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Mehr InfosBachelorarbeit, 2011, 94 Seiten
Bachelorarbeit
1,3
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Problemstellung und Aufbau der Ausarbeitung
2 Ausbildungsabbruch – Diagnose und Prävention
2.1 Der Ausbildungsabbruch
2.1.1 Begriffsdefinition
2.1.2 Statistische Erfassung und Entwicklung des Ausbildungsabbruchs
2.1.3 Arten und Folgen des Ausbildungsabbruchs
2.1.4 Beruflicher Verbleib nach einem Ausbildungsabbruch
2.1.5 Gründe für einen Ausbildungsabbruch
2.2 Ausbildungsabbrüche im Gastgewerbe und im Beruf des Kochs
2.2.1 Statistische Daten zum Ausbildungsabbruch im Gastgewerbe
2.2.2 Der Ausbildungsberuf des Kochs im Überblick
2.2.3 Ausbildungszufriedenheit im Gastgewerbe
2.3 Prävention von Ausbildungsabbrüchen
2.3.1 Vermeidbarkeit von Ausbildungsabbrüchen und Probleme vorhandener Präventionsmöglichkeiten
2.3.2 Prävention von Ausbildungsabbrüchen vor der Ausbildung
2.3.3 Prävention von Ausbildungsabbrüchen im Ausbildungsverlauf
2.3.4 Projekte zur Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen
2.3.5 Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen durch die Berufsberatung der Agentur für Arbeit
2.3.6 Überleitung zur empirischen Untersuchung und Formulierung der Forschungsfragen
3 Empirische Untersuchung der Ausbildungsabbrüche im Gastgewerbe
3.1 Überfachliche Kompetenzen und ihre Messung durch das Diagnose-Verfahren „smK+p“
3.2 Design und Durchführung der Untersuchung
3.3 Beschreibung der Stichprobe
3.4 Ergebnisse der Untersuchung
3.5 Zusammenfassung der Ergebnisse und Beantwortung der Forschungsfragen
4 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Der Autor
Das Interesse an der Auseinandersetzung mit dem Thema „Diagnose und Prävention von Ausbildungsabbrüchen in dem Beruf Koch/Köchin“ entwickelte sich durch Erfahrungen in meinem persönlichen Bekanntenkreis. Da viele mir bekannte Auszubildende im Hotel- und Gaststättengewerbe, insbesondere Köche, über schlechte Ausbildungsbedingungen klagten und ich in diesem Zusammenhang etliche vorzeitige Ausbildungsvertragslösungen wahrgenommen habe, kam ich nicht umhin mich zu fragen, woran das liegen könnte. Dabei war für mich interessant zu erfahren, ob das Problem des Ausbildungsabbruchs tatsächlich gravierend ist, welche Gründe für Ausbildungsabbrüche ausschlaggebend sind und ob sie sich durch geeignete präventive Maßnahmen vermeiden lassen. Zusätzlich ist wissenswert, ob sich bei Auszubildenden im Hotel- und Gaststättenbereich eine Neigung zum Ausbildungsabbruch vorzeitig erkennen lässt, inwiefern diese, falls vorhanden, mit den überfachlichen Kompetenzen der Auszubildenden zusammenhängt und welche Gründe für die Abbruchüberlegungen aus Sicht der Jugendlichen von Bedeutung sind.
Der Beantwortung der dargelegten Fragen widmet sich diese Ausarbeitung. Dazu soll zunächst ein allgemeiner Einblick in die Problematik des Ausbildungsabbruchs geschaffen werden, gefolgt von einer Auseinandersetzung mit den speziellen Herausforderungen der Ausbildungsabbrüche im Gastgewerbe. Die Erkenntnisse dieser Arbeit werden dabei von den Ergebnissen der durchgeführten empirischen Untersuchung gestützt.
Es sei angemerkt, dass in diesem Text aus Gründen der Lesbarkeit ausschließlich das männliche Genus verwendet wird, wobei damit beide Geschlechter gleichermaßen gemeint sein können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge (Lösungsquote)
Abbildung 2: Typen von Ausbildungsabbrüchen nach Faßmann
Abbildung 3: Beruflicher Verbleib nach einer Vertragslösung
Abbildung 4: Betriebsbezogene Gründe für eine Vertragslösung
Abbildung 5: Ausbildungsberufe mit den höchsten Vertragslösungsquoten im Jahr 2008 (in %)
Abbildung 6: Vermeidbarkeit des Ausbildungsabbruches
Abbildung 7: Zeitpunkt der Vertragslösung
Abbildung 8: Aufbau des Online-Selbstbeurteilungsbogens "smK+p"
Tabelle 1: Aktuelle Entwicklung neu begonnener Ausbildungsverhältnisse 2008-2009
Tabelle 2: Bevorzugter Ansprechpartner der Jugendlichen, wenn Sie über einen Ausbildungsabbruch nachdenken würden
Tabelle 3: Dimensionen des Diagnose-Verfahrens "smK+p"
Tabelle 4: Kompetenzwerte der befragten Auszubildenden
Tabelle 5: Zusammenhang zwischen Abbruchneigung und Berufswahl
Tabelle 6: Gründe für Abbruchüberlegungen
Schon 2001 stellten Deuer & Ertelt (2001) fest, „Das Problem des Ausbildungsabbruchs hat in den letzten Jahren Dimensionen angenommen, die eine bildungs- und arbeitsmarktpolitische Behandlung zwingend werden ließen und entwickelte sich zu einem festen Fragenkomplex innerhalb des dualen Ausbildungssystems“ (S. 1417). Neun Jahre später hat das Problem nichts von seiner Bedeutung und Dringlichkeit verloren. Laut dem Berufsbildungsbericht 2010 wurden im Jahr 2008 21.5% der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst. Dies entspricht 139 296 vorzeitig gelösten Ausbildungsverträgen (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung [BIBB], 2010, S. 174, Bundesministerium für Bildung und Forschung [BMBF], 2010, S. 28). Auch unter Berücksichtigung der Umstellung der Berufsbildungsstatistik ab dem Berichtsjahr 2007, den damit einhergehenden fehlenden Daten für dieses Jahr und der eingeschränkten Vergleichbarkeit mit den Vorjahren, zeigt sich im Zeitverlauf, trotz einiger Schwankungen, ein längerfristiger Anstieg der vorzeitigen Vertragslösungen (vgl. Uhly, Gericke, Lohmüller und Arenz, 2010, S. 68). So stieg von 2006 bis 2008 die Anzahl der vorzeitig gelösten Ausbildungsverträge um rund 20 000 Lösungen an (vgl. BIBB, 2010, S. 175). Insgesamt bleibt auch im Jahr 2009 das seit längerer Zeit auftretende Phänomen der häufigen Ausbildungsabbrüche bestehen (vgl. Sehrbrock, 2009, S. 9). Besonders häufig werden Ausbildungsverträge im Gastgewerbe vor Ausbildungsende gelöst. Ungeachtet dessen, dass der Beruf des Kochs dem ausbildungsstärksten Bereich Industrie und Handel zugeordnet wird, der mit einer Lösungsquote von 19.9% den Bundeswert von 21.5% unterbietet, weisen Köche eine enorm hohe Quote vorzeitiger Vertragslösungen auf. 2008 steht der Koch mit einer Vertragslösungsquote von 43.8% an dritter Stelle der Ausbildungsberufe mit den höchsten Lösungsquoten. Ähnlich hohe Werte liegen auch in den Berufen Restaurantfachmann und Fachkraft im Gastgewerbe vor (vgl. BIBB, 2010, S. 175-178). Diese Daten sprechen für eine intensive Beschäftigung mit den Ausbildungsabbrüchen im Hotel- und Gaststättenbereich, insbesondere im Beruf des Kochs.
Das Problem der steigenden Ausbildungsabbrüche wird durch den demografischen Wandel verstärkt. Im Jahr 2008 ist ein bundesweiter Bevölkerungsrückgang um rund 215 500 Personen festzustellen (vgl. Uhly et al., 2010, S. 13). Diese Verringerung, die durch sinkende Geburtenraten und eine immer älter werdende Bevölkerung ausgelöst wird, beeinflusst auch den Ausbildungsmarkt maßgeblich. Vom 1. Oktober 2008 bis zum 30. September 2009 wurden in ganz Deutschland 566 004 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Das waren 50 338 Verträge weniger als im Vorjahr, was einer Minderung um 8.2% entspricht. Im Jahr 2009 war das Ausbildungsplatzangebot mit 583 259 zwar höher als die Nachfrage nach Ausbildungsstellen (575 607), womit sich die Situation auf dem Ausbildungsmarkt für die Jugendlichen nicht wesentlich verschlechtert hat, da auch die Ausbildungsinteressenten demografiebedingt abnehmen, jedoch kann diese Begebenheit in den folgenden Jahren zu einer ernsthaften Nachwuchslücke und einem damit verbundenen Fachkräftemangel führen (vgl. BMBF, 2010, S. 9 ff.). Das Thema Ausbildungsabbruch gewinnt an Wichtigkeit, wenn man die hohe Bedeutung der dualen Berufsausbildung in Deutschland bedenkt. Diese ist nämlich, mehr als in anderen Ländern, eine Voraussetzung für den erfolgreichen Einstieg in den Arbeitsmarkt und demzufolge für die soziale Integration. Gut ausgebildete Fachkräfte sind also wichtig für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft. Doch aufgrund des drohenden Fachkräftemangels und dem erschwerten Einstieg in das Berufsleben für junge Menschen (vgl. Sehrbrock, 2010, S. 4) und vor dem Hintergrund, dass Deutschland sich mit der demografischen Entwicklung und den gesamtwirtschaftlichen Problemen, die durch Ausbildungsabbrüche entstehen, konfrontiert sieht, ist es umso bedeutsamer, das gravierende bildungspolitische Problem zu analysieren und diesem durch geeignete präventive Maßnahmen vorzubeugen.
Die beschriebene Problemstellung wird in dem vorliegenden Beitrag aufgegriffen und thematisiert. Das impliziert die Darstellung der Diagnose von Ausbildungsabbrüchen und der möglichen Maßnahmen, zu deren Vermeidung. Dabei wird zunächst die Problematik von Ausbildungsabbrüchen theoretisch behandelt. Dies beinhaltet die Erläuterung der Begrifflichkeiten, die Schaffung eines Einblicks in die Statistik vorzeitiger Vertragslösungen, die Darlegung der Arten und Folgen von Ausbildungsabbrüchen sowie des Verbleibs nach einem solchen. Ferner werden die Gründe, die für Ausbildungsabbrüche maßgeblich verantwortlich sind, geschildert. Nach der Auseinandersetzung mit dem Problem der Ausbildungsabbrüche im Allgemeinen, wird im Speziellen der Berufsbereich Hotel- und Gastronomie und insbesondere der Beruf des Kochs in Bezug auf die Daten zu berufsspezifischen Abbrüchen, die Entstehung, das Berufsbild mit den vorausgesetzten Kompetenzen und Neigungen und die Ausbildungszufriedenheit näher beschrieben. Anschließend werden denkbare Handlungsmöglichkeiten zur Vorbeugung von Ausbildungsabbrüchen beleuchtet. Im zweiten Teil dieser Ausarbeitung werden Ausbildungsabbrüche im Gastgewerbe und die Wechselwirkung zwischen den überfachlichen Kompetenzen der Auszubildenden und der evtl. vorhandenen Ausbildungsabbruchneigung anhand einer empirischen Untersuchung analysiert, um Rückschlüsse im Hinblick auf die im ersten Teil vorgeschlagenen Interventionsmaßnahmen ziehen zu können. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung und es wird ein Fazit gezogen, welches einen Ausblick in die Zukunft und Vorschläge für mögliche Handlungsstrategien zur Situationsverbesserung umfasst.
Das Ziel dieser Arbeit liegt darin, einen Diskussionsbeitrag zu dem vielschichtigen Arbeitsmarkt- und Bildungspolitischen Problem des Ausbildungsabbruchs zu leisten, wobei jedoch nicht der Anspruch erhoben wird, das Thema vollständig zu untersuchen. Im Vordergrund stehen vielmehr die Analyse von Ausbildungsabbrüchen und die Anregung zur Entwicklung geeigneter Lösungsstrategien zu deren Vermeidung. Außerdem soll die schwierige Situation von Auszubildenden im Gastgewerbe deutlich gemacht werden.
In diesem Kapitel wird die Problematik des Ausbildungsabbruchs im Allgemeinen beschrieben. Dazu haben die folgenden Abschnitte die Abgrenzung der Begriffe Ausbildungsabbruch bzw. Ausbildungsabbrecher, die zum Verständnis des Themas unabdingbar sind, zum Inhalt. Ferner liegt der Schwerpunkt dieses Textteils auf der Darlegung der statistischen Daten zu vorzeitigen Vertragslösungen und den Herausforderungen ihrer Erfassung, der Erörterung der Arten von Ausbildungsabbrüchen mit den dazugehörigen Folgen und der Darstellung des Verbleibs der Jugendlichen nach dem Abbruch. Darüber hinaus werden die möglichen Gründe, eine Ausbildung vor dem erfolgreichen Abschluss abzubrechen, beleuchtet.
Eine einheitliche Definition des Begriffs Ausbildungsabbruch sucht man vergeblich. In der Abbruchforschung wurden grundlegende Begriffe bislang entweder nicht eindeutig bestimmt oder nicht eingehalten. Dies führt im Ergebnis zu zahlreichen Missverständnissen und Unklarheiten bezüglich der Frage, was unter einem Abbruch und einem Abbrecher zu verstehen ist (vgl. Bohlinger, 2002, S. 405). Üblicherweise ist mit diesen Begriffen die Vorstellung verbunden, bei dem Abbruch handle es sich um eine endgültige Aufgabe der Chance zur Ausbildung, die von ausbildungsunfähigen- oder unwilligen Jugendlichen selbst gewählt wurde oder die sie selbst zu verantworten haben (vgl. Huth, 2000, S. 10). So „wird der Auszubildende auch dann als Abbrecher bezeichnet, wenn die Initiative zur Vertragslösung vom Ausbildungsbetrieb oder von Dritten ausgeht“ (Bohlinger, 2002, S. 405). Ein Ausbildungsabbruch beruht jedoch nicht stets auf dem Impuls des Jugendlichen, sondern kann im Gegenteil auch von dem ausbildenden Betrieb eingeleitet werden, was in den verwendeten Begriffen nicht deutlich gemacht wird.
In der offiziellen Berufsbildungsstatistik wird jede Form von vorzeitigen Vertragslösungen durch Löschungen oder Änderungen in den Lehrlingsrollen der Kammern erfasst, in denen die bestehenden Berufsausbildungsverträge eingetragen werden. Nach § 22 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) gilt eine Lösung des Ausbildungsverhältnisses vor Ablauf der Ausbildungszeit, die im Ausbildungsvertrag bestimmt wurde, als vorzeitige Vertragslösung. Dabei wird jedoch nicht angegeben, aus welchem Grund der Vertrag gelöst wurde und ob die Kündigung von Seiten des Betriebes, der Jugendlichen oder in beidseitigem Einvernehmen erfolgte (vgl. Huth, 2000, S. 10). Eine vorzeitige Lösung des Ausbildungsverhältnisses entspricht nicht einem endgültigen Ausbildungsabbruch (vgl. BIBB, 2010, S. 173). Da in den vorzeitigen Vertragslösungen die Jugendlichen erfasst werden, die während ihrer Lehre den Ausbildungsvertrag lösen, sind hierin auch zwangsläufig Berufs- bzw. Betriebswechsel enthalten (vgl. Althoff, 2002, S. 52). Zu den echten Abbrechern hingegen, zählen Jugendliche, die ihre Ausbildung endgültig abbrechen und keine neue Ausbildung aufnehmen (vgl. Jasper, Richter, Haber und Vogel, 2009, S. 5). Auch in diesem Begriff werden die Gründe für eine vorzeitige Beendigung der Berufsausbildung nicht bestimmt. Die unterschiedliche Erfassung führt in der Folge dazu, dass aufgrund der bisher veröffentlichten statistischen Daten, Fehlinterpretationen in Bezug auf das Problem der Ausbildungsabbrüche eintreten. Die echten Abbruchzahlen werden durch die Berücksichtigung aller Vertragslösungen, ohne die Beachtung des Verbleibs nach der vorzeitigen Lösung, viel höher gewertet, als tatsächlich unversorgtes Potential vorhanden ist (vgl. Huth, 2000, S. 7-10).
Dieses unterschiedliche Verständnis bzw. der unterschiedliche Gebrauch der Begriffe Ausbildungsabbruch und Ausbildungsabbrecher führt zu Problemen und Diskussionen in der Abbruchforschung, mit denen eine fehlende Klarheit in Bezug auf die Definitionen einhergeht. Trotzdem wird dafür plädiert, diese nach wie vor zu benutzen, wobei sie konsequent und neutral angewendet werden sollten und alle am Abbruch Beteiligten mit berücksichtigt werden müssen, um Missverständnisse auszuräumen und negative Assoziationen zu vermeiden (vgl. Bohlinger, 2002, S. 406 ff.). In dieser Ausarbeitung werden die Begrifflichkeiten aufgrund mangelnder geeigneter Alternativen weiterhin verwendet.
Bei der statistischen Erfassung von Ausbildungsabbrüchen existieren einige Probleme, die die Bestimmung der tatsächlichen Quote der Ausbildungsabbrüche erschweren. Hierzu gehört, dass es verschiedene Berechnungsmodelle gibt, die jeweils anders interpretiert werden müssen. So kann man die Vertragslösungen entweder auf die Neuabschlüsse oder auf den Bestand eines Jahres beziehen. „Die Bestandszahlen spiegeln eher die gesamte Ausbildungsleistung wider, die Neuabschlusszahlen bilden dagegen Entwicklungen deutlicher und zeitnaher ab“ (Uhly et al., 2010, S. 9). Die Bestandszahlen sind dabei wesentlich höher, woraus bei Bezug auf diese Daten, niedrigere Quoten resultieren. Die Tragfähigkeit beider Modelle ist fragwürdig, weswegen die optimale Berechnungsweise stark diskutiert wird (vgl. Althoff, Brosi, Troltsch, Ulrich und Werner 2003, S. 8, Werner, 2003, S. 27).
In der Berufsbildungsstatistik erfolgt eine Berechnung mit Bezug auf die Neuabschlüsse. Hierbei wird jeder Ausbildungsvertrag erfasst, der während eines Kalenderjahres abgeschlossen wird und am Jahresende noch besteht, wobei sowohl erstmalige Ausbildungsverträge, als auch Verträge nach einem einmaligen bzw. mehrmaligen Ausbildungsberufs- oder betriebswechsel, berücksichtigt werden. Die Zahl der vorzeitigen Ausbildungsvertragslösungen, die von den Kammern innerhalb eines Jahres dokumentiert werden, setzt man dann mit den Neuverträgen dieses Jahres in Relation. Neben der Erfassungsweise stellen auch zeitliche Verschiebungen eine Herausforderung dar, da ein Kalenderjahr zeitversetzt zu einem Ausbildungsjahr verläuft (vgl. Althoff et al., 2003, S. 35, BIBB, 2010, S. 173). In der Konsequenz dieses Verfahrens sind Doppelzählungen, nicht angetretene Ausbildungen und nicht fristgerechte Meldungen von Lösungen nicht ausgeschlossen und werden in der Statistik miterfasst, weswegen es nicht möglich ist, die Quote der endgültigen Ausbildungsabbrecher zu berechnen oder genaue Vertragslösungsraten zu ermitteln (vgl. Althoff et al., 2003, S. 46, Bohlinger, 2003, S. 22 f., Huth, 2000, S. 12 f). Um diese Probleme zu umgehen, „müsste die Berufsbildungsstatistik statt der neuen Verträge die eigentlichen Neuzugänge zur betrieblichen Berufsausbildung erfassen“ (Althoff, et al., 2003, S. 47). Ab dem Berichtsjahr 2007 wurde die Umstellung der Berufsbildungsstatistik von einer Aggregatdaten- auf die Individualdatenerfassung umgesetzt. Dies ist nach Werner (2003) optimal, da für jeden Ausbildungsanfänger der Verlauf dokumentiert wird (S. 27), wozu auch die Erfassung des Monats und Jahres der ausbildungsrelevanten Ereignisse gehört. Zusätzlich können so einige Berechnungsprobleme umgangen werden und es bieten sich erweiterte Analysemöglichkeiten wie z. B. die differenzierte Betrachtung von Vertragslösungen nach höchstem allgemeinbildendem Schulabschluss oder der Staatsangehörigkeit. Zur Berechnung wird in der offiziellen Statistik seit 2002 das Schichtenmodell nach Rudolf Werner, das als geeignetste Methode gilt, verwendet (vgl. Althoff et al., 2003, S. 64, BIBB, 2010, S. 173 f., Deuer, 2006b, S. 6). Dabei wird die Lösungsquote für das betrachtete Berichtsjahr näherungsweise bestimmt, um abwägen zu können, bei wie vielen neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen in den kommenden Jahren eine Lösung des Vertrags erfolgt. Folgende Formel findet dabei Anwendung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
LQ: Lösungsquote;AJ: Ausbildungsjahr;t: aktuelles Kalenderjahr;
t-1: Vorjahr;„NeuabKorr“:Neuabschlüsse + Lösungen in der Probezeit
Um die Gesamtquote des Schichtenmodells zu errechnen, addiert man die schichtweise berechnetenJahrgangsquoten. „Wenn sich das Lösungsverhalten der Kohorten im Zeitverlauf nicht wesentlich ändert, erbringt diese Methode zuverlässige Ergebnisse“ (Werner, 2003, S. 29). Sollten sich Veränderungen ergeben, wird das durchschnittliche Niveau beim Schichtenmodell über die Jahre hinweg richtig, allerdings nicht zeitpunktgenau wiedergegeben, da zwar alle Teil-Quoten der Ausbildungsjahre richtig berechnet werden, jedoch die Gesamtquote nicht kohortengenau zusammengesetzt ist (vgl. BIBB, 2010, S. 175, Werner, 2003, S. 27-30). Um die Berechnungen zu verbessern, ist eine Weiterentwicklung des Schichtenmodells, vor allem bei stärkeren Schwankungen, von Vorteil, um damit zu einer sehr leistungsstarken und robusten Formel zu gelangen (vgl. Althoff et al., 2003, S. 57 f.). In diesem Beitrag wird die Lösungsquote des Berufsbildungsberichts übernommen.
Abbildung 1: Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge (Lösungsquote)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Uhly et al., 2010, S. 68
An den, nach dem Schichtenmodell berechneten Daten, lassen sich Schwankungen der vorzeitig gelösten Ausbildungsverhältnisse erkennen. Von 1979 bis zu den 90er-Jahren stiegen die vorzeitigen Lösungen an. Ungefähr ab 1995 war zwar ein Rückgang der Ausbildungsvertragslösungen zu erkennen, diesem folgte jedoch ein erneuter Anstieg seit Ende der 90er-Jahre. Auch zwischen 2003 und 2006 gab es einen Rückgang der Lösungsquoten, wobei in 2008 in den meisten Zuständigkeitsbereichen wieder erhöhte Zahlen anzutreffen sind. Die Lösungsquoten variieren unter anderem je nach regionalen Begebenheiten und Berufsbereichen bzw. Ausbildungsberufen (vgl. BMBF, 2010, S. 28, BIBB, 2010, S. 174 f., Uhly et al., 2010, S. 68). Die erheblichen Unterschiede hierbei deuten darauf hin, „dass sämtliche Aussagen über das Ausmaß und die Umstände von Ausbildungsabbrüchen nicht zuletzt auf die Ausbildungsrahmenbedingungen der jeweiligen Branche zu beziehen sind“ (Deuer, 2006b, S. 8). Ob und inwiefern die Ausbildungsrahmenbedingungen für die äußerst hohe Lösungsquote von 43,8% im Ausbildungsberuf Koch (vgl. BIBB, 2010, S. 178) mitverantwortlich sind, soll im weiteren Verlauf dieser Arbeit untersucht werden, denn die enorme Anzahl der Vertragslösungen in diesem und in anderen Berufen des Gastgewerbes, verlangt nach einer intensiven Auseinandersetzung mit dieser Branche.
Es lassen sich drei Typen von Ausbildungsabbrüchen unterscheiden, die von dem Verbleib der Jugendlichen, im Anschluss an den Abbruch, abhängen. Nach Faßmann (1998) in Anlehnung an Feß werden in Ausbildungsabbrüche in dieser Typologie in „Abbrüche nach oben“, „horizontale Abbrüche“ und „Abbrüche nach unten“ unterteilt (S. 3). Die „Abbrüche nach oben“ stellen für die Jugendlichen eine Verbesserung ihrer Situation dar, weil in diesem Fall, bspw. durch die Aufnahme eines Studiums, weiterführende Qualifizierungswege außerhalb des dualen Systems in Anspruch genommen werden. Zu den „horizontalen Abbrüchen“ zählen die berufliche Umorientierung innerhalb des dualen Systems und die grundlegende Revision einer Berufswahl, um zu einer anderen adäquaten Ausbildung zu finden, was auch die Rückkehr in die Berufsvorbereitung beinhalten kann. Einen ersatzlosen Ausstieg aus der beruflichen Qualifizierung bedeuten die „Abbrüche nach unten“, die sogenannten „echten Abbrüche“ (vgl. Faßmann, 1998, S. 3 f., Huth, 2000, S. 11, Deuer, 2006b, S. 12). Dieser Typ des Ausbildungsabbruchs wird als sehr heikel angesehen, da er meist die Aufnahme einer an- bzw. ungelernten Tätigkeit oder Arbeitslosigkeit zur Folge hat. Somit birgt nicht jede vorzeitige Auflösung eines Ausbildungsvertrages Nachteile für die betroffenen Jugendlichen. Vielmehr kann eine Vertragslösung von den Auszubildenden durchaus als sinnvoll interpretiert werden, etwa wie im Falle einer beruflichen Umorientierung oder Weiterqualifikation (vgl. Huth, 2000, S. 11). Eine Ausbildungsvertragslösung vor dem Ende der Berufsausbildung, kann also auch als „Möglichkeit zur Revidierung einer falschen Berufswahl, als Korrektur einer Fehlentscheidung und als Chance zu einem Neuanfang bewertet werden“ (Bohlinger, 2002, S. 407). Dennoch bedeuten auch „Horizontale Ausbildungsabbrüche“ und „Ausbildungsabbrüche nach oben“ einen Bruch in der persönlichen Ausbildungs- und Berufsbiographie der Jugendlichen.
Abbildung 2: Typen von Ausbildungsabbrüchen nach Faßmann
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: vgl. Faßmann, 1998, S. 3
Ausbildungsabbrüche sind sowohl für den Betrieb als auch für den Auszubildenden mit Problemen verbunden. Den Ausbildungsunternehmen, vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), drohen zusätzliche Kosten, ungenutzte Ausbildungsressourcen und verloren gegangener Qualifizierungsaufwand. Zusätzlich entsteht ein Mehraufwand durch die Suche eines neuen Auszubildenden und es kann zu Engpässen bei der Sicherung des Fachkräftenachwuchses kommen. Demnach „wird das Phänomen des Ausbildungsabbruchs zu einem gesamtwirtschaftlichen Problem, da nicht sicher ist, ob diese Stellen wieder besetzt werden können und somit die Ausbildungskapazität zusätzlich beeinträchtigt wird“ (Deuer & Ertelt, 2001, S. 1418). Ebenso kann jede vorzeitige Vertragslösung einen Imageverlust des Betriebes nach sich ziehen und die allgemeine Haltung der Ausbilder gegenüber der Berufsausbildung negativ beeinflussen (vgl. Deuer & Ertelt, 2001, S. 1418, Deuer, 2006b, S. 17), weswegen auch ein Betrieb endgültiger Ausbildungsabbrecher sein kann. Positiv kann die vorzeitige Lösung des Vertrages für den Ausbildungsbetrieb sein, wenn diese z. B. als Korrektur einer personellen Fehlbesetzung gesehen wird (vgl. Bohlinger, 2002, S. 408). Für die Auszubildenden entsteht durch einen Ausbildungsabbruch ein Bruch in der Erwerbsbiographie (vgl. Deuer & Ertelt, 2001, S. 1418). Des Weiteren bedeutet in den meisten Fällen „eine vorzeitige Vertragslösung für den Jugendlichen eine emotionale Stresssituation und kann – je nach Situation des Betroffenen – auch mit einer finanziellen Notlage einhergehen“ (Bohlinger, 2002, S. 407). Neben den Ausbildungsbetrieben und den Jugendlichen, hat auch die gesamte Gesellschaft die Folgen von Ausbildungsabbrüchen zu tragen. Zu diesen Folgen gehören u. a. das erhöhte Potenzial für Jugendarbeitslosigkeit und die verschlechterten Rahmenbedingungen am Ausbildungsmarkt (vgl. Deuer, 2006b, S. 17). Auch volkswirtschaftliche Folgen wie z. B. Steuerausfälle, Mindereinnahmen der Sozialversicherungen und steigende Kosten für Arbeitslosengeld sind zu erwarten (vgl. Lang, 2007, S. 245).
Ferner sollten die Auswirkungen von „horizontalen Abbrüchen“ auf Jugendliche, trotz möglicher positiver Effekte, nicht unterschätzt werden. Das Risiko eines ersatzlosen Ausstiegs aus der beruflichen Qualifizierung steigt hierbei, je länger die Verweildauer außerhalb des dualen Systems ist. Findet z. B. der Jugendliche nicht direkt nach der Vertragslösung eine anderweitige adäquate Ausbildung oder einen Betrieb und muss bis zum nächsten Ausbildungsjahr warten, gehört er zu den Altbewerbern im neuen Jahr und konkurriert mit den Jugendlichen, die sich zum ersten Mal um eine Ausbildung bewerben, weswegen die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen durch den Abbruch tendenziell steigt (vgl. Deuer, 2006b, S. 17). Neben anderen Gründen, wie bspw. einer schlechten konjunkturellen und regionalen Lage, kann dies dazu führen, dass die Abbrecher schlechtere Chancen auf dem Ausbildungsmarkt haben und so in die Arbeitslosigkeit gleiten. Bei einem Berufswechsel ist ferner der Zeitverlust zu beachten, der entsteht, weil die bereits verstrichene Ausbildungszeit im deutschen Berufsbildungssystem nicht im neuen Beruf angerechnet wird. Auch für die Betriebe, Berufsschulen und Kammern sind nicht nur „Abbrüche nach unten“ problematisch. Vielmehr verursachen sowohl die Ausbildungsabbrüche zur Weiterqualifizierung außerhalb des dualen Systems, als auch die berufliche Umorientierung innerhalb des dualen Systems einen enormen Handlungs- und Verwaltungsaufwand. Werden die frei gewordenen Ausbildungsplätze erst im folgenden Ausbildungsjahr besetzt, kommen zu dem Aufwand unter Umständen wertvolle ungenutzte Ausbildungskapazitäten hinzu (vgl. Huth, 2000, S. 11 f.). Unter diesen Gesichtspunkten wird die Notwendigkeit der Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen deutlich.
Bislang existieren kaum Studien zum Verbleib von Ausbildungsabbrechern, obwohl sie für die genauere Beschreibung der Gruppe der „echten Abbrecher“ von großem Interesse sind. Die wenigen Studien, die es dazu gibt, so auch die vorliegende, sind bereits älter. Im Rahmen einer schriftlichen BIBB-Befragung von Jugendlichen über Vertragslösung und Abbruch der Ausbildung im Jahr 2002 stellte sich heraus, dass die Hälfte der befragten Jugendlichen nach der vorzeitigen Vertragslösung wieder eine betriebliche Berufsausbildung aufnahm. 14% der Jugendlichen nahmen eine anderweitige Ausbildung in Angriff. Hierzu zählt die Aufnahme eines Studiums, der Besuch einer Schule oder einer (Berufs-) Fachschule und das Ableisten von Wehr- oder Zivildienst. Ein Ausstieg aus der beruflichen Qualifizierung fand bei 28% der Jugendlichen mit einem gelösten Ausbildungsvertrag statt. Diese begannen weder eine Berufsausbildung, noch nannten sie entsprechende Pläne, weswegen sie als „echte Abbrecher“ gewertet werden können. In Bezug auf die Auszubildenden insgesamt, sind 7% bis 10% Ausbildungsabbrecher im eigentlichen Sinn, wobei im Zeitverlauf einige dieser Abbrecher noch eine Berufsausbildung beginnen (vgl. Jasper et al., 2009, S. 14, Uhly et al., 2010, S. 70).
Abbildung 3: Beruflicher Verbleib nach einer Vertragslösung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Uhly et al., 2010, S. 70
Es wird demnach deutlich, dass die meisten Jugendlichen das duale System nicht endgültig verlassen, sondern in der Qualifikationsschiene verbleiben und lediglich den Betrieb und/oder den Ausbildungsberuf wechseln (vgl. Bohlinger, 2003, S. 237), was z. B. auf Unzufriedenheit im Betrieb oder falsche Berufsvorstellungen durch mangelnde Information hindeuten könnte.
Um Ausbildungsabbrüchen vorbeugen zu können, ist es erforderlich, die Gründe für den Abbruch zu identifizieren. Diese werden, im Gegensatz zum Verbleib, seit Jahrzehnten analysiert (vgl. Huth, 2000, S. 44). Alle Studien zu den Abbruchgründen beziehen sich nur auf Teilbereiche des Themas, da es nicht möglich ist, eine umfassende Erhebung aller Branchen, Berufsgruppen und Beteiligten bundesweit durchzuführen. Demzufolge kann die Repräsentativität in den Studien zwar nur unzulänglich erreicht werden, jedoch kommen sie alle zu ähnlichen Ergebnissen, weswegen doch eine hohe Aussagekraft gegeben ist.
Die Initiative zur Vertragslösung geht überwiegend von den Auszubildenden aus. Zu diesem Schluss kommt der Großteil der Untersuchungen, wobei sich die genauen Angaben von Studie zu Studie unterscheiden. Schöngen (2003) stellt nach einer Abbruchstudie des BIBB heraus, dass 57% der Vertragslösungen von den Auszubildenden ausgehen, während 32% von den Betrieben initiiert werden und 11% der Verträge in beidseitigem Einverständnis gelöst werden (S. 7). In der EMNID-Befragung des Westdeutschen Handwerkskammertags [WHKT] (2002) sagen 64% der Jugendlichen und fast die Hälfte der Ausbilder (45%), dass der Wunsch zur Vertragslösung von den Jugendlichen ausging. Etwa jeder fünfte Ausbilder (19%) und Jugendliche (18%) gab an, dieses Bedürfnis sei auf beiden Seiten vorhanden und auf der Betriebsseite sahen 33% der Ausbilder und 16% der Jugendlichen den Wunsch zur Lösung (S. 10).
„Nur selten ist ein einziger Faktor für die vorzeitige Vertragslösung verantwortlich. Meistens kommen unterschiedliche Faktoren, häufig auch aus verschiedenen Bereichen, zusammen, die zum Abbruch der Ausbildung oder zum Wechsel des Betriebes führen“ (WHKT, 2002, S.12). Diese Tatsache muss bei der Entwicklung von Präventionsmaßnahmen berücksichtigt werden. Die Gründe für einen Ausbildungsabbruch können dabei in drei Bereichen liegen: in dem Ausbildungsbetrieb, im Privatbereich der Jugendlichen und in der Berufsschule (BS) (vgl. WHKT, 2002, S. 12), wobei diese Einteilung nur die Sicht der Jugendlichen einbezieht. Dieser Abgrenzung schließt sich Schöngen (2003) größtenteils an, der die Lösungsgründe grob in
- betriebliche Gründe,
- schulische Gründe,
- berufsbezogene Gründe,
- persönliche Gründe
untergliedert (S. 7) und damit die Bereiche um die berufsbezogene Dimension erweitert. Zu den betrieblichen Gründen gehören z. B. Konflikte mit Ausbildern und Vorgesetzten, mangelnde Ausbildungsqualität, mit der die unzulängliche Vermittlung von Fach- und Handlungskompetenz gemeint ist, betriebswirtschaftliche Gründe wie Konkurs, schlechte Ausbildungsbedingungen, zu denen bspw. ungünstige Arbeitszeiten gehören und Über- bzw. Unterforderung im Betrieb. Als schulische Gründe für einen Ausbildungsabbruch können aus Sicht der Jugendlichen Lern- und/oder Leistungsschwierigkeiten, Auseinandersetzungen mit Berufsschullehrern und Prüfungsangst angesehen werden. Berufsbezogene Gründe sind vor allem falsche Berufsvorstellungen, ungünstige Einkommenserwartungen und die Tatsache, dass der Ausbildungsberuf nicht dem Wunschberuf entspricht. Finanzielle oder familiäre Probleme, die fehlende Motivation der Jugendlichen und gesundheitliche Gründe können unter anderem zu den persönlichen Gründen gezählt werden (vgl. Schöngen, 2003, S. 7-11, Lang, 2007, S. 245 f., Bohlinger & Jenewein, 2002, S. 30, Oehme, 2002, S. 44 ff.).
2002 lagen für die meisten Jugendlichen laut der Erhebung über Vertragslösung und Abbruch der Ausbildung der BIBB die Gründe für eine Lösung des Vertrags im betrieblichen Bereich (70%). Fast die Hälfte (46%) gab persönliche Gründe, wie familiäre Veränderungen oder die Gesundheit, für die Vertragslösung an. 34% hatten für die Lösung berufsbezogene Gründe, während 19% die Gründe für die vorzeitige Beendigung in der schulischen Sphäre sahen. Die Mehrheit der Befragungsteilnehmer (60%), die betriebliche Gründe als Auslöser des Abbruchs nannten, machten hierfür Konflikte mit Ausbildern oder Betriebsinhabern verantwortlich. Ein Anteil von 43% äußerte die schlechte Vermittlung von Ausbildungsinhalten als betrieblichen Grund. Ferner wurden relativ häufig ungünstige Arbeitszeiten (31%) und ausbildungsfremde Tätigkeiten (26%) angegeben. Bei den berufsbezogenen Gründen wurde am häufigsten angegeben, dass der Beruf nicht dem Wunschberuf entspricht (48%). Falsche Vorstellungen vom Ausbildungsberuf hatten 42%. Somit wird die Bedeutung von Konflikten mit dem Ausbilder bzw. Vorgesetzten, falschen Vorstellungen vom Beruf und von der Tatsache, dass der Ausbildungsberuf nicht dem Wunschberuf entspricht, unterstrichen, da sie für Vertragslösungen sehr häufig ausschlaggebend sind und gute Möglichkeiten bieten, präventiv tätig zu werden. Bei den Gründen der Berufswahl und beruflichen Orientierung spielten die beruflichen Perspektiven und Einkommenserwartungen keine so große Rolle. In Hinsicht auf die, am zweithäufigsten angeführten, persönlichen Gründe, wurden insbesondere sonstige, gefolgt von gesundheitlichen Motiven, angegeben. Bei den, relativ selten genannten, schulischen Gründen, wurden vor allem mangelnde Vermittlung der Unterrichtsinhalte und Überforderung angeführt. Konflikte mit Lehrern kamen eher selten vor. Die Datenerhebung durch EMNID im Jahr 2002 kam zu ähnlichen Ergebnissen, so wurden von den Jugendlichen auch hier in erster Linie (53%) die Konflikte mit Ausbildern als häufigster betrieblicher Grund für einen Ausbildungsabbruch genannt (vgl. Jasper et al., 2009, S. 13, Schöngen, 2003, S. 8-11, Uhly et al., 2010, S. 70, WHKT, 2002, S. 14).
Abbildung 4: Betriebsbezogene Gründe für eine Vertragslösung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: vgl. Schöngen, 2003, S. 9
Zu diesem Resultat kommt auch Bohlinger (2003) in der Untersuchung von Ausbildungsabbrüchen im Handwerk. Hierbei ist auffällig, dass von 390 befragten Jugendlichen die Konflikte mit dem Ausbilder mit 53% den häufigsten genannten Lösungsgrund darstellen, wobei nur 21.7% der 300 Ausbilder dieser Meinung sind. Auch 69.2% der Lehrer sehen die Konflikte zwischen Ausbilder und Auszubildendem als gewichtigsten Grund. Bei den ausbildungsfremden Tätigkeiten, häufig unbezahlten Überstunden und der mangelnden Qualität der Ausbildung, ergibt sich ein ähnliches Bild. So werden diese Gründe von den Jugendlichen sehr häufig als Auslöser der Vertragslösung genannt, während äußerst wenige Betriebe die Ursachen hierin sehen. Anhand dieser und vergleichbarer Werte in den anderen Bereichen für Lösungsgründe, wird die unterschiedliche individuelle Einschätzung der Beteiligten zu den Ausbildungsabbruchgründen sichtbar, was die Komplexität des Abbruchgeschehens deutlich werden lässt (vgl. Bohlinger, 2003, S. 217-224).
Aus den ermittelten „Gründen für Ausbildungsabbrüche wurden mit Hilfe unterschiedlicher Erklärungsansätze und vermuteter Korrelationen versucht, Frühindikatoren für Abbrüche abzuleiten“ (Bohlinger & Jenewein, 2002, S. 31). Aus diesen Frühindikatoren, die zu großen Teilen den Abbruchgründen entsprechen, können Präventionsmaßnahmen hergeleitet werden, um Abbrüche in Ausbildungen zu vermeiden. Zu solchen Anzeichen für Ausbildungsabbrüche gehören z. B. schlechte Noten in der allgemeinbildenden Schule und der BS, schlechte Leistungen im Betrieb und häufiges unentschuldigtes Fehlen. Hierzu hat der WHKT Ausbilder und Jugendliche befragt, wobei Ausbilder häufig Anzeichen für einen Abbruch sahen, während die Jugendlichen selten welche wahrnahmen (vgl. WHKT, 2002, S. 11). In der vorliegenden Arbeit sollen neben der Abbruchneigung und den überfachlichen Kompetenzen der Auszubildenden, die Gründe und Anzeichen für Abbruchüberlegungen ermittelt werden, um Ausbildungsabbrüche frühzeitig zu erkennen und daraus geeignete Präventionsmaßnahmen abzuleiten.
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der speziellen Thematik des Ausbildungsabbruchs im Gastgewerbe, insbesondere im Ausbildungsberuf des Kochs. Zunächst soll hierbei das quantitative Ausmaß der Ausbildungsabbrüche anhand einiger Daten dargestellt und ein Überblick über den Kochberuf gegeben werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Entstehung des Berufes, der Schilderung des Berufsbildes und der damit verbundenen Ausbildungsorganisation sowie den Voraussetzungen, Kompetenzen, Neigungen und Interessen, die von einem Auszubildenden erwartet werden. Abschließend wird auf die Zusammenhänge zwischen der Ausbildungszufriedenheit in diesem Ausbildungsberuf bzw. der Branche und den möglichen Anzeichen für Ausbildungsabbrüche eingegangen.
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