Veröffentliche auch du deine Arbeit – es ist ganz einfach!
Mehr InfosBachelorarbeit, 2012, 47 Seiten
Bachelorarbeit
1,3
Die folgenden Abschnitte beschreiben in Kürze die Grundannahmen von Leon Festingers Theorie der kognitiven Dissonanz aus dem Jahr 1952 und deren Vorhersagen für die Auswirkungen der Sortimentsgröße auf das Verhalten von Konsumenten.
Die Theorie der kognitiven Dissonanz ist innerhalb des Feldes der so genannten Konsistenztheorien angesiedelt (Festinger, 1957). Diese teilen die Annahme, dass das Individuum nach einem Zustand innerer Konsistenz, einem Equilibrium strebt. Festinger (1957) behauptet, diese Konsistenz sei beim Menschen auch zwischen seinem Wissen, seinen Meinungen und dem Wissen über sein Verhalten zu finden. In den Fokus der Aufmerksamkeit rücken jedoch vielmehr die Abweichungen dieses konsistenten Verhaltens. Ein Raucher, der weiterhin Tabak konsumiert, obwohl er über die negativen Auswirkungen des Rauchens Bescheid weiß, handelt offenbar entgegen dem Bestreben nach einem Zustand der Konsistenz. Die kognitive Dissonanztheorie besagt, dass der psychische Apparat dieses Phänomen sehr selten – wenn überhaupt – als Inkonsistenzen innerhalb der involvierten Person wahrnimmt (Festinger, 1957). Stattdessen werden üblicherweise Versuche unternommen, um die Inkonsistenz zu rationalisieren. Beispielsweise könnte der Raucher argumentieren, dass er bei dem Aufgeben des Rauchens zunehmen würde, was auf Grund der negativen Auswirkungen von Übergewicht gleichermaßen schlecht für seine Gesundheit wäre. Scheitern jedoch diese Rationalisierungsversuche, so entsteht laut Festinger (1957) ein Zustand psychologischen Unwohlseins, der im Rahmen der Theorie als „Dissonanz“ bezeichnet wird. Der angestrebte Zustand der Konsistenz wird in der Nomenklatur der Theorie als „Konsonanz“ bezeichnet.
Die Theorie vertritt drei Basishypothesen: Erstens können zwischen kognitiven Elementen eines Individuums dissonante / widersprüchliche Relationen bestehen, zweitens wird die Person motiviert sein, die Dissonanz zu reduzieren, um einen Zustand der Konsonanz zu erreichen und drittens kann die Dissonanzreduktion auf verschiedenen Wegen erfolgen (Festinger, 1957). Der erste Weg besteht darin, das Verhalten, welches zur Entstehung der kognitiven Dissonanz beiträgt, zu ändern. So könnte der Raucher das Rauchen aufgeben, um einen Zustand kognitiver Konsonanz zu erlangen. Zweitens können die Kognitionen dahingehend verändert werden, dass in dem Beispiel viele Informationen über die förderlichen Wirkungen des Nikotinkonsums wie zum Beispiel über entspannende Effekte eingeholt werden, so dass die Kognitionen über die Auswirkungen des Tabakgenusses nicht mehr im Widerspruch zum Wissen über das tatsächliche Rauchverhalten stehen. Die dritte Möglichkeit der Dissonanzreduktion besteht in der Hinzunahme neuer kognitiver Elemente wie zum Beispiel dem Wissen über die hohen Unfallzahlen im Straßenverkehr und die Gefährlichkeit des Autofahrens, die die dissonante Beziehung zwischen den Kognitionen bezüglich des Rauchens und dessen Auswirkungen relativiert (Festinger, 1957).
Auch in Entscheidungssituationen kommt es laut Festinger (1957) fast unweigerlich zu der Entstehung kognitiver Dissonanz. Zur Verdeutlichung soll auf eine Kaufentscheidung zwischen zwei Autos A und B eingegangen werden. Während des Entscheidungsprozesses sammelt der potenzielle Käufer Informationen über die Charakteristika und Funktionen beider Fahrzeuge und stellt Vergleiche an. Wahrscheinlich gibt es eine Reihe von Eigenschaften des Fahrzeugs A, die für den Kauf des Autos sprechen. Beispiele könnten das gute Design, der große Kühlergrill, die starke Motorleistung und die beachtliche Länge sein. Genauso wahrscheinlich wird es jedoch auch Attribute des Fahrzeugs B geben, die für die Wahl dieser Alternative sprechen wie zum Beispiel die gute Wendigkeit, der geringe Preis, die günstigeren Ersatzteile etc. Bei der hypothetischen Entscheidung für das Auto A und dem Abschluss des Kaufs ist somit auch die Ablehnung des Fahrzeugs B impliziert. Es entstehen folgende Beziehungen zwischen den kognitiven Elementen des Käufers: Das Wissen über den Kauf des Fahrzeugs A ist konsistent mit den kognitiven Elementen, die den Kauf dieses Fahrzeugs nahelegen. Allerdings steht das Wissen über den Kauf in dissonanter Beziehung zu den oben genannten Vorzügen des abgelehnten Fahrzeugs B. Gemäß der Theorie von Festinger (1957) wird erwartet, dass als Folge dieser Nachentscheidungsdissonanz Versuche zur Dissonanzreduktion beobachtet werden können. Diese könnten etwa darin bestehen, die getroffene Entscheidung rückgängig zu machen oder eine kognitive Änderung bezüglich der Attraktivität der involvierten Auswahloptionen durchzuführen.
Häufiger anzutreffen ist der zweite Weg zur Reduktion bestehender Nachentscheidungsdissonanz. Dieser bildet auch die Basis für die Vorhersage des Einflusses der Sortimentsbreite auf das Konsumentenverhalten aus der Sicht der Theorie von Festinger (1957). Die Dissonanz kann reduziert werden, in dem die nicht gewählte Alternative in ihrer relativen Attraktivität zum Beispiel durch die Überbetonung der Nachteile bei gleichzeitiger Vernachlässigung der positiven Eigenschaften abgewertet wird. Gleichzeitig wird das Fahrzeug A als ausgewählte Option in seiner wahrgenommenen relativen Attraktivität erhöht. Dies kann durch die Konzentration auf die Vorteile des Fahrzeugs erfolgen, während die Nachteile des Autos nicht bewusst durchdacht werden. Bei einer Verbreiterung des Sortiments (es stehen zusätzlich noch die Autos C, D und E zur Wahl) vergrößert sich das Ausmaß kognitiver Dissonanz, da in diesem Fall die Kognitionen bezüglich der Vorteile aller nicht gewählten Fahrzeuge in dissonanter Beziehung zu dem Wissen über die getroffene Wahl des Autos A stehen (Festinger, 1957). Bei angenommener Irreversibilität der Kaufentscheidung sagt die Theorie der kognitiven Dissonanz für ein breiteres Sortiment vorher, dass die kognitive Aufwertung des gewählten Produkts einhergehend mit der Abwertung der nicht gewählten Alternativen, stärker ist als bei einem eingeschränkten Angebot an Optionen. Dies ist dadurch begründet, dass die stärkere kognitive Dissonanz intensivere Versuche zur Dissonanzreduktion hervorruft (Festinger, 1957). Dementsprechend sollte die Zufriedenheit mit einem gewählten Produkt nach einer getroffenen Kaufentscheidung aus Sicht des Konsumenten stärker ausfallen, wenn er den Artikel aus einem breiten anstatt aus einem schmalen Sortiment ausgewählt hat. Festinger (1957) betont außerdem, dass die Zufriedenheit mit der final ausgewählten Alternative umso stärker wird, je ähnlicher sich die Auswahloptionen in Bezug auf ihre Attraktivität für den Konsumenten sind.
Zusammengefasst geht die Theorie der kognitiven Dissonanz davon aus, dass zwischen kognitiven Elementen in den meisten Entscheidungsprozessen dissonante Beziehungen nach einer getroffenen Auswahl auftreten (Festinger, 1957). Das Ausmaß der Dissonanz steigt hierbei mit der Anzahl angebotener, attraktiver Auswahloptionen, was in einer stärkeren kognitiven Aufwertung der gewählten Alternative bei einhergehender Abwertung der abgelehnten Produkte resultiert. Dieses stärkere Ausmaß an Reduktion der Nachentscheidungsdissonanz führt wiederum zu mehr wahrgenommener Zufriedenheit mit einem Produkt, welches aus einem großen Angebotsrahmen ausgewählt wurde.
Auch die Reaktanztheorie von Brehm (1966) impliziert Vorhersagen für den positiven Einfluss breiter Sortimente auf das Konsumentenverhalten, die nach einer knappen Darstellung der theoretischen Konzeption beschrieben werden.
Die Reaktanztheorie basiert auf den Reaktionen von Menschen auf Einschränkung der persönlichen Wahlfreiheit (Brehm, 1966). In nahezu allen Bereichen des Lebens hat ein Mensch ein bestimmtes Set an gegebenen Auswahlmöglichkeiten. Als Beispiel sei hier der Besuch eines von vier städtischen Freibädern an einem warmen Sommertag genannt. Der Kern von Brehms (1966) Theorie besagt, dass ein Zustand psychologischer Reaktanz auftritt, wenn die Wahlfreiheiten zum Beispiel durch die Schließung eines der vier Bäder eingeschränkt werden. Dieser Zustand psychologischer Erregung führt laut der Konzeption der Theorie dazu, dass der Mensch bestrebt ist, das ursprüngliche Ausmaß an persönlicher Freiheit wiederherzustellen. Versuche dieser Art könnten zum Beispiel durch die Organisation von Unterschriftenaktionen für die Wiedereröffnung des geschlossenen Schwimmbads erfolgen. Weiterhin behauptet Brehm (1966) in seiner Theorie, das Ausmaß an erlebter Reaktanz steige mit der subjektiven Wichtigkeit der bedrohten Freiheit. In dem oben genannten Beispiel scheint es logisch davon auszugehen, dass eine Familie mit Kindern, die regelmäßig eines der vier Freizeitbäder besucht, die Einschränkung der persönlichen Freiheit intensiver erlebt als ein alleinstehender Geschäftsmann, der nur selten Zeit für einen Schwimmbadbesuch findet. Eine weitere Hypothese im Rahmen der Reaktanztheorie besagt, Reaktanz sei kumulativ. Wird in der von der Schwimmbadschließung betroffenen Gemeinde auch noch eine Sperrstunde eingeführt und dementsprechend die persönliche Freiheit, länger als 2:00 Uhr in einer Kneipe oder Bar zu verweilen, eingeschränkt, ist das Ausmaß an Reaktanz intensiver als bei nur einzeln vorkommenden Bedrohungen der Freiheit (Brehm, 1966).
Die Reaktanztheorie impliziert, dass beim Vergleich zwischen verschiedenen Warenanbietern oder Marken in derselben Produktkategorie solche Anbieter oder Marken mit einem breiten Sortiment suggerieren, dass den Konsumenten mehr individuelle Freiheit bei der Auswahl eines bestimmten Produktes zukommt (Brehm, 1966). Eine augenscheinliche Anwendungsmöglichkeit der Theorie ist für den Fall gegeben, dass Sortimentsverkleinerungen auftreten, die von den Konsumenten bewusst wahrgenommen werden. Verringert eine Marke die Anzahl der Produkte innerhalb eines bestimmten Sortiments oder reduziert zum Beispiel ein Supermarkt die Anzahl der verschiedenen angebotenen Marken oder Produktkategorien, fühlen sich Konsumenten in ihrer individuellen Freiheit, möglichst frei ein Produkt zu wählen, eingeschränkt und erleben Reaktanz. Dieses Reaktanzerleben ruft Widerstand hervor, um die persönliche Wahlfreiheit zurück zu erlangen (Brehm, 1966). Im Fall von Supermärkten mit verschmälertem Angebot könnte dieser Widerstand etwa darin bestehen, die Wocheneinkäufe bei einem anderen Lebensmittelhändler zu tätigen, welcher ein breiteres Sortiment anbietet. Dasselbe gilt für Marken, die ihre Angebotspalette in einer Produktkategorie verkleinern: Von einer steigenden Anzahl an Kundenbeschwerden bis zum vollständigen Verzicht des Kaufs von Produkten der jeweiligen Marke sind viele Varianten des Konsumentenwiderstands denkbar.
Zur Vollständigkeit der Darstellung sei an dieser Stelle angemerkt, dass unter Berücksichtigung der theoretischen Konzeption bei der Kaufentscheidung eines Produkts aus einem breiten Sortiment die erlebte Reaktanz nach dem Kauf stärker sein sollte als im Falle eines kleinen Sortiments (Brehm, 1966). Begründet wird diese Annahme dadurch, dass durch die bestimmte Auswahl eines Produkts die individuelle Freiheit der Wahl eines anderen Artikels und der Ablehnung der gewählten Alternative eingeschränkt wird und dies umso stärker der Fall ist, je größer der ursprüngliche Rahmen an Auswahlmöglichkeiten war. Laut der Reaktanztheorie würde sich der Widerstand gegen diese Einschränkung darin äußern, dass die nicht präferierten Optionen beziehungsweise Produkte in ihrer Attraktivität steigen, was die stärkere Motivation, sich für die nicht gewählten Produkte zu entscheiden, reflektiert. Gleichzeitig sollte aus Sicht der Reaktanztheorie die Attraktivität des gewählten Produkts absinken (Brehm, 1966). Nichtsdestotrotz bezieht Brehm (1966) die Annahmen aus Festingers (1957) Theorie der kognitiven Dissonanz mit ein und erkennt an, dass bei einer gegebenen Irreversibilität der Kaufentscheidung – und dem somit endgültigen Aufgeben der Wahlfreiheit in Bezug auf die nicht ausgewählten Produkte – keine Reaktanz hervorgerufen wird und der Prozess der Dissonanzreduktion greifen kann (siehe Abschnitt 3.2).
Zusammengefasst basiert die Reaktanztheorie von Brehm (1966) auf der Kernannahme, dass ein Zustand negativer psychologischer Erregung durch die Einschränkung der individuellen Wahlfreiheit hervorgerufen wird, der Widerstand verursacht. Angewendet auf den Kontext von Konsumentenverhalten bieten breitere Sortimente innerhalb von Marken oder Marktanbietern eine größere Anzahl an Auswahlmöglichkeiten und mehr individuelle Freiheit für die Konsumenten, was einen positiven Einfluss größerer Angebotsrahmen auf das Kaufverhalten und –erleben von Konsumenten impliziert.
Zusätzlich zu den Implikationen der oben beschriebenen psychologischen Theorien können einige ökonomische Überlegungen angestellt werden, die einen positiven Zusammenhang zwischen der Größe eines Sortiments und dem Konsumentenverhalten im Sinne einer Kaufabsicht und / oder der Zufriedenheit mit einem gewählten Produkt nach dem Kauf nahelegen.
Erstens stellt Anderson (2006) heraus, dass breitere Sortimente den entscheidenden Vorteil aus Konsumentensicht bieten, dass die große Vielfalt die Wahrscheinlichkeit erhöht, verschiedene individuelle Wünschen und Bedürfnisse zu befriedigen. Sie sind somit auf fortschreitende Individualität und wachsenden Pluralismus in den Kundenansprüchen zugeschnitten. Dieser Überlegung entsprechend sollten Anbieter, die eine größere Auswahl anbieten, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Anbietern mit einem nur einem schmalen Sortiment haben (Bown, Read & Summers, 2003). Zweitens werden die Kosten des Aufwands anderweitiger Informationssuche reduziert, mehrere direkte Vergleiche zwischen den angebotenen Alternativen ermöglicht und somit ein besserer Überblick über die Qualität des Angebots insgesamt ermöglicht, wenn innerhalb eines großen Angebotsrahmens viele Optionen an einem Ort zur Auswahl stehen (Hutchinson, 2005). Diese Faktoren können zu bewussteren und besser reflektierten Entscheidungen führen. Chernev (2003b) führt weiter aus, dass Konsumenten sich bei einem Anbieter, der viele Produktvariationen innerhalb einer Kategorie anbietet, sicherer sein können, dass es keine potenziell bessere Alternative außerhalb des Sortiments gibt, als dies bei schmaleren Auswahlsets der Fall ist. Drittens stellen Huffman und Kahn (1998) fest, dass bei Sättigungserscheinungen in einer zunehmenden Anzahl an Märkten die Neugier und schwankenden Ansprüche der Konsumenten bestehen bleiben. Somit ist es wahrscheinlich, dass Konsumenten nach Vielfalt innerhalb von Kaufsituationen und über diese hinweg suchen. Auch diese Überlegung spricht für das Angebot weitreichender Sortimente. Eine Auswahl aus 30 verschiedenen Biersorten in einem Supermarkt kommt der Vielfalt-suchenden Tendenz von Konsumenten besser entgegen als eine Auswahl aus nur 5 Biersorten. Viertens stellte Arrow (1963) das Prinzip der Regularität vor. Dieses Konzept innerhalb der Theorie der rationalen Entscheidung besagt, dass die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Alternative in einem gegebenen Angebotsrahmen auszuwählen, niemals ansteigen sollte, wenn andere Alternativen mit in das Sortiment aufgenommen werden. Als Beispiel sei an dieser Stelle eine Produktkategorie X mit jeweils einem Produkt A1 und B1 der Marken A und B genannt. Für den Fall, dass Marke B ihr Sortiment mit der Einführung von Alternative B2 auf zwei Produkte innerhalb der Produktklasse X erweitert und somit nun die Produkte A1, B1 und B2 zur Verfügung stehen, sollte sich gemäß dem Prinzip der Regularität der Marktanteil des Produktes A1 nicht gegenüber dem Absatz im ursprünglichen Sortiment verringern (Arrow, 1963). Analog dazu sollte Marke B auch keine Marktanteile an A verlieren, in dem sie neue Produkte in ihr Portfolio in der jeweiligen Kategorie aufnimmt. Das Prinzip der Regularität besagt zwar nicht, dass größere Sortimente (in diesem Fall der Marke B) den Absatz zwangsläufig erhöhen, jedoch kann ein Anbieter / eine Marke aus dieser Sicht niemals seine / ihre Situation im Markt verschlechtern, wenn er / sie zusätzliche Produkte in sein Sortiment aufnimmt. Auch diese Überlegung legt eine Strategie hin zum Führen breiter Sortimente nahe.
Neben der Theorie der kognitiven Dissonanz und der Reaktanztheorie wurden ökonomische Überlegungen beschrieben, die einen positiven Effekt der Breite eines Sortiments auf das Konsumentenverhalten vorhersagen. Begründet wurden diese Überlegungen durch die höhere Wahrscheinlichkeit der Bedürfnisbefriedigung, das geringere Ausmaß an anderweiter Informationssuche, die Vielfalt-suchenden Verhaltenstendenzen von Konsumenten und das Prinzip der Regularität.
Der nachfolgende Abschnitt der vorliegenden Arbeit berichtet die Ergebnisse empirischer Forschung zu den Auswirkungen der Anzahl an Auswahloptionen auf den Entscheidungsprozess von Individuen – auch im Kontext von Konsumentscheidungen. Der erste Teil besteht dabei aus der Präsentation theoriekonformer Studien, die die in Abschnitt 3 angeführten Implikationen der psychologischen Theorien und ökonomischen Überlegungen bestätigen. Diesen Befunden wird im zweiten Unterabschnitt die Darstellung theorieinkompatibler Studien gegenübergestellt, die den Choice Overload Effekt in verschiedenen Settings nachweisen konnten.
Suzuki (1999) führte eine Untersuchung zum Entscheidungsverhalten von Primaten durch. Den Versuchsaffen wurde in der Studie die Auswahl zwischen einer no-choice-Option (bestehend aus einem Item) und einer choice-Option (bestehend aus drei Items) gegeben. In der ersten Versuchsgruppe waren zwei der drei Items in der Auswahlbedingung identisch zu dem isoliert präsentierten Item, während ein Item unterlegen war. In einer zweiten Versuchsgruppe waren zwei der drei Items minderwertig und das dritte Item gegenüber dem einzigen Item in der Option ohne Auswahl identisch. Die Resultate zeigten, dass sich die Affen mehrheitlich für die Option mit einer Auswahlmöglichkeit aus drei Items entschieden, wenn zwei der drei Alternativen dem alleine präsentieren Item identisch waren (Suzuki, 1999). In der zweiten Gruppe wurde die Auswahlbedingung nicht präferiert. Suzuki (1999) stellt fest, dass die Primaten eine Auswahlmöglichkeit dann anziehend fanden, wenn die Mehrheit der angebotenen Alternativen als gut zu bewerten war. Bown et al. (2003) generalisierten diese Befunde und begründeten die offensichtliche Verlockung der Auswahl dadurch, dass es keine Nachteile gibt, einen Pfad mit Auswahlmöglichkeiten innerhalb des Entscheidungsprozesses einzuschlagen, solange dadurch kein schlechterer Outcome erreicht wird. In ihrer Studie wurden die Versuchspersonen gebeten, eine Auswahl zwischen drei Nachtclubs (Club Atom, Club Cherish und Club Diesel) für die Gestaltung eines Freitagabends zu treffen. Der Club Atom diente im Versuchsdesign als Köder und wurde in verschiedenen Gruppen mit dem Club Cherish beziehungsweise dem Club Diesel als Zweierpaar, zwischen denen eine Auswahl getroffen werden sollte, präsentiert, während die dritte Diskothek isoliert zur Auswahl dargeboten wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass bei einer Paarung des jeweiligen Clubs Cherish beziehungsweise Diesel mit dem Köder der Anteil an Personen höher war, die den Club gegenüber dem jeweils anderen vorzogen, gegenüber der Bedingung, wenn die Location alleine zur Auswahl angeboten wurde. Im Fall des Club Cherish entschieden sich 45% der Versuchspersonen für einen Besuch, wenn dieser mit dem Club Atom gepaart war im Vergleich zu nur 36%, wenn der Club Cherish als isolierte Option dargestellt wurde. Ein noch deutlicheres Bild ergibt sich für den Club Diesel: In der Auswahl-Bedingung wählten 60% der Probanden diesen Club führ ihre Abendgestaltung, während es nur 36% in der Bedingung ohne Auswahl waren (Bown et al., 2003). Die Ergebnisse replizieren die Befunde von Suzuki (1999) und bestätigen die Vorhersagen von Bown et al. (2003), nach denen die Wahrscheinlichkeit eine Option final auszuwählen steigt, wenn sie anfänglich als Teil eines Zweiersets an Wahlmöglichkeiten anstatt isoliert dargeboten wurde. Relevant für die Einschätzung der Ergebnisse ist, dass dieser Befund auch bei der Gleichwertigkeit aller drei Alternativen in ihrer Qualität gilt (Bown et al., 2003). Berger, Draganska und Simonson (2007) formulierten die Hypothese, nach der die Angebotsvielfalt, die eine Marke bietet, als Hinweisreiz auf deren Qualität und Expertise in der jeweiligen Domäne dient. Dementsprechend sollte das Kaufverhalten von Konsumenten durch ein breiteres Angebot im Sinne einer Absatzsteigerung positiv beeinflusst werden. In ihrer Studie wurden den Teilnehmern zwei Schokoladenmarken A und B mit einem Sortiment aus 10 beziehungsweise 30 verschiedenen Sorten präsentiert. Die 10 Sorten des Sortiments der Marke A bildeten hierbei die beliebtesten Schokoladensorten, welche sich neben 20 weiteren, nicht so beliebten Variationen auch im Sortiment der Marke B befanden. Nach dem Probieren der Schokolade wurden die Versuchspersonen bezüglich ihrer Einschätzung der Qualität der Schokoladenmarken A und B befragt. Weiterhin wurden die Probanden befragt, welches Produkt sie auswählen würden. Die Ergebnisse der Studie bestätigen die vorab formulierten Hypothesen: Bei einem breiteren Sortiment gut vergleichbarer Einzelprodukte (Marke B) steigt die wahrgenommene Qualität der Marke. Positive Effekte eines größeren Angebotsrahmens ließen sich auch auf die finale Auswahl des Produkts feststellen. Unter den Personen, die eine der 10 beliebtesten Sorten probierten, entschieden sich 71% für die Wahl eines Produkts der Marke B, während nur 29% die Marke A vorzogen (Bown et al., 2003). Auch in einer Untersuchung mit Schnittblumen als Konsumgut konnten Koelemeijer und Oppewal (1999) ähnliche Effekte zeigen: Wenn den Versuchspersonen ein Sortiment von 12 verschiedenen Sorten gleichermaßen attraktiver Schnittblumen im Vergleich zu einem Sortiment aus 5 Blumensorten angeboten wurde, stieg die Kaufwahrscheinlichkeit an. Auch dieses Ergebnis zeigt, dass ein Anstieg in der Sortimentsgröße zusätzliche Käufe begünstigt, sofern attraktive Auswahloptionen in das Angebot aufgenommen werden (Koelemeijer & Oppewal, 1999). In ihrer Forschungsarbeit zum Einfluss der Sortimentsgröße auf Konsumentenverhalten stützen sich Kahn und Lehmann (1991) auf die Überlegung, dass große Sortimente gegenüber kleinen vorgezogen werden, da diese die bestmöglichen Chancen bieten, eine finale Auswahl bezüglich eines Produktes treffen zu können, das den eigenen Präferenzen am besten entspricht (siehe auch Abschnitt 3.4). Als Beispiel ist eine Eisdiele zu nennen, die durch das Angebot von 31 verschiedenen Eissorten eine höhere Flexibilität anbietet als ein Konkurrent mit nur 3 Sorten zur Auswahl. Für die Untersuchung wurde vorhergesagt, dass die Bevorzugung von Sortimenten erhöht wird, indem zusätzliche, qualitativ mindestens gleichwertige Alternativen in das Angebot aufgenommen werden (Kahn & Lehmann, 1991). Die Ergebnisse bestätigen die Vorhersagen der Forscher: Breitere Sortimente werden gegenüber schmaleren Angebotsrahmen bevorzugt. Kahn und Lehmann (1991) folgern, dass eine Verbesserung in der Wahrnehmung eines Sortiments insgesamt erfolgt, sobald zusätzliche akzeptable, qualitativ nicht minderwertige Produkte in das Angebotsset aufgenommen werden. Die Flexibilität bei zukünftigen Auswahlprozessen wird durch eine größere Anzahl an zugelassenen Vergleichen innerhalb des Sortiments erhöht.
Der US-Konsumgüterkonzern Procter & Gamble erlebte nach der Reduktion seines Angebots der verschiedenen Versionen des Shampoos Head and Shoulders von 26 auf 15 einen darauf folgenden Umsatzanstieg von 10% in dieser Produktkategorie (Osnos, 1997). Diese Entwicklung widerspricht den bisher dargestellten theoretischen Vorhersagen und praktischen Befunden zu positiven Wirkungen breiter Sortimente. Mick, Broniarczyk und Haidt (2004) beschreiben das heutige Umfeld von Konsumenten in Kaufentscheidungen: Eine unendlich steigende Anzahl an Kaufgelegenheiten ist begleitet von einer unendlich steigenden Menge an neuen Produkten, Marken und Markenerweiterungen, einem unendlich steigenden Ausmaß an anderen Anforderungen des täglichen Lebens und einem unendlich sinkenden Umfang an privater Freizeit. Diese Bedingungen bilden den Kontext, in dem das Auftreten eines Choice Overload Effekts wahrscheinlich ist (Mick et al., 2004). Das Phänomen kann in zwei Aspekten zum Ausdruck kommen. Erstens in einer geringeren Motivation, überhaupt eine Wahl zu treffen und zweitens in einer Abnahme der Nachkaufzufriedenheit mit dem gewählten Produkt bei einer steigenden Sortimentsbreite (vgl. Scheibehenne et al., 2010). Der Großteil der Literatur zum Choice Overload Effekt stützt sich bei der Analyse auf die nachteiligen Effekte der Sortimentsgröße auf das Treffen einer Kaufentscheidung an sich.
Erste empirische Evidenz für negative Effekte einer Auswahl lieferte Dhar (1997). In seinen Studien konnte er nachweisen, dass der Anteil an Personen steigt, die keine Auswahl treffen, wenn zu nur einer vorgegeben Auswahloption eine zweite ähnlich attraktive Alternative hinzugenommen wird. Für typische Konsumgüterartikel wie Notebooks, Anrufbeantworter und elektrische Rasierer wurde gezeigt, dass der Anteil der Personen, die keine Wahl treffen, um 12 – 18% steigt, wenn eine Auswahlmöglichkeit gegeben wird (Dhar, 1997). Eine wegweisende Studie auf dem Gebiet der Forschung zum Choice Overload Effekt wurde von Sheena S. Iyengar und Mark R. Lepper (2000) durchgeführt. Sie bauten ihre Untersuchung auf der Feststellung auf, dass vorherige Forschung zum Einfluss von der Sortimentsbreite auf das Konsumentenverhalten üblicherweise durch das Anbieten von zwei bis sechs Auswahloptionen im Design der Studien charakterisiert war. Dementsprechend kann aus diesen Studien eher die Aussage getroffen werden, dass es in einem relativ begrenzten Rahmen besser ist, eine Auswahlmöglichkeit zu haben, als nur sehr eingeschränkt vergleichen und auswählen zu können (Iyengar & Lepper, 2000). Die Studie sollte der Frage nachgehen, wie sich das Konsumentenverhalten verändert, wenn die Spanne an Auswahlalternativen größer und die Unterschiede zwischen den Optionen kleiner werden. Für ihre erste Studie platzierten die Forscher einen Stand mit einem Angebot aus 6 vs. 24 verschiedenen exotischen Marmeladen in einem Supermarkt und maßen den Anteil an Personen, die beim Vorbeigehen an dem Stand anhielten und in einer zweiten Messung, wie viele Interessierte eine der Marmeladen kauften. Die Ergebnisse bezüglich der anfänglichen Attraktivität der Sortimentsbreite bestätigen die zuvor vorgestellten theoretischen Annahmen und Befunde. Während in der Bedingung mit einem breiten Sortiment aus 24 verschiedenen Marmeladensorten 60% aller vorbeilaufenden Personen am Stand stoppten, waren es in der Bedingung mit 6 Marmeladen im schmalen Sortiment nur 40% (Iyengar & Lepper, 2000). Tatsächlich war jedoch das auf den Besuch des Standes folgende Kaufverhalten negativ durch die Breite des Sortiments beeinflusst. In dieser Bedingung entschieden sich nur 3% der Versuchspersonen dazu, eine Marmelade zu kaufen. Demgegenüber erwarben 30% der Probanden eine Marmelade, wenn sie aus einem schmalen Sortiment ausgewählt hatten. Die erste Studie zeigt somit, dass die Motivation zum Kauf durch das große Angebot reduziert wurde (Iyengar & Lepper, 2000). Eine zweite Studie konnte den Beleg des Choice Overload Effekts durch die Übertragung auf einen anderen Bereich generalisieren. Die Teilnehmer sollten ein Essay aus einer Auswahl aus 6 vs. 30 verschiedenen Themen schreiben. Auch hier trat der Choice Overload Effekt auf. In der Gruppe mit einer geringen Anzahl an Themen für das Essay wurde ein größerer Anteil an Schriftstücken fertig gestellt. Zudem war die Qualität der eingereichten Essays besser (Iyengar & Lepper, 2000). Es schien erneut die Motivation durch ein breiteres Angebot reduziert worden zu sein. In einer dritten Studie konnten Iyengar und Lepper (2000) zudem aufzeigen, dass die Zufriedenheit nach einer Entscheidung mit der getroffenen Auswahl dann größer war, wenn aus einem schmalen Angebot ausgewählt wurde. Insgesamt konnten in der Studie beide Aspekte des Choice Overload Effekts – ein negativer Einfluss der Sortimentsbreite auf das Treffen einer Entscheidung sowie ein geringeres Maß an berichteter Zufriedenheit nach der Auswahl aus einem vielfältigen Angebot – empirisch belegt werden. Aufbauend auf die Erkenntnisse von Iyengar und Lepper (2000) führten Iyengar, Huberman und Jiang (2004) eine weitere Untersuchung im Bereich der Auswahl zwischen verschiedenen Plänen zur Altersvorsorge durch. Im Hintergrund stand die Überlegung, dass sich der Choice Overload vermutlich zuspitzt, wenn es um Entscheidungen geht, bei denen die Kosten einer objektiv falschen Entscheidung schwerwiegender und weitreichender sind, als dies bei trivialen Entscheidungen wie der Wahl eines Essaythemas oder einer Marmelade der Fall ist. Entscheidungen, die eine starke Involvierung der Personen voraussetzen, erfordern ein bedeutendes Ausmaß an Zeit und Anstrengung, um tiefgehend informierte Vergleiche zwischen den Alternativen im Detail anstellen zu können oder das Einholen von Expertenmeinungen, um eine begründet korrekte Auswahl zu treffen (Iyengar et al., 2004). Dementsprechend wurde eine Studie konzipiert, die das Auftreten von Choice Overload in dem Bereich eines Hauptentscheidungsprozesses im Leben eines Menschen untersucht. In der breit angelegten Untersuchung wurden verschiedene Pläne zur Altersvorsorge in ihrer Beliebtheit verglichen, wobei die Programme wesentlich in der Anzahl der verschiedenen Investitionsmöglichkeiten und Entscheidungen über diese variierten. Die Ergebnisse zeigen, dass die Anzahl der Arbeitnehmer, die sich für ein bestimmtes Modell zur Altersvorsorge entschieden, in negativem Zusammenhang mit der Anzahl der verschiedenen Anlagemöglichkeiten innerhalb des Plans steht (Iyengar et al., 2004). Dabei sind Rentenpläne mit bis zu fünf verschiedenen Investitionsmöglichkeiten am beliebtesten, während der Anteil an Arbeitnehmern, die sich für ein entsprechendes Modell entschieden, stark mit einer Zunahme an Anlageoptionen zurückging. Die bisher vorgestellten klassischen Befunde zu negativen Effekten breiter Sortimente auf das Konsumentenverhalten betrachten jeweils nur die Unterschiede zwischen wenigen und sehr vielen Auswahlmöglichkeiten (vgl. Iyengar et al., 2004; Iyengar & Lepper, 2000). Reutskaja und Hogarth (2009) betonen, dass bisher wenig Wert auf den Bereich zwischen diesen Extremen – also auf eine Sortimentsbreite von etwa 10 bis 20 alternativen Produkten – gelegt wurde. Darüber hinaus stellen die Autoren heraus, dass den bisherigen Befunden ein zu Grunde liegendes Rational für das Auftreten des Choice Overload Effekts fehlt. Es werde lediglich die implizite Annahme vertreten, bei schmalen Sortimenten überwiege der Nutzen eines Auswahlrahmens den Kosten des Entscheidungsprozesses, während sich dieser Effekt bei sehr breiten Sortimenten umkehre (Reutskaja & Hogarth, 2009). Im Vorfeld ihrer Untersuchung zur genaueren Betrachtung des Einflusses mittlerer Sortimentsbreiten stellten Reutskaja und Hogarth (2009) diverse Überlegungen an. So wird von den Autoren die Annahme vertreten, dass sowohl die Kosten als auch der Nutzen mit einer Vergrößerung des Sortiments ansteigen. Der Nutzen steigt deshalb, weil es mehr Alternativen gibt und somit die Wahrscheinlichkeit einer Übereinstimmung mit eigenen Präferenzen größer wird (siehe auch Abschnitt 3.4), die Kosten steigen ihrerseits ebenfalls dadurch, dass die Vergleiche, die im Rahmen des Entscheidungsprozesses getroffen werden müssen, schwieriger, komplexer und größer in ihrer Anzahl werden. Außerdem wird postuliert, dass die Kosten in Relation zu dem Nutzen bei einer Vergrößerung des Angebots stärker ansteigen. Das Resultat aus einer Sättigung des Nutzens bei gleichzeitigem Höherschrauben der Kosten sollte laut den Vorhersagen von Reutskaja und Hogarth (2009) eine umgekehrt U-förmige Funktion der Zufriedenheit mit dem ausgewählten Produkt beziehungsweise der getroffenen Wahl in Abhängigkeit von der Sortimentsbreite sein. Im Untersuchungsdesign konnten die Versuchspersonen aus einer Auswahl von Geschenkboxen, die sich in Farbe und Form voneinander unterschieden, eine Box auswählen. Variiert wurde die Breite des Angebots an verschiedenen Geschenkboxen zwischen 5 und 30 mit insgesamt 4 Abstufungen (5, 10, 15 und 30 Auswahloptionen). Die Ergebnisse bestätigen die Hypothese von Reutskaja und Hogarth (2009). Wie Abbildung 1 und 2 zeigen, ergibt sich sowohl für die Messung der Zufriedenheit mit der gewählten Geschenkbox als auch für die Zufriedenheit mit dem Entscheidungsprozess an sich eine umgekehrt U-förmige Verteilung in Abhängigkeit von der Sortimentsbreite.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Berichtete Zufriedenheit mit der gewählten Geschenkbox in Abhängigkeit vom Sortimentsrahmen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Berichtete Zufriedenheit mit dem Entscheidungsprozess in Abhängigkeit vom Sortimentsrahmen
Auffällig bei den Befunden ist, dass bei einem Angebot von 10 Geschenkboxen im Sortiment sowohl bei der berichteten Zufriedenheit mit dem Produkt als auch mit dem Entscheidungsprozess ein Maximum festzustellen ist. Die Probanden berichteten außerdem, dass der Angebotsrahmen mit 30 verschiedenen Boxen überfordernd gewirkt habe, während das Sortiment aus 5 Geschenkboxen als zu wenig Auswahl bietend wahrgenommen wurde (Reutskaja & Hogarth, 2009). Zusammengefasst konnte somit auch hier der Choice Overload Effekt gefunden werden mit der Erweiterung, dass zunächst beim Anstieg der Sortimentsbreite auf 10 beziehungsweise 15 Optionen die Zufriedenheit gegenüber einem sehr eingeschränkten Angebot ansteigt. Nichtsdestotrotz gibt die Studie keinen Aufschluss darüber, was genau darüber entscheidet, ab wann Konsumenten Sortimente als „klein“, „mittelgroß“ oder „groß“ wahrnehmen und wie diese Wahrnehmung in verschiedenen Bereichen und Situationen variiert (Reutskaja & Hogarth, 2009). Shah und Wolford (2007) kamen zu denselben Ergebnissen in ihrer Studie, in der sie die Teilnehmer aus Sortimentsbreiten von 2 bis 20 Füllern auswählen ließen, wobei die Größe des Angebots in Abstufungen von 2 Stiften verändert wurde. Es ergab sich für den Anteil an Probanden, die sich für den Kauf eines Füllers bei gleichem Preis für alle verschiedenen Optionen entschieden, eine ebenfalls umgekehrt U-förmige Funktion in Abhängigkeit von der Sortimentsgröße. Auch in dieser Untersuchung lag der maximale Anteil an Probanden mit einer positiven Kaufentscheidung bei einem Angebotsrahmen von 10 Alternativen (Shah & Wolford, 2007). Die Ergebnisse replizierten außerdem die Erkenntnisse von Iyengar und Lepper (2000). Bei einem Sortiment von 6 im Vergleich zu 20 Stiften entschieden sich 20% mehr Versuchsteilnehmer für den Kauf eines Füllers. In einer ähnlich angelegten Untersuchung kamen Greifeneder, Scheibehenne und Kleber (2010) dann zu ähnlichen Ergebnissen, wenn die Stifte sich in mehreren Eigenschaften voneinander unterschieden.
In der überblicksartigen Zusammenstellung von Befunden konnten sowohl theoriekonforme als auch Studienergebnisse, die im Widerspruch zu den in Abschnitt 3 genannten psychologischen Theorien und ökonomischen Überlegungen stehen, berichtet werden. Während die Autoren theoriestützender Untersuchungen vor allem auf die größere Flexibilität breiter Sortimente bezüglich der Wünsche von Konsumenten bei ihren Erklärungen zurückgreifen, sind die Ergebnisse der Forscher, die den Choice Overload Effekt nachweisen konnten, mehrheitlich deskriptiv. Auf theoretische Überlegungen zum Auftreten von Choice Overload wird im Folgenden eingegangen.
[...]
Kommentare