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Mehr InfosBachelorarbeit, 2011, 102 Seiten
Bachelorarbeit
1,3
1 Einleitung
2 Grundlagen der Analyse
2.1 Sprachliche Varietäten
2.2 African American English
2.2.1 AAE im wissenschaftlichen Diskurs
2.2.2 Die Entstehung von AAE
2.2.3 Lexik
2.2.4 Semantik
2.2.5 Phonetik
2.2.6 Syntax
2.2.6.1 Aspectual Markers
2.2.6.2 Allgemeine syntaktische und morphosyntaktisch Merkmale
2.2.7 Kommunikative Praktiken
2.2.8 Das Image von AAE in der heutigen US-Gesellschaft
2.3 Deutsche Varietäten als Möglichkeit der Übertragung von AAE
2.3.1 Umgangssprache
2.3.2 Deutsche Jugendsprache
2.4. Synchronisation
2.4.1 Der Synchronisationsprozess
2.4.2 Akzeptanz von synchronisierten Filmen
2.4.3 Synchronitätsanforderungen
2.4.3.1 Quantitative Lippensynchronität
2.4.3.2 Qualitative Lippensynchronität
2.4.3.3 Nukleussynchronität
2.4.3.4 Charaktersynchronität
2.4.4 Der Synchrontext als Übersetzungsgegenstand
2.4.4.1 Unterschiede zur literarischen Übersetzung
2.4.5 Synchronisation von Dialekten
2.4.5.1 Spezielle Anforderungen bei der Synchronisation von AAE
3 Analyse
3.1 Vorgehensweise
3.2 Korpus
3.2.1 Brooklyn´s Finest (2009)
Zusammenfassung:
3.2.2 Weiße Jungs bringen´s nicht (1992)
Zusammenfassung:
3.2.3 Black & White (1999)
Zusammenfassung:
3.2.4 Menace II Society (1993)
Zusammenfassung:
4 Schlussbetrachtung
4.1 Zusammenfassung und Auswertung der Ergebnisse
4.2 Ausblicke
Quellen
Literarische Quellen
Internetquellen
Filme
Abbildungsverzeichnis
„Die Synchronisation von African American English ins Deutsche“ wurde als Thema dieser Arbeit gewählt, da Filme, in denen diese sprachliche Varietät vorkommt, oftmals mehr als unzufriedenstellend synchronisiert sind. Ich bin ein großer Filmliebhaber und beschäftige mich viel mit afroamerikanischer Jugend- und Popkultur. Daher lag es auf der Hand, diese Interessen zu verbinden, zumal der Synchronisation innerhalb der Übersetzungswissenschaft sowieso zu wenig Aufmerksamkeit zukommt. Da es sich dabei aber um ein äußerst anspruchsvolles Handwerk handelt, wie im Laufe der Arbeit noch deutlich werden wird, und da es sich bei mehr als 80% der Kinofilme in Deutschland um synchronisierte Filme handelt, die somit Millionen von Menschen erreichen, finde ich es durchaus wichtig, sich mit diesem Feld genauer zu befassen. Zudem werden dabei auch Aspekte der klassischen Übersetzungstheorie berührt.
Unter Experten besteht kein Zweifel, dass die Übertragung von Dialekten bei der Synchronisation die größte Herausforderung darstellt. Warum dies so ist und warum die Synchronisation von African American English den Synchronisateuren oft die scheinbar größten Schwierigkeiten bereitet, soll in dieser Arbeit genauer untersucht werden.
Dazu muss zunächst einmal definiert werden, was African American English genau ist und welchen Stellenwert dieser Dialekt in der amerikanischen Gesellschaft genießt. Dies geschieht in den ersten zwei Kapiteln. Anschließend wird untersucht, welche deutschen Varietäten zur Verfügung stehen, um African American English in der Synchronfassung funktionsäquivalent wiederzugeben.
Im letzten Kapitel des Theorieteils wird dann näher beschrieben, wie die Synchronisation eines Films vonstattengeht, und welche Anforderungen dabei beachtet werden müssen. Aufbauend auf den vorherigen Kapiteln wird dann auch die Synchronisation von Dialekten und African American English im Speziellen besprochen.
Im Analyseteil wird das theoretisch erarbeitete Wissen dann anhand von praktischen Beispielen untersucht, und es wird sich zeigen, welche Mängel in der Praxis bestehen, welche Vorgehensweisen sich als positiv herausstellen und welche Verbesserungsvorschläge gemacht werden können.Aufgrund der hohen Redundanz soll African American English von nun an mit AAE abgekürzt werden. Das Thema dieser Arbeit macht es nötig, auch auf vulgäre Sprache und Schimpfwörter einzugehen. Da es sich um eine praxisorientierte Arbeit handelt, würde es nichts bringen, diese Art von Sprache, die in der Realität nun mal dazugehört, auszuklammern.
Bei der Sprache eines Landes handelt es sich nie um ein einheitliches Sprachsystem, sondern vielmehr um ein Diasystem, also um eine Vielzahl von Sprachsystemen, die nebeneinander existieren und sich gegenseitig beeinflussen (vgl. Pelz, 1996, S. 219). In so gut wie jedem Land gibt es eine Standardvarietät, oftmals auch Standardsprache oder Hochsprache genannt, die als Norm gilt (vgl. www.christianlehman.eu). Diese wird z.B. als Schul-, Verwaltungs- oder Literatursprache verwendet (vgl. Pelz, 1996, 221). Daneben existieren noch diatopisch (regionale), diastratisch (soziale) und diaphasisch (funktionale) Varietäten.
Erstere werden Dialekte genannt und bezeichnen diejenigen sprachlichen Varietäten, die in bestimmten Regionen gesprochen werden und sich von den Varietäten anderer Regionen unterscheiden (vgl. ebd, 19f). Wann es sich dabei um Dialekte und wann um eigene Sprachen handelt, ist aus linguistischer Sicht schwierig zu sagen und meist eher politisch motiviert (vgl. Smitherman, 2000, S.13). So gelten z.B. Serbisch und Kroatisch seit den Balkankriegen als eigene Sprachen, wobei sich Serben und Kroaten problemlos miteinander unterhalten können, während es verschiedene Dialekte von Mandarin gibt, die so unterschiedlich sind, dass sich die Sprecher nicht mehr verstehen können.
Diastratische Varietäten werden als Soziolekte bezeichnet. Diese repräsentieren das Sprachverhalten einer abgrenzbaren Gruppe von Individuen (Kubzac, 1979, S. 94). Meistens wird der Begriff Soziolekt verwendet, um die Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht zu bezeichnen. Der Schichtbegriff ist jedoch nicht unumstritten, da er recht willkürlich verwendet werden kann (ebd, S.96). Einige Kriterien für die Zuordnung eines Individuums zu einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht können jedoch Macht, Prestige oder Besitz sein (Steinig, 1976, S.25). Das mitunter wichtigste Kriterium ist wohl jedoch Bildung, da Akademiker generell einen hohen sozialen Status besitzen und üblicherweise auch mehr verdienen als normale Arbeiter. Doch nicht nur soziale Schichten verfügen über eigene Soziolekte, auch Altersgruppen (z.B. Jugendsprache), Berufsgruppen (z.B. Fachsprachen) oder ethnische Gruppen (z.B. Romani) können ihre eigenen Soziolekte haben (vgl. Pelz, 1996, 223). Generell ist jedoch zu sagen, dass Soziolekte meist wesentlich schwieriger eingrenzbar sind als Dialekte, da diese generell konkreter sind und sich durch lexikalische, phonetische, morphologische, semantische und syntaktische Merkmale meist deutlich voneinander unterscheiden lassen (www.uni-protokolle.de). Ein weiterer Unterschied zum Dialekt ist auch die Tatsache, dass Soziolekte gesellschaftlich immer positiv oder negativ konnotiert sind (vgl. Steinig, 1976, S.16). Sie erlauben es dem Hörer, den Sprecher in der sozialen Ranghierarchie ungefähr einordnen zu können.
Diaphasische Varietäten sind Funktionsvarietäten. Diese bezeichnen verschiedene Stile oder Register. Einige Beispiele wären Umgangssprache, prosaischer oder poetischer Stil, Vulgärstil, usw. Diese Varietäten werden je nach Anlass gewählt (vgl. christianlehman.eu).
In der Realität überschneiden sich diatopische, diastratische und diaphasische Varietäten jedoch oftmals. So ist die Umgangssprache in Deutschland so gut wie immer regional gefärbt und ein Dialekt kann auch gleichzeitig ein Soziolekt sein, wenn er nämlich positiv oder negativ konnotiert ist.
African American English soll in dieser Arbeit als Dialekt bezeichnet werden. Es handelt sich zwar auch um einen Soziolekt, da es die Sprache einer ethnischen Gruppe ist, allerdings verfügt AAE über feste Regeln was Lexik, Phonetik, Morphologie, Syntax und Semantik angeht, weshalb es eher einem Dialekt ähnelt. Eine wirklich eindeutige Zuordnung ist jedoch nicht möglich, da AAE, wie später noch ausführlicher dargestellt wird, weder auf eine bestimmte Region noch auf eine bestimmte soziale Schicht beschränkt ist, was diese Varietät von normalen Dialekten oder Soziolekten abhebt.
Es gibt in den USA etwa 37,3 Millionen Menschen, die afroamerikanischer Herkunft sind, was etwa 12,4 % der Gesamtbevölkerung ausmacht (vgl. www.factfinder.census.gov). Etwa 80% der Afroamerikaner sprechen immer oder zumindest hin und wieder African American English (vgl. www.encyclopedia.com). Viele der AAE-Merkmale werden dabei überregional verwendet und auch die Lexik ist selten regional gebunden (vgl. Green, 2002, S.19), was diesen Dialekt von den anderen US-Dialekten abhebt. Dennoch ist die Frage nach der Regionalität von AAE derzeit noch nicht ganz geklärt. Die Supraregionalität von AAE galt lange Zeit als Axiom, doch besonders Wolfram stellte diese jüngst in Frage (vgl. www.ncsu.edu) und auch Green räumt ein, dass kleine regionale Unterschiede existieren (2002, S.1f). Was soziale Unterschiede angeht, so kann man sagen, dass niedrigere soziale Schichten generell stärker ausgeprägtes AAE sprechen, was sich daran messen lässt, wie oft bestimmte AAE-Merkmale verwendet werden. Doch auch wenn solche sozialen Unterscheide bestehen, so lassen sich auch in der Sprache der oberen Mittelschicht noch einige AAE-Merkmale finden (vgl. Rickford, 1999, S.9-11). Man kann also sagen, dass AAE in ganz Amerika von Afroamerikanern aus allen Schichten hin und wieder gesprochen wird.
Im Laufe der Jahre hatte AAE viele Namen, wie Negro Dialect oder American Negro Speech, doch heutzutage sind die gebräuchlichsten Bezeichnungen African American (Vernecular) English, Black English und Ebonics (vgl. Green, 2002, S. 6). Auch der wissenschaftliche Diskurs über AAE hat sich im Laufe der Zeit verändert. Bis in die 1940er waren die soziolinguistischen Arbeiten über die Sprache der Schwarzen stark vom sogenanntenbiologischen Determinismusgeprägt. Diese Theorie besagte, dass die Schwarzen der kaukasischen Rasse unterlegen seien, und dass insbesondere ihr Verstand nicht zu den gleichen Leistungen fähig sei, wobei sie oft mit Kindern verglichen wurden. Die (weißen) Soziolinguisten waren, geblendet von diesem Gedanken, folglich der Meinung, dass AAE defizitär sei und nannten es eine Babysprache. Nur einige wenige schwarze Sprachwissenschaftler (wie DuBois oder Turner) versuchten, die Sprache der Afroamerikaner zu verteidigen. Während man anschließend in den vierziger und fünfziger Jahren bemüht war, die Unterschiede zwischen Schwarzen und Weißen herunterzuspielen, um so die Wogen zu glätten, beschäftigte man sich in den sechziger und siebziger Jahren, als die schwarze Bürgerrechtsbewegung aufkam, erstmals wirklich gründlich und unvoreingenommen mit der Sprache der Schwarzen (vgl. insgesamt Smitherman, 2000, S.67-92).
Mittlerweile wird AAE, vor allem dank Linguisten wie Smitherman, Labov, Wolfram, Dillard, Green und vielen weiteren, als legitimes Sprachsystem anerkannt, das festen Regeln folgt. Seit es zum Umschwung in der Black Power Ära kam, findet man in wissenschaftlichen Arbeiten oftmals sogar eine positive Einstellung gegenüber AAE vor. So beschrieb Kochman AAE bereits 1981 als leidenschaftlich und belebt, während er die Sprache der weißen Amerikaner als zurückhaltend und kühl charakterisierte (vgl. 1981, S.18). Dennoch genießt AAE in der Gesellschaft auch heutzutage noch sehr wenig Ansehen und steht in der Hierarchie der US-Dialekte weiterhin ganz unten (vgl. Smitherman, 2000, S.102).
Auch wenn es im Laufe der Zeit unzählige Arbeiten über AAE gegeben hat, so ist die Entstehung dieser sprachlichen Varietät doch immer noch nicht wirklich geklärt und oftmals ein Stein des Anstoßes, da es sich auch um eine Prestigefrage handelt.
Ein Problem ist, dass es zu wenig empirische Daten über die Sprache der ersten Sklaven in Amerika gibt (vgl. Smitherman, 2000, S.30). Eine weitere Schwierigkeit ist, dass die Entwicklung einer Sprache etwas sehr organisches ist und theoretisch nur schwer erfasst werden kann. Außerdem war die Sprachsituation in den neuen Kolonien Amerikas sehr kompliziert. Die Sklaven kamen aus verschiedenen afrikanischen Ländern und hatten möglicherweise schon dort Pidginsprachen entwickelt. Auf den Feldern arbeiteten die Sklaven mit britischen Schuldknechten zusammen, die verschiedene englische Dialekte sprachen, was die Entwicklung von AAE ebenfalls beeinflusst haben muss (vgl. www.homepages.rootsweb.ancestry.com).
Aus diesen Gründen sind alle Theorien über die Herkunft von AAE sehr spekulativ und auch rassistische Ansichten sind aus der Wissenschaft noch nicht ganz verschwunden. Generell gibt es jedoch heutzutage für die Entstehung von AAE in der Wissenschaft zwei grundlegende Theorien:
- die Creolist Theory
- die Anglicist / Dialectologist Theory
Befürworter der ersten Theorie sind beispielsweise Smitherman, Holm, Labov, Rickford und Singler. Diese besagt, dass Afrikaner, die als Sklaven nach Amerika kamen, bereits voll funktionsfähige Kreolsprachen entwickelt hatten (vgl. Green, 2002, S.9). Diese könnten in den sogenannten „slave castles“ in Westafrika entstanden sein, wo die Sklaven oftmals lange Zeit auf ihre Verschiffung in die Neue Welt gewartet haben (vgl. Smitherman, 2002, S.34).
Was für diese Theorie spricht, ist die Tatsache, dass einige distinktive Merkmale des frühen und auch des heutigen AAE in verschiedenen Kreolsprachen, wie sie beispielsweise in Jamaika, Haiti, Grenada oder Guyana gesprochen werden, ebenfalls vorkommen. So kommt auch Green zu folgendem Ergebnis: „Several of the features of the earlier AAVE vowel system that do not appear in comparable white vernaculars have parallels in these creoles […] their presence reflects a shared heritage with the creoles” (1998, S.97). Auch Ähnlichkeiten zu westafrikanischen Sprachen lassen darauf schließen, dass AAE nicht einfach nur ein Überbleibsel ausgestorbener englischer Dialekte ist, sondern dass dieser Varietät, wie den anderen Kreolsprachen, die Strukturen westafrikanischer Sprachen zugrunde liegen. Beispiele für solche Merkmale sind das Vermeiden des „th“ Lautes, den es in westafrikanischen Sprachen nicht gibt; Worte wie jive, jazz oder okay, die von afrikanischen Wörtern abgeleitet sind; das Wegfallen desram Wortende (vgl. insgesamt Smitherman, 2000, S.20/21) oder der Markerdən, der in karibischen Kreolsprachen vorkommt (vgl. Labov, 1998, S. 253). Das wichtigste AAE-Feature für die Untermauerung dercreolist theoryist jedoch die sogenanntecopula absence.Das bedeutet, dass vor allem bei der dritten Person keine Form von „to be“ verwendet wird, wie beispielsweise in dem Satz „She a nice girl“. Dieses Merkmal wird sofort mit Afroamerikanern assoziiert und findet sich in keiner anderen amerikanischen oder britischen Varietät, jedoch in einigen Kreolsprachen (vgl. Smitherman, 2000, S.31).
Diedialectologist theory, die unter anderem von Poplack, Krapp, Kurath, Johnson und Schneider unterstützt wird, geht davon aus, dass alle Charakteristika des AAE auch in anderen englischen Varietäten und in früheren Formen der englischen Sprache vorgefunden werden können (vgl. Green, 2002, S.9). Poplack ist der Meinung: „the grammatical core of contemporary AAVE developed from an English base, many of whose features have since disappeared from all but a select few varieties” (2000, S.1). In ihrem Buch will Poplack mithilfe von quantitativen Erhebungen beweisen, dass sämtliche charakteristischen AAE-Merkmale ausschließlich auf frühere englische Varietäten zurückzuführen sind. Auch der Linguist Dr. John McWhorter sagte 2010 in einem Interview:
„I think that all of us agree that the West African connection is quite minor and very hard to exactly put your finger on. So, for example, the habitual be is something that you can hear Irish-English speakers doing all the time […] It can be quite counterintuitive, but those [englische Varietäten; Anm. d. Verf.] are the principal sources of the language of black people in the United States” (www.npr.org).
Die Behauptung, dass AAE keine oder kaum afrikanische Wurzeln habe, impliziert allerdings, dass auch die afrikanische Kultur durch die Versklavung und Zwangsarbeit ausradiert wurde. Für Smitherman ist daher dieDialectologist Theorydie linguistische Version der sogenanntenTabula Rasa Theory.Diese geht davon aus, dass durch die Sklaverei bei den schwarzen Sklaven eine Art kulturelleTabula Rasaentstand, die dann mit der Kultur der europäischen Amerikaner gefüllt wurde, und dass die bestehenden Unterschiede zur Kultur der Weißen nur auf Armut und Not zurückzuführen sind. Die Behauptung, dass AAE somit nur veraltetes „White English“ sei, heißt für Smitherman folglich im Klartext, dass die Afroamerikaner keine eigenen kulturellen Wurzeln besitzen, und dass sie zu den Weißen immer noch nicht aufgeschlossen haben, da sich bei ihnen kein entsprechender Sprachwandel vollzogen hat (vgl. hierzu insgesamt Smitherman, 2000, S.30f). Daher ist verständlich, dass vor allem schwarze Linguisten diedialectologist theorymeist prinzipiell ablehnen (DuBois tat dies schon 1903).
Für Smitherman besteht Sprache zudem nicht nur aus Worten und Grammatik, sondern auch aus Sprachpraktiken und Denkweisen, und diese können auch durch die unmenschlichste Sklaverei nicht ausgelöscht werden (2000, S.33). Für sie setzt sich AAE daher folgendermaßen zusammen: die Lexik kommt aus dem Englischen; bei der Syntax, Phonologie und Semantik findet sich eine Mischform aus afrikanischen Sprachen und Englisch; und die Sprachpraktiken, die für sie das Entscheidende an AAE sind, müssen eindeutig Afrika zugeordnet werden (ebd, S.101).
Wie fast alle Dialekte verfügt auch AAE über ein individuelles Vokabular. Die Worte wurden dabei größtenteils der Standardsprache entnommen und mit einer neuen Bedeutung versehen. Bildungs-, Klassen- oder regionale Unterschiede spielen bei der Verwendung des AAE-Wortschatzes keine entscheidende Rolle und stellen keine wirkliche Barriere dar. Vielmehr muss zwischen verschiedenen Altersgruppen differenziert werden, da es einige Begriffe gibt, die generationsübergreifend verwendet werden und die bereits lange existieren, und andere, die hauptsächlich von jüngeren Afroamerikanern verwendet werden und als Slang bezeichnet werden können (vgl. Green, 2002, 19).
Ein Beispiel für erstere Kategorie wäre z.B. der Begriff „kitchen“, der das für Schwarze typische krause Nackenhaar bezeichnet. Hier wurde auch ein Standardbegriff genommen und mit einer neuen Bedeutung versehen (vgl. ebd, 2002, 19-31). Der AAE-Begriff ist somit ein Neosemantismus und auch ein Homonym zum Standardbegriff, denn beide Begriffe bezeichnen völlig verschiedene Dinge. Warum es sich hierbei um einen generationsübergreifenden Begriff handelt, wird schnell klar, denn es wird eine zeitlose Eigenheit der schwarzen Lebenswelt bezeichnet.
Für die Filmsynchronisation sind diese Begriffe jedoch eher zweitrangig, da AAE in Filmen hauptsächlich dazu verwendet wird, ein Straßen- oder Gangstermilieu authentisch abzubilden, wofür vor allem Begriffe letzterer Kategorie, also Slangwörter, dienlich sind. Daher soll der Fokus bei der Lexik auch auf diesen Begriffen liegen[1].
Auch beim Slang werden Wörter aus der Standardsprache entnommen und mit einer neuen Bedeutung versehen (vgl. Peer, 2006, S.42). Besonders Metaphern spielen bei der Bildung von Slangbegriffen eine große Rolle. Ein Beispiel hierfür wäre „He is on a trip“, was bedeutet, dass jemand auf Droge ist. Der verstorbene englische Autor Gilbert K. Chesterton hat sogar einmal gesagt, „All slang is metaphor. And all metaphor is poetry“ (www.dictionary-quotes.com). Dabei ist es jedoch schwer einzugrenzen, was nun alles wirklich als Slang bezeichnet werden kann, denn genau genommen gelten umgangssprachliche Ausdrücke, Tabuwörter und Argot (Gaunersprache) nicht wirklich als Slang (vgl. Peer, 2006, S.38f). Weil die Grenzen aber derart verschwimmen, da beispielsweise beliebte Slangausdrücke auch in die Umgangssprache eingehen können und Slang durchaus Tabuwörter enthalten kann, soll diese Unterscheidung hier nicht allzu genau genommen werden.
In den USA gibt es eine unüberschaubar große Zahl an Slangbegriffen, und es stoßen ständig neue hinzu, da sich diese über das Internet viel schneller verbreiten können, als es früher der Fall war[2]. Doch nur Begriffe, die eine längere Zeit Bestand haben und eine gewisse Bekanntheit erlangen, z.B. durch die Verwendung in Liedtexten, werden in Filmdialogen auch wirklich häufiger verwendet, da das amerikanische Durchschnittspublikum sonst wahrscheinlich kein Wort mehr verstehen würde. Erlangen Begriffe aber eine große Beliebtheit, kann es vorkommen, dass sie sogar in Deutschland gebräuchlich oder zumindest verständlich werden, was bedeuten würde, dass sie bei der Synchronisation beibehalten werden könnten. Beispiele hierfür wären z.B. „posen“ oder „dissen“. Allerdings können Begriffe in den USA auch sehr schnell wieder aus der Mode geraten, wie es z.B. beim Wort „phat“ (variierende Schreibweise von „fat“) der Fall war, das in der deutschen Hip Hop Szene noch verwendet wurde, als es in den USA unter Schwarzen bereits obsolet geworden war, da es von zu vielen Weißen gebraucht wurde, was für jedes schwarze Slangwort ein Todesurteil ist (vgl. Green, 2002, S.27).
Eine in Filmen besonders häufig vorkommende Kategorie von Slangbegriffen sind Personenbezeichnungen. Hierbei sind vor allem Formen der Anrede von Bedeutung. Einige bekannte Begriffe für männliche Personen wären: „homes“, „player/playa“, „homey“, „cat“, „balla“ oder auch „nigga“. Begriffe für weibliche Personen wären z.B.: „dime“, „honey“, „ma“ oder „shorty“. Und einige dieser Ausdrücke, wie „homes“ oder „ma“, werden auch in deutschen Synchronfassungen bereits durchaus verwendet.
Eine weitere wichtige Kategorie sind Begriffe, die in der Halbwelt gebräuchlich sind, die also etwas mit Drogen, Kriminalität oder Ähnlichem zu tun haben. Drogenbezeichnungen wären z.B. „brick“ (ein Päckchen Kokain), „rock“ (Crack), „kilo/snow/powder“ (Bezeichnungen für Kokain), „dope/ganja/buddah/purple“ (Marihuana) und vieles mehr. Da diese Begriffe besonders in Gangsterfilmen häufig vorkommen, sollten sie nicht einfach nur mit Kokain oder Marihuana übersetzt werden, da dadurch viel an Atmosphäre verloren geht, und sich auch im Deutschen zumindest ein paar umgangssprachlich Begriffe wie „Stoff“ oder „Gras“ finden lassen.
Begriffe, die im weitesten Sinne mit Kriminalität zu tun haben, wären z.B.: „cap/bust/smoke/wet someone“ (jemanden erschießen), „nine/steele/hammer/toaster oder toast“ (Handfeuerwaffe), „stick up“ (Überfall), „brick/joint“ (Gefängnis) und „popo/the Man/Feds/pigs/5-0“ (Polizei). Es gibt für jeden dieser Begriffe oft noch dutzende weiterer Synonyme, jedoch ist so gut wie keiner dieser oder der genannten Begriffe annähernd bekannt genug, um ihn auch im Deutschen zu verwenden, weshalb auf deutsche Äquivalente ausgewichen werden muss[3]. Allerdings ist die Anzahl der im Deutschen zur Verfügung stehenden Begriffe im Vergleich verschwindend gering. So bieten sich z.B. außer dem Wort „Knarre“ nicht wirklich viele Möglichkeiten, eine Pistole umgangssprachlich zu bezeichnen, während es im Englischen neben den oben genannten Begriffen sicherlich noch dutzende weiterer Alternativen gibt, so dass bei der Synchronisation von slanglastigen Dialogen die sprachliche Vielfalt des Originals niemals wirklich erreicht werden kann.
Eine letzte Kategorie von Slangwörtern, die noch betrachtet werden soll, sind Bezeichnungen für materielle Güter, da diese Begriffe gerade in modernen Filmen häufig vorkommen. So sind die bekanntesten Bezeichnungen für Geld „cheese/cake/cream/benjis(benjamins)/dead presidents/paper/dough“ für Autos „whips“ oder „wheels“ und für Schmuck „ice“ oder „bling“. Gerade die Bezeichnungen für Geld wie z.B. „dead presidents“ (auf den Dollarscheinen sind die Gesichter verstorbener Präsidenten) oder „cream“ (Akronym fürcashruleseverythingaroundme) zeigen, wie originell und clever viele Slangausdrücke tatsächlich sind, und lassen erkennen, warum es bei dieser Art von Sprache unmöglich erscheint, in der Synchronfassung dem Original wirklich gerecht zu werden.
Ein weiteres Merkmal der AAE-Lexik, das die Synchronisation ebenfalls ungemein erschwert, ist die sogenannteSemantische Inversion. Dies bedeutet, dass eigentlich negativ konnotierte Wörter wie „bad“ oder „stupid“ im AAE eine positive Bedeutung bekommen (vgl. Rickford, 1998, S. 221; Smitherman, 2000, S.26). So z.B. bedeutet „mad stupid“ in etwa „total super“ und nicht „total bescheuert“, wie im Standardenglischen. Einige weitere Beispiele, bei denen die semantische Inversion zum Einsatz kommt, wären „tight“, „down“, „dope“, „crazy“ oder „funky“. Es ist gut vorstellbar, dass diese Eigenheit des AAE leicht zu Fehlern bei der Übersetzung führen kann, besonders wenn man die Qualifikationen des Rohübersetzers bedenkt, wie in 2.4.1 genauer beschrieben wird.
Bei einigen Begriffen, die in der Standardsprache ausschließlich negativ konnotiert sind, kann es sogar sein, dass diese sowohl positiv als auch negativ gemeint sein können. Hier wird das Konzept von Konnotation und Denotation vollends aufgehoben, und es kann nur noch aus dem Kontext erschlossen werden, wie eine Aussage wirklich gemeint ist. Ein Beispiel wäre der Ausdruck „nigga“. Für Deutsche ist dieser Begriff ganz eindeutig negativ konnotiert und wird als absolut verletzend und rassistisch empfunden. Im Englischen kann dieser Begriff jedoch mittlerweile in keinster Weise mehr so deutlich eingeordnet werden und kann positiv, negativ oder sogar neutral verwendet werden (vgl. Smitherman, 2000, S. 362). Was wirklich gemeint ist, erschließt sich nur aus dem Kontext. So wäre beispielsweise „That´s my nigga“ positiv gemeint, „I´m not a house nigga[4]” negativ gemeint, und „Whadup (What`s up) nigga” wäre eher neutral zu verstehen. Allerdings müssten dann auch noch Faktoren wie Intonation oder ethnische Zugehörigkeit der Sprecher berücksichtigt werden. So ist es für Weiße in den meisten Fällen immer noch tabu, einen Schwarzen „nigga“ zu nennen, während es durchaus sein kann, dass sich Weiße gegenseitig als „nigga“ bezeichnen, und dies positiv oder neutral meinen. Man denke nur an den bekannten Film „Kids“ von Larry Clark, in dem sich weiße Jugendliche dauernd auf diese Weise anreden. Auch Begriffe wie „bitch“, „muthafucka“ oder „shit“, können auf vielerlei Weise gemeint sein, was einen Übersetzer, der mit AAE keine Erfahrungen hat, vor große Schwierigkeiten stellen kann. So ist auch die Synchronautorin/regisseurin Nadine Geist, die auf „schwarze“ Filme spezialisiert ist, der Meinung, „Die schwarze Szenesprache ist derart codiert, dass man immer hinterfragen muss, was wollen die Leute eigentlich sagen", und dass Wörter wie „shit“ „hundertfünfzig Bedeutungen haben können“ (www.goethe.de).
Smitherman nennt AAE ebenfalls „coded form of English“. Für sie ist AAE eine Art Geheimsprache, die es den Sklaven ermöglichen sollte, Inhalte zu chiffrieren, damit sie von den Sklavenhaltern nicht verstanden wurden (vgl. Smitherman, 1998, S.222).
Auch wenn Afroamerikaner grammatikalisch korrektes Standardenglisch sprechen und keine AAE-Begriffe verwenden, lässt sich oft dennoch allein an der Aussprache und Sprechweise erkennen, dass es sich um Schwarze handelt (vgl. Bailey und Thomas, 1998, S.103). Sieht man sich z.B. den Zeichentrickfilm „Der König der Löwen“ auf Englisch an, fällt einem sofort auf, dass die Anführerin der Hyänen von einer Schwarzen (Whoopi Goldberg) gesprochen werden muss. Was genau jemanden jedoch „schwarz“ klingen lässt, soll im Folgenden genauer betrachtet werden.
Das am häufigsten untersuchte phonetische Merkmal dieser sprachlichen Varietät ist die sogenannteFinal Consonant Cluster Reduction.So werden beispielsweise die Worte „test“ oder „kind“ von AAE-Sprechern als „tes“ oder „kin“ ausgesprochen. Jedoch gibt es bei derCluster Reductioneinige Regeln zu beachten, denn nicht alle Konsonantenpaare am Wortende werden verkürzt. So kommt es zunächst darauf an, ob die Konsonanten stimmhaft (wiep,t,k,s,f) oder stimmlos (wieb,d,g,z,v,l,m,n) sind. Nur Kombinationen von zwei betonten oder zwei unbetonten Konsonanten werden reduziert. So fällt beim Wort „wasp“ daspweg, während dasgin „sing“ beibehalten wird. Des Weiteren muss darauf geachtet werden, ob an das Wort ein Suffix angehängt wird. Cluster,die vor einem Suffix stehen, das mit einem Konsonant beginnt, werden öfter verkürzt als vor Suffixen, die mit einem Vokal beginnen. Auch wenn das Folgewort mit einem Vokal beginnt, wird eineCluster Reductionunwahrscheinlicher. Sogar die Pluralbildung wird durch die Verkürzung eines Konsonantenpaares beeinflusst, so ist z.B. der Plural des verkürzten Wortes „tes“ auch „teses“. DieCluster Reductionfindet sich auch in anderen amerikanischen Varietäten, sie könnte aber dennoch ein Indiz für die afrikanischen Wurzeln des AAE sein, da es in westafrikanischen Sprachen keine Konsonantenpaare am Wortende gibt (vgl. hierzu insgesamt Green, 2002, S.107-116; Rickford, 1999, S.4).
Auch das Wegfallen des -ram Wortende könnte ein Hinweis auf den Einfluss westafrikanischer Sprachen sein. Vor allem die Sprech- oder Schreibweise von „more“ als „mo´“ findet sich oft, man denke an den Hit „mo´ money mo´ problems“ von Biggie Smalls.
Auch am Wortanfang kann verkürzt werden, so kann eine unbetonte Silbe am Wortanfang weggelassen werden. Besonders die Aussprache von „about“ als „´bout“, wie in „tell me ´bout that“, hört man im AAE oft.
Ein weiteres wichtiges phonetisches Merkmal ist das Vermeiden des „th“ im AAE. Zunächst muss jedoch unterschieden werden, denn es gibt im Englischen zwei „th“, die gleich geschrieben, aber unterschiedlich gesprochen werden. Das stimmhafte „th“, wie beispielsweise in dem Wort „them“, wird im AAE wie eindausgesprochen, also „dem“. Dies ist jedoch keine allzu auffällige Veränderung. Beim stimmlosen „th“, wie beispielsweise in „with“, findet eine deutlichere Transformation statt. Dieses „th“ wird nämlich wie einfoder manchmal wie einvausgesprochen, so dass „with“ zu „wif“ oder „bath“ zu „baf“ wird. Allerdings ist dies nicht der Fall, wenn das stimmlose „th“ am Wortanfang kommt, wie bei „think“ (vgl. Rickford, 1999, S.4).
Ebenfalls ein wichtiges Charakteristikum ist die Verkürzung des Suffixes „-ing“ zu „in´“. So wird z.B. „drinking“ als „drinkin´“ ausgesprochen. Diese Verkürzung findet jedoch auch in anderen Varietäten und manchmal auch in der Umgangssprache statt (vgl. Green, 2002, S. 121f).
„It`s a black thang“ ist in Amerika ein bekannter Ausspruch, in welchem ein weiteres signifikantes Merkmal enthalten ist, das jemanden als AAE-Sprecher kennzeichnet. Endet ein Wort auf „ing“ oder „ink“, wird dies von AAE-Sprechern oft als „ang“ oder „ank“ ausgesprochen. So wird „thing“ zu „thang“ oder „drink“ zu „drank“ (vgl. Smitherman, 2000, S.274). Auch in Südstaatendialekten, die AAE von allen Dialekten am ähnlichsten sind, gibt es diese Veränderung manchmal.
Weitere Merkmale sollen hier nicht näher behandelt werden, da diese oft ebenso charakteristisch für andere Dialekte sind und daher nicht unbedingt als typisch „schwarz“ angesehen werden, oder da diese zu selten vorkommen[5]. Die oben beschriebenen Charakteristika sind sicherlich die typischsten phonetischen Merkmale des AAE und besonders Ausdrücke wie „thang“ werden von Afroamerikanern in Filmen sehr häufig verwendet, um besonders „schwarz“ und glaubwürdig zu klingen.
Doch nicht nur die abweichende Aussprache einzelner Wörter kann eine Person als AAE-Sprecher kennzeichnen, auch Suprasegmentalia tragen dazu bei, dass jemand „schwarz“ klingt. Dazu gehören vor allem Intonation und Betonung. Wolfram/Fasold und Rickford waren bereits in den Siebzigern davon überzeugt, dass Schwarze, die kein AAE sprechen, nur anhand der Intonation, also anhand der Modulation der Stimme, ethnisch zugeordnet werden können. Allerdings ist dieser Umstand laut Green bis heute noch nicht ausreichend erforscht worden. Worin jedoch Einigkeit besteht, und was auch Nicht-Muttersprachlern auffällt, ist die Tatsache, dass schwarze Sprecher oft eine wesentlich größere „pitch range“ haben als Weiße. Das heißt, das Spektrum ihrer Stimme ist wesentlich breiter und ihre Stimmlage schwankt vielmehr zwischen Höhen und Tiefen. Vor allem im erregten Zustand geht die Stimme in hohe Lagen und verfällt oft ins Falsett. Laut Green wird diese für Afroamerikaner typische Intonation oftmals fälschlicherweise als Aggressivität oder Indignation missinterpretiert (vgl. insgesamt Green, 2002, S.124-132).
Auch die Betonung mancher Wörter weicht im AAE vom Standard ab, so wird bei Worten wie „police“ oder „Detroit“ die erste Silbe betont, also „POlice“ und „DEtroit“ (vgl. Rickford, 1999, S.5). Dies geschieht jedoch nur bei einigen wenigen Wörtern und wie die anderen phonetischen Merkmale betrifft dies die Synchronisation nur indirekt, was in 2.4.5 noch genauer erläutert wird.
Auch was die Syntax angeht, verfügt AAE über einige distinktive Merkmale. Gerade was die Grammatik angeht, kann bei Menschen, die sich mit diesem Dialekt nicht beschäftigt haben, leicht der Eindruck entstehen, dass es sich einfach um falsches Englisch handelt, das auf geringe Bildung zurückzuführen ist. Sätze wie „I walks to school the other day…“ oder „they is eating…“ hören sich zunächst schlichtweg inkorrekt an. Allerdings handelt es sich bei der AAE-Grammatik um ein logisch aufgebautes, teilweise sehr nuanciertes System, das genau wie Standardenglisch festen Regeln folgt. Somit erfüllt AAE neutral betrachtet die gleichen Anforderungen an eine Sprache wie Standardenglisch.
Die erste Eigenheit der AAE-Syntax, die untersucht werden soll, sind die sogenanntenAspectual Markers.Durch diese können bedeutungstechnische Feinheiten in einer Weise ausgedrückt werden, wie es in der Standardsprache so nicht möglich ist. Der erste Marker, der besprochen werden soll, ist das sogenanntehabitual be.Ein Beispielsatz, in dem dieser Marker enthalten ist, wäre „Daveberunnin´ in the park“, was nicht das gleiche bedeutet wie „Dave is running in the park“. Durch den Marker „be“ (manchmal auch „bes“) wird ausgedrückt, dass eine Aktivität regelmäßig ausgeführt wird. Er drückt also Gewohnheiten oder übliche Zustände aus, was bedeuten würde, dass Dave regelmäßig im Park joggen geht. Habitual bekann nicht nur vor Verben, sondern auch vor Adjektiven, Nomen, Präpositionen, Adverbialen oder dem Markerdənverwendet werden. So wäre ein weiterer Beispielsatz „Hebeat school“, was bedeutet, dass besagte Person normalerweise in der Schule ist. Ist dieser Satz nun die Antwort auf die Frage „Where is John?“, kann dies leicht zu Konfusionen führen, wenn der Fragesteller nicht mit dem Konzept deshabitual bevertraut ist. Er weiß dann nämlich nicht, ob John nun jetzt gerade in der Schule ist oder ob er nur normalerweise dort ist. Daher sind hier Missverständnisse vorprogrammiert. Dieser Marker gilt als sehr charakteristisch für AAE, weshalb er in Filmen wie z.B. Fresh manchmal beinahe schon inflationär verwendet wird. Allerding gibt es diesen Marker auch im Hiberno Englisch, das in Irland gesprochen wird und in „weißen“ Dialekten, die in North und South Carolina gesprochen werden, was die Frage nach einem gemeinsamen Ursprung nahelegt (vgl. Green, 2002, S.47-54; Rickford, 1999, S.6).
Der nächste Marker, der untersucht werden soll istBIN, das wie ein betontes „been“ gesprochen wird. Dieser Marker kann auf drei verschiedene Arten verwendet werden. Zunächst kannBIN+Verbausdrücken, dass eine Aktivität seit einer langen Zeit ausgeführt wird, oder dass ein Zustand seit einer langen Zeit Bestand hat. Dazu mussBINmit einem Verb in der „-ing“ Form kombiniert werden. Ein Beispiel wäre der Satz „HeBINrunnin´“, was im Standardenglischen „He has been running for a long time“ bedeuten würde. WirdBINmit einem Verb verwendet, das einen Zustand ausdrückt, dann kann dieses in der -ing Form oder in der Vergangenheitsform stehen; also „IBINknew that“ oder „IBINknowing that“, was beides bedeutet, dass man etwas seit langer Zeit weiß. Hier folgt die AAE-Grammatik ebenfalls ihren eigenen Regeln, da man im Standardenglischen „I have been knowing that“ nicht sagen kann.
Als nächstes kannBINausdrücken, dass man eine Gewohnheit vor einer langen Zeit aufgenommen hat und dieser immer wieder nachgeht. Bei dieser Verwendungsweise muss auf dasBINimmer eine „-ing“ Form folgen. So könnte das oben erwähnte „HeBINrunnin´“ auch bedeuten „He started running some time ago and still runs from time to time“.
Als letztes kannBINnoch bedeuten, dass eine Handlung vor einer langen Zeit abgeschlossen wurde, dazu muss es jedoch immer mit einer Vergangenheitsform kombiniert werden. Ein Beispiel wäre „HeBINate“, was bedeutet „He ate a long time ago“ (vgl. insgesamt Green, 2002, 54-60).
Obwohl die drei Verwendungsweisen auf den ersten Blick recht unterschiedlich zu sein scheinen, so spielt doch die Zeitkomponente bei allen drei eine entscheidende Rolle. Es soll immer betont werden, dass es sich um eine lange Zeitspanne handelt.
Der nächste Marker, der untersucht werden soll, istdən.Diesem folgt immer ein Verb in der 1.Vergangenheitsform und er entspricht in etwa dempresent perfect simple. Mitdənwird also ausgedrückt, dass ein Vorgang in der jüngeren Vergangenheit abgeschlossen wurde und für die Gegenwart noch relevant ist. Ein Beispiel wäre „Idənchanged“, was bedeutet „I have changed“ (vgl. Labov, 1998, S. 253). Dənwird selten mit Verben verwendet, die einen Zustand bezeichnen. Außerdem kann dieser Marker mit den MarkenBINundbekombiniert werden. Dən bedrückt aus, dass etwas üblicherweise bereits vorbei ist, z.B. „When they show it in the news, wedən beheard it“. MitBINdənwird ausgedrückt, dass etwas vor langer Zeit abgeschlossen wurde. Die Bedeutung ist also die gleiche wie beiBIN+ -ed, dasdənhat nur eine emphatische Funktion (vgl. Green, 2002, S.66/67).
Diese Marker sind keine Hilfsverben, was man daran erkennt, dass sie bei Fragen nicht an den Anfang des Satzes gestellt werden können. „BeDave runnin´?“ ist also falsch, es muss heißen „DoDave be runnin´?“. Bei Fragen und zur Betonung werden Hilfsverben verwendet, beibewird „do“ verwendet, beiBINunddənwird „have“ verwendet. (vgl. Labov, 1998, S. 253; Green, 2002, S. 68)
Was die die allgemeine Grammatik angeht, unterscheidet sich AAE in vielen Bereichen vom Standardenglisch. Zunächst einmal soll der Umgang mit Verben genauer betrachtet werden. Ein bereits erwähntes AAE-Merkmal ist die sogenanntecopula abscence, was bedeutet, dass impresent simpleund impresent progressivedie flektierten Formen von „to be“ entfallen. Beispiele wären „He at work“, oder „He workin´“. Nur in der 1.Person Singular und in der 3.Person Neutrum Singular muss die entsprechende Form von „to be“ verwendet werden. Dieses Merkmal ist sehr charakteristisch für AAE. Des Weiteren wird bei Verben meist nicht zwischen Singular und Plural unterschieden, so heißt es „They is eatin´“ und „He work all the time“ (vgl. insgesamt Rickford, 1999, S. 6f). Allerdings kann dasverbal -sin narrativen Aussagen verwendet und dann beispielsweise auch an die 1.Person angehängt werden (vgl. Green, 2002, S.100). Ein weiterer Unterschied zur Standardsprache ist die Tatsache, dass daspast participlenormalerweise nicht verwendet wird, weder impresent perfectnoch impast perfect.Es wird stattdessen die 1.Vergangenheitsform genommen. Außerdem wird das Hilfsverb „have“ impresent perfectnur emphatisch verwendet und daspast perfectkann auch verwendet werden, wenn keine Vorvergangenheit ausgedrückt werden soll, was alspreterite hadbezeichnet wird. Auch was das Futur betrifft, gibt es im AAE Unterschiede. Imwill futurewird „´a“ verwendet, also „He´a help me“; „will“ wird nur dann genommen, wenn das Verb betont werden soll. Beimgoing to futurewird in der 1.Person „´ma“ verwendet, also „I´ma eat something“; bei den anderen Personen wird „gon“ verwendet, also „He gon eat something“. Dieses ist nicht identisch mit dem kolloquialen „gonna“.
Die Verneinung ist grundsätzlich wie im Standardenglisch, allerdings kann auch das Hilfsverb „ain´t“ verwendet werden. Dieses zeigt jedoch keine bestimmte Zeit an. Daher muss das Hauptverb in der Vergangenheitsform stehen, wenn Vorzeitigkeit ausgedrückt werden soll, also „He ain´t ate nothin´“. Wenn es imgoing to futureverwendet werden soll, muss ein „gon“ ergänzt werden, also „He ain´t gon eat nothin´“.
In diesen zwei Beispielen ist auch ein weiteres AAE-Merkmal enthalten, nämlich die doppelte Verneinung. Diese kommt zwar auch in anderen englischen Varietäten vor, allerdings gibt es im AAE sogar multiple Verneinungen (vgl. Martin & Wolfram, 1998, S.17-24). Ein Beispiel wäre der Satz „Don´t nobody don´t know God can´t tell me nothin´”, was im Standardenglischen “Somebody who does not know God can´t tell me anything” heißen würde (vgl. Smitherman, 2000, S.22). Diese grammatikalische Erscheinung kann bei Menschen, die AAE nicht kennen, sicherlich leicht Verwirrung stiften.
Im obrigen Beispiel lässt sich auch erkennen, dass im AAE nicht unbedingt ein Relativpronomen verwendet werden muss, während dies im Standardenglischen nur manchmal der Fall ist, z.B. bei „This is the man (who) I told you about“ (vgl. Green, 2002, S.90).
Auch der Genitiv unterscheidet sich im AAE. So wird ein Genitiv meistens nicht mit einem -s markiert. Ein Beispiel wäre „This is my mama house“ (vgl. Rickford, 1999, S.7). Dies ist ebenfalls ein sehr auffälliges Merkmal, dass auch Nicht-Amerikanern sicher sofort auffällt.
Abschließend soll noch die Bildung von Fragen analysiert werden. Wird ein Satz mit einemVerbal Markerals Frage formuliert, dann muss wie bereits erwähnt, ein Hilfsverb ergänzt werden. Es ist allerdings im AAE viel häufiger als im Standardenglisch der Fall, dassnon-inverted questionsverwendet werden. Das bedeutet, der Aussage- und der Fragesatz sind vom Wortlaut identisch und die Frage wird nur durch Intonation als solche gekennzeichnet. Dies ist sogar beiWh-questionsmöglich, was im Standardenglischen nicht der Fall ist. Ein Beispiel wäre „What y´all doing?“, was im Standardenglischen „What are you all doing?“ heißen würde (vgl. Martin & Wolfram, 1998, S. 29).
Es gibt noch weitere grammatikalische Eigenheiten im AAE, diese sollen jedoch nicht genauer betrachtet werden, da die wichtigsten Merkmale besprochen wurden, und da die Syntax wie die Phonetik bei der Synchronisation nur indirekt eine Rolle spielen. Dennoch konnten diese Bereiche nicht ganz ausgeklammert werden, da die englischen Filmstellen sonst nicht analysiert werden könnten.
Bei Diskussionen darüber, was AAE vom Standardenglisch unterscheidet, wird den oberflächlichen phonetischen und grammatikalischen Unterschieden oftmals zu viel Beachtung geschenkt (vgl. Martin & Wolfram, 1998, S.16). Die wirklichen Unterschiede sind wesentlich tiefgehender und betreffen die Art wie Sprache verwendet wird. In Afrika wird der Kraft des Wortes eine existenzielle Bedeutung zugesprochen, dieses Konzept trägt dort den Namen „Nommo“. So ist ein neu geborenes Kind lediglich ein Ding, bis es einen Namen bekommt, da Worte als treibende Kraft im Leben verstanden werden (vgl. Smitherman, 2000, S.203). Dies klingt zunächst erstaunlich, da Afrikaner vor allem früher, aber auch heute noch oft als Wilde dargestellt werden, die nur wenig Intellekt besitzen und eher ihren tierischen Instinkten folgen. Das gleiche Vorurteil herrschte lange Zeit auch über die Afroamerikaner, die der „weißen Herrenrasse“ gegenüber als unterlegen erachtet wurden, besonders in intellektueller Hinsicht[6]. Doch auch in der Kultur der Afroamerikaner ist die Macht der Worte von entscheidender Bedeutung. Dieser Gedanke ist zusammen mit den verschleppten Sklaven nach Amerika gekommen und dort unter ihren Nachfahren immer noch präsent, was sich beispielsweise daran erkennen lässt, dass der Ausspruch „word“ oder „word up“ unter Afroamerikanern sehr geläufig ist. Kompetenz im Umgang mit Worten kann einem Individuum zu Ansehen in der schwarzen Gemeinde verhelfen, was in der „weißen“ Kultur hauptsächlich durch Statussymbole geschieht. „Black talk is never meaningless cocktail chit-chat but a functional dynamic […] and a vehicle for achieving group recognition” (Smitherman, 2000, S.61). So gibt es eine Reihe kommunikativer Praktiken, die charakteristisch für die afroamerikanische Kultur sind, und mit denen in meist kompetitiver Weise soziales Ansehen innerhalb einer Gruppe erreicht wird.
Die erste Sprachpraktik ist das sogenannteSignifyin´. Hierbei geht es darum, sich über sein Gegenüber lustig zu machen und dabei eine möglichst große Virtuosität im Umgang mit Worten an den Tag zu legen. Es geht nicht unbedingt darum, den anderen direkt zu beleidigen, sondern sich mit Hilfe von Ironie und Metaphern und am besten in Reimform indirekt über ihn lustig zu machen (vgl. Smitherman, 2000, S.26 & 204). Auch die Androhung von körperlicher Gewalt, die dabei oft eine Rolle spielt, ist nicht wörtlich zu nehmen, es geht lediglich darum wer großspuriger und wortgewandter angeben kann. Dieses Konzept wirdWoofin´genannt. Prahlerei und Angeberei („braggadocio“ genannt) sind also in der afroamerikanischen Kultur eher spielerisch gemeint und werden völlig anders interpretiert als in der Kultur der Europäer und europäischen Amerikaner, in der dies mit Arroganz gleichgesetzt und als unsympathisch empfunden wird. Ein Meister desSignifyin´undWoofin´war Muhammad Ali, der mit Sprüchen wie „I´m not the greatest; I´m the double greatest. Not only do I knock 'em out, I pick the round” oder „ I´ll be floating like a butterfly and stinging like a bee” (www.brainyquote.com) die Schwarzen zu Begeisterungsstürmen hinriss, während er von vielen Weißen als zu arrogant empfunden wurde, da sie das Konzept desSignifyin´nicht verstanden haben. Doch gerade diese fehlende Zurückhaltung und das überhöhte Selbstverständnis ermöglichten auch kritische Äußerungen zur US-Gesellschaft, die von weißen Prominenten nicht zu hören waren; so sagte er z.B. über den Vietnamkrieg „No, I´m not going 10,000 miles from home to help murder and burn another poor nation simply to continue the domination of white slave masters of the darker people“ (en.wikiquote.org).
Eine etwas explizitere Form desSignifyin´ist das sogenanntePlayin´ the Dozens. Woher diese Bezeichnung kommt, ist nicht ganz geklärt, wahrscheinlich stammt sie noch aus Zeiten der Sklaverei. Hier geht es darum, in teils anzüglicher Weise Familienmitglieder des Gegenübers zu beleidigen. Meist sind dabei Zuhörer zugegen, die ein Feedback geben und den Gewinner küren. Die verbale Auseinandersetzung beginnt, wenn jemand auf eine Äußerung reagiert, indem er ein Familienmitglied, meist die Mutter, des Anderen ins Spiel bringt, z.B. „You can´t cook!“ – „Yo momma!“. Auch wenn so etwas in unseren Ohren ungewöhnlich klingt, da das Beleidigen der Familie in unserer Kultur als sehr unangebracht gilt, so istthe Dozensin der afroamerikanischen Kultur von rein zeremoniellem Charakter und die Kontrahenten haben keine körperlichen Schäden zu erwarten. Sie befinden sich in einer „safe zone“, wie Smitherman es ausdrückt. Der Sinn dieser verbalen Auseinandersetzungen ist es nämlich, seinen Frust loswerden, ohne jemanden körperlich zu schädigen, was durchaus ein sinnvoller Gedanke ist (vgl. hierzu insgesamt Smitherman, 2000, 223-30). DaSignifyin´undPlayin´ the Dozensmanchmal auch ineinander übergehen können, werden sie von manchen Autoren, wie Green, alsSnapszusammengefasst.
Eine andere afroamerikanische Tradition ist das sogenannteToastin´.Dies ist eine Art Loblied auf einen meist fiktiven Charakter, der z.B. großen Erfolg beim weiblichen Geschlecht hat. Auch hier spielen Hyperbeln eine entscheidende Rolle (vgl. Green, 2002, S.137). Muhammad Ali kann auch hier als gutes Beispiel herangezogen werden, denn er verfasste auchToastsauf sich selbst. Der Bekannteste ist wohl der, den er vor dem Kampf gegen Sonny Liston 1963 verfasste, und in dem es beispielsweise heißt: „Now Clay [bürgerlicher Name Alis; Anm. d. Verf.] lands with a right; what a beautiful swing, and the punch raises the Bear [Liston] clean out of the ring“ (en.wikiquote.org).
Besonders in der Hip Hop-Kultur spielen die oben genannten Praktiken eine entscheidende Rolle. Somit hat auch die oftmals verteufelte Rapmusik einen nicht zu leugnenden kulturellen Hintergrund, da sich in ihr oftmals alle Sprachpraktiken des AAE vereinen. Auch beim Rappen geht es darum, sich mithilfe von Worten zu profilieren und so Ansehen zu erlangen. Auch hier würde also ein besseres Verständnis der afroamerikanischen Kultur Missverständnissen vorbeugen.
Doch nicht nur in der säkularen Welt spielen kommunikative Praktiken eine große Rolle, auch in der schwarzen Kirche sind diese von großer Bedeutung. So muss ein schwarzes Kirchenoberhaupt über eine große verbale Kompetenz verfügen und es ist allgemein bekannt, dass schwarze Gottesdienste wesentlich lebendiger und leidenschaftlicher sind, als dies in anderen Kirchengemeinden der Fall ist. Die Messe ist wesentlich informeller und von den Zuschauern kommen oftmals laute Zwischenrufe. Dies nennt sichCall & Responseund ist ebenfalls ein essentieller Bestandteil der afroamerikanischen Kommunikation. Sagt der Reverend etwas, das im Publikum auf allgemeine Zustimmung stößt, wird diese lautstark Kund getan. Meist werden dabei Dinge wie „Tell it to us Rev“ oder „Praise the Lord“ gerufen. Und auch außerhalb der Kirche istCall & Responseein wichtiger Bestandteil sprachlicher Interaktionen, so dass es nicht üblich ist, einfach still zuzuhören, wie es in unserer Kultur als angebracht gilt (vgl. insgesamt Smitherman, 2000, S.64).
Im Dezember 1996 entschied die Schulbehörde von Oakland, Kalifornien,Ebonics(eine andere Bezeichnung für AAE, die sich aus „ebonies“ und „phonics“ zusammensetzt) als eigene Sprache anzuerkennen, um so besser auf die besonderen Bedürfnisse schwarzer Kinder eingehen zu können, die dann wie bilinguale Sprecher behandelt würden. Afroamerikanische Kinder schnitten in der Schule erheblich schlechter ab als weiße, und besonders ihre Lesefertigkeiten waren unterdurchschnittlich. Auch machten sie 71% der Förderklassen aus. Da die rassistische Annahme, dass eine genetische Disposition der Grund hierfür sein könne, in der Wissenschaft schon lange nicht mehr präsent war, musste der Grund für ihre schlechten Leistungen, besonders beim Lesen, die Tatsache sein, dass sie mit AAE aufgewachsen sind. Daher hielt man es für förderlich, wenn die Kinder in ihrer „Muttersprache“ unterrichtet werden, und ihnen auf diese Weise Standardenglisch näher gebracht wird, da man glaubte, dies sei produktiver, als einfach weiterhin zu versuchen, den Kindern AAE auszutreiben. Auch zusätzliche Fördermittel würden für die Unterrichtung bilingualer Schüler zur Verfügung gestellt werden (vgl. insgesamt Smitherman, 2000, S. 150/151; Green, 2002, S. 222). DieLinguistic Society of America,eine professionelle Vereinigung von über 5000 Linguisten, unterstützte den Beschluss der Schulbehörde (vgl. www-personal.umich.edu).
Allerdings war die Reaktion der breiten Öffentlichkeit eine gänzlich andere. Die Entscheidung löste eine landesweite Kontroverse über den Status von AAE aus und machte deutlich, wie wenig viele Amerikaner die Sprache ihrer afroamerikanischen Mitbürger schätzten. Auch die sogenannte „English Only“ Kampagne bekam dadurch zusätzlichen Aufschwung[7](vgl. Smitherman, 2000, S. 150/151). Obwohl die Legitimität von AAE in der Wissenschaft schon lange außer Frage stand, war AAE in den Augen der Öffentlichkeit oft immer noch Straßenslang oder inkorrektes Englisch, das im Klassenzimmer nichts verloren hat (vgl. Green, 2002, S.218). Die Reaktionen der Medien, deren Berichte in manchen Fällen einen beinahe rassistischen Ton annahmen, und Kommentare im Internet lassen hieran keinerlei Zweifel[8]. Der öffentliche Druck führte dazu, dass die Schulbehörde den Wortlaut ihres Beschlusses teilweise änderte.
Doch nicht nur Weiße hatten und haben immer noch oft eine schlechte Meinung über AAE. Auch viele Afroamerikaner halten AAE für hinderlich auf dem Weg zur Gleichstellung der Schwarzen. So sind beispielsweise einflussreiche schwarze Führer wie Jesse Jackson, ein berühmter Politiker und Bürgerrechtler, der 2003 sogar für die Präsidentschaft kandidierte, oder Kweisi Mfume, Präsident derNational Association for the Advancement of Colored People, der Meinung, Schwarze sollten lieber „korrektes“ Englisch sprechen (vgl. Smitherman, 2000, S.321). Dadurch dass auch einflussreiche Schwarze AAE kritisierten, wurde das Image dieser Varietät noch weiter geschädigt. Auch der Fernsehstar Bill Cosby kritisierte AAE, das in seinen Augen lediglich die Sprache der Unterschicht ist, mit harschen Worten. So sagte er unter anderem: „They´re standing on the corner and they can´t speak English […] You can´t be a doctor with that kind of crap coming out of your mouth!” (vgl. www.papillonsartpalace.com). Obwohl all diese Menschen sicherlich gute Intentionen hatten, waren ihre Kommentare dennoch eher kontraproduktiv für den Kampf der Schwarzen um Respekt und Akzeptanz in der Gesellschaft.
Afroamerikaner, die den sozialen Aufstieg geschafft haben und eine wohlhabende schwarze Mittelschicht bilden, haben sich die Fähigkeit desCode-Switchingangeeignet,was bedeutet, dass sie Standardenglisch beherrschen und jederzeit zwischen AAE und dem Standard wechseln können (vgl. Smitherman, 2000, S. 100). Der Grund, warum auch sie sich ihre „Muttersprache“ bewahrt haben, ist die Tatsache, dass das Leben nicht nur in der Berufswelt stattfindet. Um in der schwarzen Gemeinde akzeptiert zu werden, ist es unabdingbar die dort gesprochene Sprache zu beherrschen, wie in 2.2.7 bereits beschrieben wurde. Diese Tatsache wurde von AAE-Gegnern wie Cosby vollkommen ignoriert. AAE ermöglicht es den Afroamerikanern, unabhängig von Klasse oder regionaler Herkunft, Solidarität untereinander herzustellen und sich nach außen hin abzugrenzen (vgl. Baugh, 1999, S.5).
Gerade dieser Aspekt einer „Anti-Sprache“ macht AAE auch für Mitglieder der Unterschicht mit einer anderen ethnischen Zugehörigkeit sehr attraktiv, so dass AAE immer mehr zum „dialect of choice“ der Arbeiterklasse wird (vgl. Smitherman, 2000, S.108). Und auch bei jungen Menschen, die nicht afroamerikanischer Herkunft sind und von denen viele auch aus durchaus wohlhabenden Familien kommen, löst AAE und die Kultur der Schwarzen eine große Faszination aus. So ist z.B. Hip Hop zu einem der wichtigsten Musikgenres weltweit geworden, dessen Einfluss auch in verschiedensten anderen Musikrichtungen, wie Pop- oder Housemusik, zu spüren ist. Auch Filme und Serien, die das Leben der afroamerikanischen Unter- oder auch Mittelschicht porträtieren, haben schon lange den Sprung in die Mainstream-Kultur geschafft und werden von Millionen von Menschen gesehen. Daher kann auch der Einfluss der afroamerikanischen Sprache nicht mehr von der Hand gewiesen werden.
[...]
[1]Für eine umfassende Liste an Slangausdrücken siehe urbandictionary.com oder slangsite.com
[2]Ein sehr moderner Slangausdruck ist z.B. „Check your Totem“, eine Anspielung auf den Film „Inception“, der erst 2010 erschienen ist (siehe urbandictionary.com).
[3]Im Film Taxi Driver mit Robert DeNiro wurde beispielsweise der Begriff „pusher“ (Drogendealer) wörtlich übernommen, da der Film jedoch von 1976 ist, ist es mehr als unwahrscheinlich, dass der Begriff von normalen Zuschauern verstanden wurde. Eventuell wussten auch die Synchronisateure selbst nicht, was gemeint war.
[4]Der Begriff „house nigga“ bezieht sich auf die Zeit der Sklaverei. Die Haussklaven waren oftmals privilegiert und wurden von den anderen Sklaven als zu loyal gegenüber ihrem Besitzer angesehen, weshalb sie wenig geschätzt wurden. Ein bekanntes Synonym wäre auch „Uncle Tom“ (siehe urbandictionary.com)
[5]Für eine umfassende Liste sämtlicher phonetischer AAE-Merkmale siehe:
www.rehabmed.ualberta.ca/spa/phonology/features.htm
[6]So schrieben weiße Wissenschaftler Dinge, wie „The convolutions in the negro brain are less numerous and more massive than in the European… the black is a child…the natives of Guinea are at a grave disadvantage in comparison with the Caucasians” (Smitherman, 2000, S.73).
[7]Das Ziel dieser Kampagne, die große finanzielle Unterstützung erhält, ist es, den Status des Englischen als Landessprache zu stärken und möglichst alle anderen Sprachen aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. Ein Beispiel wäre die Abschaffung von Wahlzetteln auf Spanisch (vgl. Smitherman, 2000, S.322-328)
[8]Auf der Websitewrt-intertext.syr.edu/vi/gregorio.htmlfindet sich ein guter Überblick über die Reaktion der Medien auf den Oakland-Beschluss
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