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Mehr InfosBachelorarbeit, 2009, 61 Seiten
Gesundheit - Sport - Sportmedizin, Therapie, Prävention, Ernährung
Bachelorarbeit
1,7
I Tabellenverzeichnis
II Abbildungsverzeichnis
III Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Verzweigtkettige Aminosäuren – Allgemeines
2.1 Stoffwechsel
2.2 Physiologische Funktionen
2.2.1 Rolle im Stickstoffstoffwechsel
2.2.2 Regulation des Proteinmetabolismus
2.3 Lebensmittelvorkommen und Bedarf
3. Verzweigtkettige Aminosäuren im Sport
3.1 Regulation der Enzymaktivität durch körperliche Belastung
3.2 Veränderter Bedarf durch körperliche Belastung
3.3 Zufuhrempfehlung
3.4 Mögliche Wirkungen einer Supplementierung
3.4.1 Anabole Wirkung
3.4.2 Antikatabole Wirkung
3.4.3 Reduktion von Ermüdungserscheinungen
3.4.4 Protektion des Immunsystems
3.5 Einfluss auf die sportliche Leistung
4. Schlussfolgerung
5. Zusammenfassung
6. Literaturverzeichnis
Tab. 1: BCAA-reiche Lebensmittel
Abb. 1: Strukturformeln der verzweigtkettigen Aminosäuren
Abb. 2: Abbau der verzweigtkettigen Aminosäuren
Abb. 3: Regulierung des BCKD-Komplexes
Abb. 4: BCAAs als Stickstoffdonoren
Abb. 5a: Einfluss von freiem Tryptophan auf die zentrale Erschöpfung
Abb. 5b: Einfluss der BCAAs auf die Reduzierung von Ermüdung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der heutige Markt an Nahrungsergänzungsmitteln bietet eine Fülle von Präparaten zur Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit oder zum Zuwachs der Muskelmasse. Insbesondere im Kraftsport werden vermehrt Protein – und Aminosäurepräparate eingenommen, mit der Absicht die Kraft zu steigern und einen schnelleren Muskelzuwachs zu erzielen. Protein- und Aminosäuresupplemente gelten als die beliebtesten Nahrungsergänzungsmittel unter Sportlern [53].
Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel und begegnen dem Menschen in jedem Supermarkt oder Drogeriegeschäft, was ihre Zugänglichkeit und Legitimität erhöht. Gerade deswegen werden sie von einer Vielzahl der Menschen bedenkenlos eingenommen. Besonders Personen, die regelmäßig ein Fitnessstudio besuchen, greifen vermehrt auf Nahrungsergänzungsmittel zurück.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Anwendung der verzweigtkettigen Aminosäuren (BCAAs) Leucin, Isoleucin und Valin im Sport. Es wird zwischen Kraft- und Ausdauersport nicht explizit unterschieden. BCAAs gehören zu den unentbehrlichen Aminosäuren und müssen mit der Nahrung aufgenommen werden, da sie vom menschlichen Körper nicht eigenständig synthetisiert werden können. Das Besondere an den BCAAs ist, dass sie direkt vom Muskel metabolisiert werden und den Leberabbau umgehen [28]. Seit den 1980er Jahren besteht ein großes Interesse in der Sport- und Ernährungswissenschaft am Effekt der BCAAs [41]. Nahrungsergänzungsmittelhersteller werben mit Muskelaufbau, Schutz vor Muskelabbau, verlängertem Leistungsvermögen, Förderung der Regenerationsphase und weiteren Effekten im Sport.
Ziel der Arbeit ist es, die postulierten Effekte der verzweigtkettigen Aminosäuren aufzuzeigen und durch Analyse der aktuellen Literatur kritisch und vergleichend zu betrachten.
Hierzu wird zunächst kurz auf die Grundlagen des Stoffwechsels der verzweigtkettigen Aminosäuren und deren physiologischen Funktion eingegangen. Außerdem wird der Bedarf und Lebensmittelgehalt dieser Aminosäuren besprochen.
Der Hauptteil der Arbeit befasst sich mit der Anwendung und der Wirkungsweise im sportlichen Bereich. Die physiologischen Veränderungen, besonders die veränderte Aminosäurekonzentration im Blut, die sich durch sportliche Belastungen ergeben, und ein, sich daraus potentiell veränderter Bedarf für BCAAs, sollen dargestellt werden. Nachfolgend werden die Zufuhrempfehlungen für Sportler erläutert.
Im Anschluss sollen die möglichen Wirkungen einer Supplementierung mit besonderem Augenmerk auf den anabolen und antikatabolen Effekt, sowie auf die Reduktion von Ermüdungserscheinungen und auf die Protektion des Immunsystems dargestellt werden. Der daraus resultierende Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit wird nachfolgend diskutiert.
Nach der Schlussfolgerung wird die Arbeit mit einer Zusammenfassung und einem kurzen Fazit abgerundet.
Zu den verzweigtkettigen Aminosäuren (BCAAs) gehören die hydrophoben Aminosäuren Leucin (Leu), Isoleucin (Ile) und Valin (Val) (Abb. 1). Sie sind für den menschlichen Körper essentiell, da sie nicht eigenständig synthetisiert werden können und machen etwa 35 bis 40 % der unentbehrlichen Aminosäuren im Körper des Menschen aus [47]. Demzufolge müssen sie über die Nahrung aufgenommen werden. Verstoffwechselt werden sie primär vom peripheren System und da sie zu den proteinogenen Aminosäuren zählen, werden sie hauptsächlich für die Proteinsynthese genutzt [21]. Der Stoffwechselweg sieht bei allen dreien ähnlich aus (Abb. 2).
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Abb. 1: Strukturformeln der verzweigtkettigen Aminosäuren
Den ersten Schritt im Metabolismus der verzweigtkettigen Aminosäuren katalysiert die „branched-chain amino acid aminotransferase“ (BCAT), indem sie die α-Amino-Gruppe der BCAAs auf α-Ketoglutarat überträgt, um die entsprechenden α-Ketosäuren und Glutamat zu synthetisieren [50]. BCAT ist Pyridoxalphosphat-abhängig und katalysiert alle drei BCAAs [21]. Es entstehen α-Ketoisocaproat (KIC), α-Keto-β-Methylvalerat (KMV) und α-Ketoisovalerat (KIV) [49]. Dieser Schritt unterscheidet sich von dem Abbau anderer Aminosäuren, da er reversibel ist [50].
Es kommen zwei Isoformen der BCAT vor, die mitochondriale (BCATm) und die zytosolische (BCATc). In Ratten ist die mitochondriale Form vermehrt in den Geweben vorhanden, in denen die zytosolische Form begrenzt zu finden ist. Die zytosolische Form tritt in Gehirn, Ovarien und Plazenta auf. In der Leber ist keines der beiden Enzyme vorzufinden [49].
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Abb. 2: Abbau der verzweigtkettigen Aminosäuren
BCAAs = branched-chain amino acids; BCAT = branched-chain amino acid aminotransferase; BCKD = branched-chain α-keto acid dehydrogenase; KIC = α-Ketoisocaproat; KMV = α-Keto-β-Methylvalerat; KIV = α-Ketoisovalerat
Leicht verändert übernommen von [8]: Brosnan JT, Brosnan ME. Branched-chain amino acids: enzyme and substrate regulation. J Nutr 2006; 136: 209
Die Aktivitäten von BCAT wurden zwischen Mensch, Ratte und Affe verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass sowohl in der Ratte als auch im Affen die Aktivität der BCAT im Pankreas am höchsten ist, dicht gefolgt von Niere, Magen und Gehirn. Im Menschen ist die höchste Aktivität im Pankreas und in der Niere vorzufinden [50].
Die Verteilung der BCAT ist in Ratte, Affe und Mensch sehr ähnlich, bei Ratten ist die Aktivität um das zwei – bis zehnfache erhöht [49].
Im Skelettmuskel, im Gehirn, in Niere und Darm tritt mitochondriale BCAT-mRNA auf. Quantitative Polymerasekettenreaktionsanalysen bestätigen, dass im humanen Skelettmuskel am meisten BCATm-mRNA vorhanden ist, gefolgt von Niere und Gehirn und, dass in der Leber kaum BCATm-mRNA nachzuweisen ist [49]. Dies lässt darauf schließen, dass die verzweigtkettigen Aminosäuren hauptsächlich vom peripheren Gewebe verstoffwechselt werden und den direkten Leberabbau zum größten Teil umgehen, da in der Leber kaum BCAT Aktivität vorhanden ist. Zytosolische BCAT-mRNA konnte eindeutig im Gehirn nachgewiesen werden [49, 50], was vermuten lässt, dass auch dort die verzweigtkettigen Aminosäuren eine besondere Funktion ausüben.
Der zweite Schritt stellt eine irreversible oxidative Decarboxylierung der α-Ketosäuren dar. Dieser wird durch den Enzymkomplex „branched-chain α-keto acid dehydrogenase” (BCKD) katalysiert [49]. Für diese Reaktion sind Coenzyme wichtig. Das Bedeutendste dabei stellt Thiaminpyrophosphat dar [35].
Durch die irreversible oxidative Decarboxylierung werden die α-Ketosäuren dem Abbau übergeben. Auch die Gewebeverteilung der BCKD Aktivität ist in Mensch und Affe sehr ähnlich, mit der höchsten Aktivität in der Niere, gefolgt von Leber, Gehirn und Herz [49].
Der Enzymkomplex setzt sich aus drei Enzymen zusammen: die „branched-chain α-keto acid decarboxlase“ (E1), die Dihydrolipoamid Aceyltransferase (E2) und die Dihydrolipoamid Dehydrogenase (E3) [21, 49]. Anders als BCAT wird der Enzymkomplex durch eine spezifische Kinase (BCKDK) und einer Phosphatase durch Phosphorylierung und Dephosphorylierung hoch reguliert (Abb. 3).
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Abb. 3: Regulierung des BCKD-Komplexes
BCKD = branched-chain α-keto acid dehydrogenase
Der dephosphorylierte Komplex stellt die aktive Form dar. Eine Phosphorylierung inaktiviert den Komplex. Es konnte eine hohe Expression der BCKDK im humanen Skelettmuskel nachgewiesen werden, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Regulation der BCAA-Oxidation primär in diesem Gewebe stattfindet [49].
Das Transaminierungsprodukt von Leucin, α-Ketoisocaproat, wirkt hemmend auf die BCKDK und sorgt dafür, dass BCKD aktiv wird, indem die Phosphatase den Komplex dephosphoryliert und die α-Ketosäuren abgebaut werden [22].
Zusätzlich zur Regulation durch Phosphorylierung und Dephosphorylierung wirken die Endprodukte des Stoffwechsels, solche wie NADH und verzweigtkettige Acyl-CoA Derivate inhibierend auf BCKD [21].
Suryawan et al. [49] fanden heraus, dass BCAT in der Leber von Ratten nicht vorhanden ist. Extrahepatisch wurde eine hohe Konzentration der BCAT Aktivität gemessen. Parallel war die BCKD Aktivität im peripheren Gewebe niedrig. Aus diesem Grund müssen die Metabolite (α-Ketosäuren) zwischen dem peripheren System und der Leber pendeln.
Dieser Katabolismus bringt Produkte hervor, die in den Tricarbonsäurezyklus eingeschleust werden können. Am Ende des Stoffwechselweges weicht der Abbau der drei BCAAs voneinander ab. Leucin ist die einzige der drei Aminosäuren, die ketogen ist. Aus Leucin wird Acetoacetat und Acetyl-CoA synthetisiert. Valin und Isoleucin sind glucogene Aminosäuren. Aus Valin entsteht Succinyl-CoA, und aus Isoleucin Propionyl-CoA und Acetyl-CoA [21].
Obwohl der Skelettmuskel des Menschen quantitativ am meisten BCAAs umsetzt, zeigt das Muster der BCAT- und BCKD Verteilung, dass Gehirn und Niere ebenso zur Oxidation der BCAAs beitragen [49].
Den verzweigtkettigen Aminosäuren werden eine Rolle im Stickstoffstoffwechsel und im Proteinmetabolismus zugeschrieben. Diese sollen im Folgenden erläutert werden.
Die BCAA-Transaminierung scheint eine signifikante Rolle im Glutamin- und Alanin-Metabolismus zu spielen, da beobachtet wurde, dass BCAAs die Glutamin- und Alaninfreisetzung des Skelettmuskels stimulieren [50]. Leucin scheint von besonderer Bedeutung zu sein, da die Oxidation von Leucin die Synthese von Alanin signifikant erhöht. Alanin kann für die Gluconeogenese zur Glucosesynthese genutzt werden [43]. Glutamin und Alanin sind die wichtigsten Transporter des Stickstoffs vom Skelettmuskel zur Leber, der bei der Aminosäureoxidation freigesetzt wird [50].
Bei der BCAA-Transaminierung im Mitochondrium entsteht aus mitochondrialem α-Ketoglutarat Glutamat. Transaminierungsreaktionen sind reversibel und deswegen kann anhand des BCAA-α-Amino-Stickstoffes auf den freien Aminosäure Pool im Gewebe geschlossen werden. Die Übertragung des Stickstoffes der BCAAs in den Muskel-Aminosäurepool erfordert, dass das Kohlenstoffgerüst (α-Ketosäure) entweder vom Gewebe abgeben oder oxidiert wird. Nur der Verlust des BCAA-Kohlenstoffgerüsts vom Muskel-Aminosäurepool und nicht der Stoffwechselweg beeinflusst den Netto-Fluss des BCAA-Stickstoffs in dem Gewebepool [49]. Die Oxidation der α-Ketosäuren kann nur stattfinden, wenn vorher der Stickstoff abgespalten wurde, aufgrund der Reversibilität der Transaminierungsreaktion. Wenn die α-Ketosäuren nicht abgegeben oder oxidiert werden würden, könnte der Stickstoff erneut gebunden werden.
Der Katabolismus der BCAAs durch BCAT ist immer davon abhängig, dass Glutamat weiter verstoffwechselt wird. Glutamat kann nur durch den Glutamat-Hydroxyl-Transporter ausgeschleust werden. Der Ausstrom erfordert den Co-Transport von Zwischenprodukten (z.B. Acetyl-CoA) aus dem Tricarbonsäurezyklus. Dies führt zu einem Verlust dieser Produkte. Andere Austauschtransporter vermindern die Zwischenprodukte des Tricarbonsäurezykluses nicht, weil Ein- und Ausstrom im Gleichgewicht stehen.
Wenn Glutamat, welches durch die mitochondriale BCAT Reaktion entstanden ist, mittels Glutamatdehydrogenase oxidativ desaminiert wird, tritt kein Verlust von α-Ketoglutarat auf. α-Ketoglutarat wird durch diese Reaktion regeneriert und freies Ammoniak und β-Nicotinamiddinucleotid innerhalb des Mitochondriums produziert [49] (Abb.4).
Eine Kopplung von BCATm und der Glutamatdehydrogenase könnte für die Glutaminsynthese Ammoniak bereitstellen, ohne die Aktivität des Tricarbonsäurezykluses zu beeinträchtigen [49].
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Abb. 4: BCAAs als Stickstoffdonoren
BCAAs = branched-chain amino acids; BCAT = branched-chain amino acid aminotransferase; GDH = Glutamatdehydrogenase
Zusammenfassend besteht die Rolle der BCAAs im Muskel-Stickstoffstoffwechsel darin, durch eine Transaminierungsreaktion Glutamat zu bilden und als Stickstoff-Donoren für die Glutamin- und Alaninsynthese zu wirken [49]. Die erhöhte Konzentration der BCAAs nach einer Supplementierung beeinflusst die Glutamatdehydrogenase und reduziert dadurch die Abbaurate von Glutamin. Es konnte gezeigt werden, dass eine Infusion mit BCAAs die Freisetzung von Glutamin aus dem Skelettmuskel erhöht und dadurch die Plasma Glutaminkonzentration ansteigen lässt [44]. Außerdem erhöht eine BCAA-Supplementierung die Stickstoffretention. Dies beruht auf einer Zunahme der freien Aminosäuren im Aminosäurepool im Muskel [48].
Die verzweigtkettigen Aminosäuren stellen nicht nur einen Baustein für Proteine dar, sondern sind ebenso wichtige Modulatoren im Proteinmetabolismus. Besonders Leucin scheint von großer Bedeutung zu sein [18, 25, 29, 31, 40, 47]. Durch eine Leucin-Supplementierung kann beispielsweise ein Proteinverlust im Menschen in pathologischen Zuständen vermindert werden [18]. Eine hohe Leucin Einnahme kann außerdem die Proteinsynthese stimulieren. Es kann zu einem vorübergehenden Anstieg in der Insulinkonzentration kommen, was den Effekt einer Leucin Supplementierung auf die Proteinsynthese erhöhen kann [18]. Leucin scheint die Proteinsynthese ähnlich wie Insulin zu stimulieren. Dabei kommen zwei Stoffwechselwege in Frage. Entweder über den Rapamycin-sensitiven Stoffwechselweg, der den „mammalian target of rapamycin“ (mTOR) beinhaltet, oder über einen unbekannten Rapamycin-unempfindlichen Stoffwechselweg [31]. Die Aktivierung von mTOR führt zu einer Phosphorylierung der ribosomalen Protein-S6-Kinase 1 (S6K1) und des „eukaryotic initiation factor 4E-binding protein-1“ (4E-BP1), zwei Proteine, die in die Proteinsynthese involviert sind. Diese Phosphorylierung führt zu einer erhöhten Translation von mRNA, die für Proteine kodiert, die Elemente des Proteinsyntheseapparates beinhalten [31]. Eine BCAA-Infusion [29], sowie eine orale Leucineinnahme [31] stimulieren die Phopsphorylierung von S6K1 und 4E-BP1, was eine erhöhte Proteinsynthese hervorruft. Die Phopsphorylierung scheint Gewebe-spezifisch zu sein, denn Lynch et al. [31] konnten diesen Effekt nur im Fettgewebe von Ratten nachweisen.
Es ist bekannt, dass Insulin auf die gleiche Art die Phosphorylierung dieser beiden Proteine stimuliert. Anzunehmen ist, dass die BCAAs daher indirekt wirken, indem sie die Insulinsekretion stimulieren, was die Phosphorylierung von 4E-BP1 und S6K1 begünstigt [29].
Nair et al. [39] konnten allerdings keinen Effekt auf Insulin nach einer Leucin-Infusion aufzeigen. Die Leucin-induzierte Insulinsekretion wurde in Studien beobachtet, die eine höhere Dosis an Leucin verabreicht haben. Zum gleichen Schluss kommen Lynch et al. [31], die vermuten, dass es sich bei der Stimulation der Proteinsynthese durch eine Leucin-Supplementierung nicht um einen Effekt handelt, der durch eine erhöhte Insulinsekretion hervorgerufen wird. Die Insulinkonzentration war in einigen Leucin-behandelten Ratten erhöht, jedoch nicht in allen. Trotzdem konnten Lynch et al. [31] in allen Tieren eine erhöhte Proteinsynthese nach einer Leucingabe feststellen. Es wurde keine Stimulierung in der Insulinsekretion nach einer BCAA-Infusion im Menschen gefunden [29]. Dies zeigt, dass Leucin wahrscheinlich noch über einen anderen Weg die Proteinsynthese stimuliert.
Eine Infusion mit Leucin senkt die Plasma-Konzentrationen von einigen unentbehrlichen Aminosäuren, vor allem die von Isoleucin und Valin [39, 40]. Liu et al. [29] konnten eine Abnahme in der Plasma-Phenylalaninkonzentration, ein Absinken in der Muskel-Phenylalanin-Freisetzung und eine Reduzierung in der Urin-Stickstoffausscheidung nachweisen. Diese Effekte deuten entweder auf eine gesteigerte Proteinsynthese, oder einem verminderten Proteinabbau hin [29, 39].
Außerdem beobachteten Nair et al. [39] ein Absinken in der Glucoseproduktion während einer Leucin-Infusion. Die Glucosekonzentration im Plasma blieb trotzdem konstant und es kam zu keiner erhöhten Freisetzung von Glucose. Es wurde kein Anstieg in der Insulinsekretion beobachtet. Die Abnahme in der Freisetzungsrate von Glucose und das Fehlen einer Abnahme in der Plasma Glucosekonzentration sprechen außerdem dagegen [39]. Durch die Oxidation von Leucin kommt es zu einer Einsparung in Glucose.
Demnach besteht die Funktion der verzweigtkettigen Aminosäuren, besonders von Leucin, in der Stimulierung der Proteinsynthese und in einer Verminderung des Proteinabbaus. Liu et al. [29] kommen zu dem Schluss, dass Veränderungen in der BCAA-Konzentration im physiologischen Rahmen ausreichen, um den Effekt auf die Phosphorylierung von 4E-BP1 und S6K1 auszulösen, da beobachtet wurde, dass eine erhöhte Phosphorylierung postprandial auftritt, wenn die Menge der zirkulierenden BCAAs im Blut erhöht ist. BCAAs fördern eine positive Proteinbilanz und spielen eine entscheidende Rolle in der mRNA-Translation im humanen Skelettmuskel [29].
Aufgrund der Tatsache, dass die verzweigtkettigen Aminosäuren zu den unentbehrlichen Aminosäuren gehören, besteht für den Menschen ein gewisser Bedarf.
BCAAs machen etwa 25 % des Proteingehaltes in einem Lebensmittel aus [10]. Besonders reich an verzweigtkettigen Aminosäuren sind Erdnüsse, Thunfisch, Lachs, Rindfleisch und Kalbfleisch [56] (Tab. 1).
Über den Bedarf der BCAA lassen sich einige Aussagen finden, aufgrund verschiedener Bestimmungsmethoden. Diese werden im Folgenden erläutert.
Riazi et al. [45] bestimmten den Bedarf der verzweigtkettigen Aminosäuren mittels der Indikator-Aminosäure-Oxidations-Methode (IAAO) unter der Verwendung von L-[1-13C]Phenylalanin als Indikator.
Die IAAO beruht auf dem Konzept, dass, wenn eine unentbehrliche Aminosäure in der Ernährung defizient ist, alle anderen Aminosäuren, einschließlich der Indikatoraminosäure oxidiert werden. Dies geschieht, weil die Aminosäuren im Körper nicht gespeichert, sondern in Proteine eingebaut, oder oxidiert werden. Mit steigender Zufuhr der limitierenden Aminosäure sinkt die Oxidation der Indikatoraminosäure, was auf einen erhöhten Einbau in Proteine schließen lässt. Wenn der Bedarf der limitierenden Aminosäure gedeckt ist, kommt es zu keinen weiteren Veränderungen in der Oxidation der Indikatoraminosäure [16].
Bei einer erhöhten BCAA-Einnahme steigt zunächst der Plasmaspiegel der BCAAs an und die Plasmaspiegel von Phenylalanin und Tyrosin sinken. Die Gesamt-BCAA-Einnahme hat zwar keinen Effekt auf den Phenylalanin-Fluss, allerdings auf dessen Oxidation und Gleichgewicht [45]. Deswegen kann Phenylalanin als Indikator verwendet werden. Es besteht ein Unterschied bei der Bestimmung des BCAA Bedarfes, der abhängig davon ist, welche Parameter herangezogen werden. Wenn markiertes Kohlenstoffdioxid im Atem gemessen wird, ergibt sich nach Riazi et al. [45] für einen durchschnittlichen Mann ein Bedarf von 144 mg / kg Körpergewicht / Tag. Der Toleranzwert, die Menge, die noch als sicher angesehen wird, liegt bei 210 mg / kg Körpergewicht / Tag. Wenn die Oxidation des Phenylalanins gemessen wird, ergeben sich Werte von 125,7 mg / kg Körpergewicht / Tag für den Bedarf und 170,7 mg / kg Körpergewicht / Tag für die Toleranzgrenze [45]. Für Kinder wurden ähnliche Werte berechnet. Der Bedarf liegt bei 147 mg / kg Körpergewicht / Tag und die Toleranzgrenze bei 192 mg / kg Körpergewicht / Tag [33].
Die Unterschiede in den Werten von markiertem Kohlenstoffdioxid und oxidiertem Phenylalanin beruhen darauf, dass das Plasma-Phenylalanin die intrazelluläre Anreicherung nicht exakt widerspiegelt. Die Plasma-Anteile sind höher als die intrazellulären Anteile, was somit zu einer Unterschätzung der Oxidation führt. Deswegen werden durch die Messung der Endprodukte der intrazellulären Oxidation, hier durch die Messung des markierten Kohlenstoffdioxids, nach Riazi et al. [45] die genaueren Werte erreicht.
Im Einzelnen betrachtet ergibt sich für Leucin ein Bedarf von 55,4 mg / kg Körpergewicht / Tag, für Valin von 46,8 mg / kg Körpergewicht / Tag und für Isoleucin von 41,8 mg / kg Körpergewicht / Tag [45].
Diese Werte wurden für junge, gesunde Männer untersucht und nicht speziell für Sportler. Der Bedarf und die Zufuhrempfehlungen der BCAAs für Sportler werden in Kapitel 3.3 erläutert.
Mager et al. [33], sowie Riazi et al. [45] meinen, dass die Werte für den Erwachsenen und für Kinder, die sie berechnet haben, die korrekteren Werte sind, da die Empfehlungen der Studien, die auf Stichstoffbilanz-Methoden beruhen, unterschätzt werden. Stickstoff kann über Haut und Haare verloren gehen und damit das Ergebnis verfälschen.
Im Allgemeinen wird eine Zufuhr von 10 mg / kg Körpergewicht / Tag für Valin und Isoleucin und 14 mg / kg Körpergewicht / Tag für Leucin empfohlen [56], was sich deutlich von den eben genannten Bedarfsberechnungen unterscheidet. Dies kann auf den unterschiedlichen Untersuchungsmethoden beruhen.
Nach Angaben der deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) reicht eine tägliche Zufuhr von 0,8 g Protein / kg Körpergewicht aus, um den Bedarf aller essentiellen Aminosäuren zu decken. Die tatsächliche durchschnittliche Proteinaufnahme in Deutschland liegt mit 1,2 g / kg Körpergewicht / Tag deutlich über den Empfehlungen [15]. Daher kann davon ausgegangen werden, dass ein BCAA-Mangel in Deutschland unwahrscheinlich ist. BCAAs werden in ausreichender Menge aufgenommen, da sie 25 % des Proteingehaltes in einem Lebensmittel ausmachen und genügend Protein zugeführt wird.
Es ist nicht bekannt, ob eine zu hohe BCAA-Supplementierung toxisch wirkt. Hierzu fehlen bislang aussagekräftige Studien. Es wird davon ausgegangen, dass eine hohe Einnahme von verzweigtkettigen Aminosäuren vom menschlichen Körper toleriert wird. Durch die Phosphorylierung des BCKD-Komplexes, welcher infolgedessen inaktiv wird, besteht eine potentiell höhere Enzymaktivität, als für den Abbau der BCAAs aus der normalen Nahrung nötig wäre [22]. Zum Einen kann dadurch die Aktivität des BCKD-Komplexes schnell herunterreguliert werden, um BCAAs für die Proteinsynthese zu sparen. Zum Anderen stellen die bereits inaktivierten Enzyme eine Reserve da, um bei einem Überangebot an BCAAs wieder aktiviert werden zu können und diese abzubauen. Dies ist möglich, weil der BCKD-Komplex in den meisten Geweben phosphoryliert (inaktiv) vorliegt [22].
Im Falle von Leucin, welches in hohen Gaben einen Effekt auf die Insulinsekretion bewirken kann, ist nicht sicher, ob eine zu hohe und lang anhaltende Supplementierung zu einer Insulinresistenz, wie bei einer Hyperglykämie, führen kann [18].
Tab. 1: BCAA-reiche Lebensmittel
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Leicht verändert übernommen von [55]: Zimmermann M. Burgensteins Mikronährstoffe in der Medizin: Prävention und Therapie, ein Kompendium. 3. aktualisierte Auflage. Haug; 2003, S. 111
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