welchen Wandlungen der Markt unterliegt. Danach erfolgt eine Beschreibung der einzelnen Prozessschritte, die während einer Digitalisierung möglich sind um die Anforderungen der Kunden zu erfüllen. Nach der Beschreibung des Marktes und der Prozessoptionen, wird abschließend erläutert, an welchen Stellen des Prozesses eine Optimierung möglich ist, um eine Grundlage für die Anforderungen in Kapitel 4 zu schaffen.
Die in der vorliegenden Arbeit beschriebene Ausgangslage bezieht sich auf Unternehmen, die im Dienstleistungsbereich der Dokumentendigitalisierung tätig sind. Die Marktsituation ist für solche Unternehmen dadurch gekennzeichnet, dass nur selten große Projekte durch die Kunden in Auftrag gegeben werden. Als großes Projekt ist hier eines zu verstehen, dass ein Volumen von mehreren Millionen Blatt und / oder eine Laufzeit von mehreren Jahren hat. In der Regel handelt es sich bei solchen Großprojekten um die Digitalisierung und Auflösung von Altarchiven oder die Einführung von E-Akten bei Banken, Versicherungen oder Behörden. Die Ursachen für diesen Trend sind sehr vielseitig und sollen an dieser Stelle daher nur angeschnitten werden. Zum einen gehen gerade Altarchive eher direkt in die Vernichtung, als zur Digitalisierung. Zum anderen, gründen gerade große Unternehmen eher eine eigene Firma oder Abteilung, als einen Dienstleister an sich zu binden.
Für die Dienstleistungsunternehmen hat dies zur Folge, dass durch den Vertrieb viele kleine Kunden geworben und gewonnen werden, die entsprechend kleinere Mengen zur Digitalisierung an den Dienstleister übergeben. Kleine Mengen sind in extremen Fällen 100 Einzelbelege oder vielleicht auch nur zehn Aktenordner, die ein Kunde digitalisiert haben möchte. Diese kleinen Losgrößen gehen allerdings mit der Erwartungshaltung einher, dass die Verarbeitung einer kleinen Menge, entsprechend schnell erfolgt und abgeschlossen wird.
Für den Dienstleister stellt jedes Projekt jedoch seine eigenen Herausforderungen dar und bedarf somit auch individueller Schritte der Vorbereitung, Planung und Durchführung des Projektes.
Es lässt sich also festhalten, dass Digitalisierungsdienstleister folgenden Themen begegnen müssen:
- Kleine Losgrößen
- Verkürzte Umsetzungszeiten
- Viele Projekte
- Vielfältige / Unterschiedliche Prozessanforderungen
Um den Herausforderungen möglichst effizient begegnen zu können benötigen die Dienstleister eine starke Strukturierung und Standardisierung der eigenen Prozesse, was in der Realität allerdings nicht immer gegeben ist. Stattdessen wird aufgrund der vielen Projekte und der Notwendigkeit die operativen Prozesse zu bedienen, mehr nach einem „Copy & Paste“-Prinzip gearbeitet. D.h. aufgrund des Zeit- und Kostendrucks wird ein Kundenprozess innerhalb der Prozessplattform kopiert und dann an die Anforderungen des neuen Prozesses angepasst. Diese Anpassung wird meist von einer Vielzahl an Fehlern begleitet.
Häufige Fehler, die in diesem Zusammenhang passieren, sind fehlerhafte und nicht angepasste Einstellungen, die ein wiederholtes Verarbeiten der Daten erfordern und somit zusätzlich Zeit und Geld kosten. Neben der Zeit, die für die Behebung der Fehler in Anspruch genommen werden muss, ist auch das Kopieren und Anpassen der Prozesse zeitintensiv. Diese Zeit wird dann erneut für sich ebenfalls wiederholende Tätigkeiten benötigt und bietet nicht zuletzt viel mehr Fehlerquellen als ein einmalig festgelegter und getesteter Prozess.
Als letzter Punkt zur Schilderung der Ausgangssituation ist das Zusammenspiel zwischen dem Vertrieb und dem operativen Bereich zu nennen. Die vielfältigen und unterschiedlichen Anforderungen der Kundenprojekte sind oftmals das direkte Ergebnis eines Vertriebsgesprächs mit dem Kunden, bei dem versucht wird dem Kunden alles Recht zu machen, um einen Vertragsabschluss zu erwirken. Da für jeden Kunden ein individueller Prozess erstellt wird, stellt dieses Vorgehen auch keinen Wiederspruch zur Arbeitsweise des Unternehmens dar. In einigen Fällen entstehen so allerdings Anforderungen, die entweder zum Nachteil des Dienstleisters sind oder gar nicht durch diesen erbracht werden können. Statt der gerade beschriebenen Vorgehensweise, sollte es das Ziel des Vertriebs sein ein Produkt zu verkaufen, das operativ ohne viel Aufwand umgesetzt werden kann, um so kosten- und zeiteffizient und mit einer hohen Qualität produzieren zu können.
Im folgenden Abschnitt werden alle bei der Digitalisierung von Dokumenten notwendigen bzw. möglichen Schritte vorgestellt und beschrieben. In einem Kundenprozess können die einzelnen Schritte beliebig miteinander verknüpft werden, weshalb in der folgenden Darstellung nur grob skizziert wird, wie die einzelnen Schritte im Zusammenhang stehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Prozessschritte der Digitalisierung
Im folgenden Abschnitt wird beschrieben, welche Prozessschritte die einzelnen physischen Dokumente während der Digitalisierung durchlaufen und was bei dem jeweiligen Prozessschritt geschieht.
Die Vorerfassung ist eine Erfassung von Metadaten auf Grundlage der physischen Dokumente. Hierzu werden für den Prozess relevante Daten erfasst, bevor die Dokumente in die Verarbeitung weitergegeben werden. Die Daten dienen als Basis zur Erstellung der Aktenvorblätter, mit deren Hilfe die Daten und die Scanstapel zu einem späteren Zeitpunkt wieder zusammengeführt werden können.
Die Registrierung, oder Check-In, ist der erste Prozessschritt, der beim Verarbeiten eines Dokumentes in der Produktion eines Digitalisierungsdienstleisters erfolgt. Hierzu wird jedem Dokument ein Aktenvorblatt zugeordnet, mit dessen Hilfe es jederzeit eindeutig zu identifizieren ist. Anschließend wird jedes Dokument das verarbeitet werden soll entweder von Hand oder per Barcodescanner erfasst und im Verarbeitungsprozess bekanntgemacht. Durch das Registrieren der Dokumente ist zum einen sichergestellt, dass eine Information für das Track und Trace eines Dokumentes erfolgen kann. Zum anderen wird hierdurch aber auch die vom Kunden übergebene Menge erneut geprüft und Mehr- oder Mindermengen festgestellt.
Unter dem Begriff der Arbeitsvorbereitung werden alle Schritte zum Aufbereiten der Dokumente zusammengefasst, die dazu dienen das Scannen der Dokumente vorzubereiten. Hierbei werden die Dokumente aus den Ordnern, bzw. entsprechenden Trägern entnommen. Anschließend werden alle Büroklammern und Heftklammern entfernt, die Seiten ggf. geglättet, repariert, entfaltet und getrennt. Die Dokumente werden während der Arbeitsvorbereitung durch das Einlegen von Barcodeblättern ergänzt, um die gewünschte Stapelstruktur vorzugeben. Insbesondere übergroße Formate oder Formate, die am Flachbettscanner gescannt werden müssen werden durch spezielle Substitutionsbarcodes ersetzt. Die Substitutionsbarcodes ermöglichen ein separates Scannen und automatisiertes Einfügen der Sonderformate in den Rest des Dokumentes. Am Ende der Vorbereitung werden ein oder mehrere Dokumente zu einem Scanstapel zusammengefasst. Die Stapelgröße und die Ausrichtung der Schriftstücke sind hierbei abhängig von der Maschine, auf der die Verarbeitung erfolgen soll.
Beim Scannen der Dokumente erfolgt die eigentliche Digitalisierung der Schriftstücke. Schriftstücke mit einem Format bis DIN A3 werden hierbei über einen Einzugsscanner verarbeitet. Übergroße Schriftstücke wie Pläne aus Bauakten, mit einem Format bis DIN A0 werden über einen Planscanner verarbeitet. Dokumente, die nicht getrennt werden dürfen, wie Urkunden oder gesiegelte Dokumente, werden über einen Flachbettscanner gescannt.
Das Scannen der Dokumente erfolgt entweder als Farbbild, als Graustufenbild oder als bitonales Schwarz-Weiß Bild. Neben der Art der Bilder ist beim Scannen noch die Auflösung festzulegen. Die Auflösung beträgt in der Regel 100, 200 oder 300 dpi.
Nach dem Scannen der Akten ist das physische Dokument nur noch für die Qualitätssicherung von Relevanz und das Weiterverarbeiten der Dokumente erfolgt auf den gerade erzeugten Bildern, die nun als Daten zur Verfügung stehen.
Bevor die Verarbeitung der physischen Dokumente abgeschlossen ist erfolgt eine Qualitätsprüfung. Diese erfolgt entweder anhand eines vorgegebenen prozentualen Anteils, oder aber nach einer ISO Norm wie der DIN 2859-1, die dem Festlegen der Prüfmenge dient. Verglichen werden hierbei die digitalen und die physischen Dokumente. Es erfolgt eine Kontrolle zur Scanqualität der Bilder, zum Aufbau der Dokumentenstruktur und zur Reihenfolge, bzw. der Ausrichtung der einzelnen Seiten des Dokumentes.
Um dem Kunden eine Möglichkeit der Reklamation einzuräumen, werden die Dokumente vor der Rückgabe oder der Vernichtung beim Digitalisierungsdienstleister zwischengelagert. Während der Zeit der Zwischenlagerung stehen die Scanstapel für weitere Qualitätskontrollen zur Verfügung. Sollte es notwendig sein, kann nun auch ein Neuscannen einzelner Schriftstücke oder ganzer Stapel durchgeführt werden. Dokumente, die nicht zwischengelagert werden, gehen direkt zum Check-Out und danach zurück zum Kunden oder zur Vernichtung.
Nach Absprache mit dem Kunden, werden die Dokumente nach der Verarbeitung wieder in ihren Ursprungszustand zurückversetzt. Die Schriftstücke werden also wieder in die Träger zurückgeheftet und die zuvor entnommenen Sonderformate und Übergrößen wieder an der ursprünglichen Position innerhalb der Dokumente einsortiert. Barcodeblätter werden aus den Dokumenten entfernt und die Scanstapel aufgelöst.
Als Gegenstück zur Registrierung werden die Dokumente nach der Verarbeitung wieder ausgecheckt. Hierzu wird ebenfalls manuell oder per Barcodescanner der Aktenbarcode erfasst. Nach dem Check-Out ist ein Dokument nicht mehr im Produktionsprozess nachzuverfolgen. In der Regel stehen die physischen Dokumente nun in einem Lagerbereich wie dem Warenausgang zur Rückgabe bereit.
Physische Dokumente werden nach der Verarbeitung entweder an den Kunden zurückgegeben oder an einen weiteren Dienstleister weitergereicht, der diese archiviert. Zur Archivierung werden hierbei ggf. noch Daten bereitgestellt, die zur Identifizierung der Dokumente im Warenwirtschaftssystem des Archivdienstleisters benötigt werden.
Neben den physischen Dokumenten, die verschiedene Schritte durchlaufen, müssen auch die Daten, die während der Digitalisierung erzeugt werden bestimmte Prozessschritte durchlaufen. Die Prozessschritte werden hier erläutert und erklärt.
Nach dem Scannen der Dokumente werden in einem ersten Schritt, sofern dies nicht bereits am Scanner erfolgt ist, die Barcodes der Trenn- und Deckblätter ausgelesen. Auf Grundlage der eingefügten Barcodes wird dann eine Dokumentenstruktur aufgebaut, die der Vorgabe durch die Trennblätter entspricht.
Bei der Indizierung oder Erfassung geht es darum bestimmte Werte der Dokumente automatisiert durch eine OCR oder manuell auslesen zu lassen. Der hier beschriebene Prozessschritt ist die Form der Erfassung, bei der die Werte aus den Bildern der eingescannten Dokumente extrahiert werden. Um die Indizierung zu ermöglichen wird ein Erfassungsclient in Form einer Software benötigt. Die Software muss zum einen die Bilder anzeigen und zum anderen eine Eingabe der gewünschten Daten zulassen. Zum Ansteuern der Bilder, von denen Daten erfasst werden müssen, werden die Barcodes der Trennblätter genutzt. Nach der Indizierung werden die erfassten Daten in Form von Metadaten zu den einzelnen Bildern gespeichert.
Die erzeugten Bilder können einer Reihe von automatischen Bildoptimierungen unterzogen werden, bevor die Ausgabemedien erstellt werden. Hierzu gehört eine automatische Leerseitenerkennung, die mittels eines Schwellwertes anhand der Dateigröße durchgeführt wird. Ebenfalls möglich sind die Entfernung von Flecken und Verunreinigungen auf den Bildern, die Entzerrung von Bildern und die automatische Beschneidung der Ränder. Eine letzte, wichtige Optimierung ist das automatische Drehen der einzelnen Seiten, so dass diese in Leserichtung gedreht sind.
Sind alle Optimierungen und Erfassungen auf den Daten abgeschlossen, werden die Ausgabemedien erstellt. Hierzu werden zunächst alle Substitutionsbelege durch die einzufügenden Bilder ersetzt. Danach werden dann je nach Absprache mit dem Kunden, Ausgabemedien auf Grundlage der Registerstruktur erzeugt.
Die Ausgabemedien haben entweder das Format Multipage-Tiff oder PDF/a. Letzteres wird entweder mit einer Volltext-OCR (Searchable PDF) oder ohne erzeugt.
Neben den Bilddateien werden nun auch die indexierten Werte in Form von Text-, CSV- oder XML-Dateien ausgegeben. Die Dateien mit den Werten haben immer einen zur Bilddatei identischen Namen, der sich nur in der Dateiendung unterscheidet. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die zusammengehörigen Dateien problemlos in ein DMS-System eingespielt werden können.
Medien, die für einen Kunden erstellt wurden, können nach deren Produktion mit einer elektronischen Signatur versehen werden. Auf diese Weise ist die Authentizität und auch die Integrität der Daten von Seiten des Scandienstleisters gewährleistet. Die Signierung der Daten ist ein vollständig manueller Schritt, der auf den Daten durchgeführt wird.
3.2.2.6 Datenexport
Die fertig produzierten Daten werden dem Kunden in einem letzten Schritt zur Verfügung gestellt. Hierzu werden die Daten wahlweise per Datenträger (DVD, Festplatte) oder per sFTP Server bereitgestellt, bzw. dem Kunden ausgehändigt. Daten die einem Kunden übergeben werden, sind zur Sicherstellung der Vertraulichkeit zusätzlich noch zu verschlüsseln. Für eine Verschlüsselung mit beispielsweise PGP müssen die Daten nach der Erstellung noch eine zusätzliche Komponente durchlaufen. Diese Komponente verschlüsselt dann die Daten und erstellt verschlüsselte Datencontainer.
Für einen Dienstleister im Bereich der Dokumentdigitalisierung ergeben sich nach der Betrachtung der Ausgangssituation verschiedene Optimierungsmöglichkeiten. Das zuvor beschriebene Kopieren und Anpassen der kundenspezifischen Prozesse auf der Prozessplattform ist ein prozessübergreifender Vorgang, der mit sehr viel Optimierungspotential verbunden ist. Neben der Vermeidung von Fehlern, die durch diese Vorgehensweise entstehen, ist hier auch die Möglichkeit gegeben die Qualität und die Dauer der Bearbeitung der einzelnen Kundenprojekte zu verbessern, bzw. zu verringern.
In Bezug auf den Vertrieb und die damit einhergehenden Kundenanforderungen bieten sich weitere Möglichkeiten zur Optimierung der Gesamtabläufe an. Die Optimierung an dieser Stelle muss klare Vorgaben und Richtlinien für die Vertriebsmitarbeiter zur Folge haben, was durch eine Vereinheitlichung der Prozesse zu erreichen wäre.
Die bisherigen Optimierungsmöglichkeiten umfassen die Ausgangslage der Unternehmen und beziehen sich immer auf dem Gesamtprozess der Digitalisierung. Die einzelnen Prozessschritte bieten zusätzliches Potential, dass nun angesprochen wird. Als erstes sind der Check-In und der Check-Out zu nennen, die in einem kundenspezifischen Prozess optional sind, aber erheblich zur Qualität des Prozesses beitragen können. Eine Registrierung aller Dokumente für jeden Kunden, würde neue Möglichkeiten zur Kontrolle des Gesamtprozesses ermöglichen. Weiterhin ergeben sich Möglichkeiten bei der Verbesserung der Arbeitsvorbereitung, wenn die Möglichkeiten hier vereinheitlicht werden. Das Vorgehen bei der Durchführung der Arbeitsvorbereitung aber auch die Kontrolle der Arbeit lassen sich durch eine Standardisierung verbessern.
Keine oder nur wenige Verbesserungsmöglichkeiten ergeben sich bei der Indizierung und dem Exportieren der Daten. In beiden Fällen wird es nahezu unmöglich sein die Tätigkeiten innerhalb der Funktionen durch eine Anpassung des Prozesses zu optimieren. Die Gründe hierfür liegen in den unterschiedlichen Anforderungen dieser beiden Prozessschritte. Im Gegensatz zu den anderen Schritten sind hier nämlich die Dokumente und deren Beschaffenheit ausschlaggebend für die unterschiedlichen Anforderungen und nicht die Möglichkeiten der Digitalisierung. Ebenfalls nicht geeignet für die Optimierung ist die digitale Signatur. Die Gründe liegen unter anderem in den Empfehlungen, die durch die Prüfdienste des Bundes zur elektronischen (Langzeit-) Speicherung und elektronischen Kommunikation, veröffentlicht wurden und ein sehr restriktives Vorgehen beschreiben.
[...]
[1] Vgl. Allweyer (2007), Seite 51
[2] Allweyer (2007), Seite 51 f.
[3] Vgl. Österle (1995), Seite 19
[4] Vgl. Schneider et al. (2008), Seite 48
[5] Vgl. Prilla (2010), Seite 81
[6] Vgl. Herrmann et al.(2005), Seite 150
[7] Gadatsch, (2010), Seite 11
[8] Vgl. Gadatsch (2010), Seite 11
[9] Vgl. Jankulik et al. (2005), Seite 128
[10] Vgl. Jankulik et al. (2005), Seite 128
[11] Vgl. Krcmar (2005), Seite 124 f.
[12] Vgl. Scheer: ARIS - Vom Geschäftsprozeß zum Anwendungssystem (1998), Seite 1
[13] Vgl. Seidlmeier (2010), Seite 11
[14] Vgl. Grief (2005), Seite 3 f.
[15] Vgl. Seidlmeier (2010), Seite 11
[16] Allweyer (2007), Seite 147
[17] Vgl. Scheer: ARIS - Vom Geschäftsprozeß zum Anwendungssystem (1998), Seite 33
[18] Vgl. Scheer: ARIS - Vom Geschäftsprozeß zum Anwendungssystem (1998), Seite 36
[19] Vgl. Rump (1999), Seite 56
[20] Vgl. Scheer: ARIS - Vom Geschäftsprozeß zum Anwendungssystem (1998), Seite 41
[21] Vgl. Scheer: ARIS - Vom Geschäftsprozeß zum Anwendungssystem (1998), Seite 36
[22] Vgl. Staud (2001), Seite 27
[23] Vgl. Scheer: ARIS - Vom Geschäftsprozeß zum Anwendungssystem (1998), Seite 36
[24] Vgl. Allweyer (2007), Seite 152 ff.
[25] Vgl. Staud (2001), Seite 27
[26] Vgl. Scheer: ARIS - Modellierungsmethoden, Metamodelle, Anwendungen (1998), Seite 67 ff.
[27] Vgl. Scheer: ARIS - Vom Geschäftsprozeß zum Anwendungssystem (1998), Seite 36
[28] Vgl. Allweyer (2007), 168 ff.
[29] Scheer: ARIS - Modellierungsmethoden, Metamodelle, Anwendungen (1998), Seite 52
[30] Vgl. Scheer: ARIS - Vom Geschäftsprozeß zum Anwendungssystem (1998), Seite 36
[31] Vgl. Allweyer (2007), Seite 174
[32] Vgl. Scheer: ARIS - Vom Geschäftsprozeß zum Anwendungssystem (1998), Seite 36
[33] Vgl. Seidlmeier (2010), Seite 21
[34] Vgl. Scheer: ARIS - Vom Geschäftsprozeß zum Anwendungssystem (1998), Seite 38
[35] Vgl. Staud (2001), Seite 28
[36] Vgl. Seidlmeier (2010), Seite 24
[37] Scheer: ARIS - Vom Geschäftsprozeß zum Anwendungssystem (1998), Seite 40
[38] Vgl. Scheer: ARIS - Vom Geschäftsprozeß zum Anwendungssystem (1998), Seite 40
[39] Vgl. Seidlmeier (2010), Seite 25
[40] Vgl. Staud (2001), Seite 29
[41] Vgl. Staud (2006), Seite 59
[42] Vgl. Scheer: ARIS - Modellierungsmethoden, Metamodelle, Anwendungen (1998), Seite 125
[43] Vgl. Staud (2006), Seite 60 ff.
[44] Vgl. Krallmann et al. (2007), Seite 98 f.
[45] Vgl. Krcmar (2005), Seite 123
[46] Vgl. Krallmann et al. (2007), Seite 99
[47] Vgl. Software AG: About Software AG (2011)
[48] Vgl. ARIS Community: ARIS Express (2011)
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